• Andy Strässle
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Sexaffäre im Asylheim Reinach: Der Gemeinderat will aufklären und verheddert sich in Widersprüchen

Nach Sex- und Drogenvorwürfen im Asylheim Reinach lud Gemeindepräsident Urs Hintermann zur Schlammschlacht. Öffentlich in die Pfanne gehauen wurde dabei ausgerechnet jene Mitarbeiterin, die der «Basler Zeitung» von den Missständen erzählt hatte. 

Zurück zum Jahresrückblick

Im Asylheim Reinach ist offenbar der Teufel los. Sexuelle Handlungen mit einem Minderjährigen, Küsse im Betreuerraum, die gerade noch nicht Sex sind, und im gleichen Zimmer Koks während der Nachtschicht. So die Vorwürfe, die in der «Basler Zeitung» kolportiert wurden.

Der Kanton Baselland betrachtete das Asylheim in Reinach einst als Vorzeige-Heim. Es habe früher vor allem im Umgang mit so genannten «UMA», also unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden, wegweisende Arbeit geleistet. Seit dem letzten September hängt der Haussegen aber schief, die Vorwürfe häuften sich bis zum Eklat in den Medien.

Gemeinderat plaudert aus der Personalakte

Der Gemeinderat Reinach versuchte heute Mittwoch an einer kurzfristig einberufenen Medienkonferenz zu erklären, warum. Dicke Aktenordner stapelten sich vor dem Personalchef und auch Gemeindepräsident Urs Hintermann hatte Artikel der «Basler Zeitung» und dazu einen offenbar ziemlich ausführlichen Mailwechsel ausgedruckt. «Glauben Sie mir», sagte er mit düsterer Miene, «ich habe während dieser Affäre nicht immer gut geschlafen.»

Kein Wunder, wenn Sozialarbeiterinnen mit ihren Zöglingen eine Affäre pflegen und Mitarbeitende des Asylzentrums rumschmusen, während in langen Nächten auch mal eine Linie Koks durchgezogen wird. Über all dies könne er aber nicht sprechen, sagte Hintermann und verhedderte sich immer weiter in Widersprüche. Die Schlammschlacht eröffnen durfte mit der «vollen und einstimmigen Unterstützung» des siebenköpfigen Gemeinderates Personalchef Roland Sauter, der dann munter aus der Personalakte von Farideh Eghbali zitierte.

Bis jetzt nur Vorwürfe statt Aufklärung

Die Mitarbeitende Eghbali sei 19 Jahre lang im Asylheim tätig gewesen. 16 Jahre davon seien gut gewesen. Dann sei ihr eine Krankheit in die Quere gekommen und sie habe sich nicht mehr in den Betrieb einfügen können. Auch mit Betreuerin S. habe sie ein tolles Verhältnis gehabt, allerdings nur bis zum Vorfall mit 17-jährigen schutzbefohlenen Afghanen.

Schliesslich und endlich habe man sie gestern Dienstag freistellen müssen. Farideh Eghbali, die sich mittlerweile einen Anwalt und SP-Einwohnerrat als Rechtsbeistand geholt hat, berichtet in der BaZ davon, dass man sie habe zum Schweigen bringen wollen. Das sei natürlich nicht so, meint Hintermann, er räumt aber ein, dass vielleicht gewisse E-Mails nicht «geschickt formuliert» gewesen seien.

Und damit begann die Verwirrung. Einen ersten, ziemlich grossen Widerspruch leistete sich Personalchef Sauter: Die dauernde Kritik an anderen Mitarbeitenden hätte Eghbali unterlassen sollen, zudem habe sie Videos von den Nachtschichten studiert, obwohl sie das nicht gedurft hätte. 

Staatsanwaltschaft ermittelte nach Medienberichten

Aber dennoch hätte man eben «die Kritik», die sie doch hätte unterlassen sollen, «selbstverständlich» ernstgenommen. Wo ein erster Widerspruch ist, ist meist ein zweiter nicht weit: Der betroffene 17-jährige Afghane erzählte in seinem nächsten Heim von seiner Affäre. Dadurch wurde Reinach – das die Vorwürfe von Eghbali schon kannte – zum Handeln gezwungen. «Ja, uns war schon bekannt, dass es Unstimmigkeiten gab, deswegen haben wir ein Dossier für die Staatsanwaltschaft zusammengestellt und dieses weitergegeben.» Aber von einem möglichen «Straftatbestand» habe man nichts gewusst. Doch genau darum war es Eghbali in ihren Schreiben gegangen

Die Baselbieter Staatsanwaltschaft mochte diese Aussage der Gemeinde allerdings gegenüber der «Basler Zeitung» so nicht bestätigen, vielmehr habe man erst nach den Artikeln im November eine Strafuntersuchung eröffnet, hiess es. An der Medienkonferenz machten die Reinacher klar: Sie wollen dieses Dossier auf keinen Fall öffentlich machen, da ja eben ein Strafverfahren gegen die unterdessen entlassene Betreuerin laufe. «Sie müssen sich einmal vorstellen, wie sie sich angesichts der Vorwürfe fühlt», beschwörte Urs Hintermann die Medienschaffenden im Gemeindesaal.

Gemeinderat froh um Sündenbock

Von der Staatsanwaltschaft habe man sich unterdessen bescheinigen lassen, nichts falsch gemacht zu haben, Hintermann zitiert zu den Vorwürfen der Vertuschung: «Den verantwortlichen Organen der Gemeinde Reinach kann somit kein strafrechtlich relevantes Verhalten vorgeworfen werden». 

Auf die Frage von barfi.ch, ob die Gemeinde Reinach nicht hätte früher handeln sollen, beruft sich Hintermann und mit ihm der einstimmige Gemeinderat aufs Formelle: Die Missstände sei man ja angegangen, nur bei der Strafuntersuchung habe man sich zurückhalten müssen. Klarheit darüber, warum weder er noch die Heimleiter Magni oder der fürs soziale zuständige Abteilungsleiter Loosli auf die Vorwürfe reagiert haben, bevor sie publik wurden, bleibt nach wie vor unklar.

Tatsächlich bleibt nach der Veranstaltung im Gemeindesaal ein fahler Nachgeschmack: Denn was im Asylheim Reinach geschieht, sobald es wieder dunkel wird, erscheint immer noch fragwürdig. Dafür machen sich Urs Hintermann und Konsorten Sorgen um das «Image der Gemeinde». Sie wollen nicht, dass ein schlechter Eindruck entsteht. Dafür kommt ihnen derzeit jedes Mittel recht. Die Medienmitteilung, die Farideh Eghbali als widerspenstig und uneinsichtig anschwärzt, ist vier Seiten lang. Offenbar ist der Reinacher Gemeinderat der Meinung, einen Sündenbock gefunden zu haben, reiche, um diese Affäre durchzustehen. Zu hoffen bleibt das Gegenteil: Nämlich, dass die Geschichte restlos aufgeklärt wird. Das wäre für alle Beteiligten das Beste. 

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