Unibail-Rodamco steht für elegante Shoppingtempel und will bei Saint-Louis bauen – im Bild die Open-Air-Anlage in Cagnes-sur-Mer. ©Unibail-Rodamco
Unibail-Rodamco steht für elegante Shoppingtempel und will bei Saint-Louis bauen – im Bild die Open-Air-Anlage in Cagnes-sur-Mer. ©Unibail-Rodamco
  • Andreas Schwald / Christine Staehelin
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Shoppingtempel und Euro-Köder: Warum wir das Elsass wieder lieben lernen sollen

Ins «Dütsche» einkaufen gehen und samstags zum Coiffeur in Lörrach, während sie in Weil einen neuen Shoppingtempel bauen: Das ist die eine Seite des für Basler günstigen Dreilands. Aber Frankreich will massiv aufholen. Was auch in verschiedenster Hinsicht dringend nötig ist. Mit einem gigantischen Shoppingtempel haben die Elsässer die Schweizer Kundschaft wieder im Visier.

Elsass, da denkt man an einen lustigen Dialekt, aber auch an wüste Betonbauten in Saint-Louis, an den Flughafen Basel-Mulhouse und vielleicht an die hübschen Fachwerkhäuschen im halbfernen Colmar. Doch während der letzten drei Jahrzehnte haben die französischen Nachbarn zünftig nachgelassen. Der Lack bröckelte. Jetzt rüstet das Elsass massiv nach: Auf der Strecke zum Flughafen wollen die Franzosen Shopping-Tempel bauen, die den Deutschen Konkurrenz machen sollten – und mit der verlängerten Tramlinie 3 liegt das Zentrum von Saint-Louis nicht mehr weit. 

Basel hat mehr Grenzgänger aus Frankreich als aus Deutschland

Denn obwohl die Sprache den Umgang mit den Deutschen für viele erleichtert, ist auch das Elsass auf dem Sprung in die Moderne der Agglomeration Basel. Es sind denn auch nicht die Deutschen, die die meisten Grenzgänger nach Basel stellen, sondern die Franzosen. Im 1. Quartal 2017 standen 19'371 französische Pendler 17'146 deutschen Pendlern gegenüber. Und dieses Verhältnis ist schon seit 15 Jahren so, war auf Seiten der Franzosen sogar schon deutlich ausgeprägter, wie das Statistische Amt Basel-Stadt ausweist.

Neue gigantische Elsässer Shopping-Mall ab 2022

So sieht die Anlage in Lyon von innen aus. ©Unibail-Rodamco

Die Pläne für das Shoppingparadies entlang der Strecke zum Euroairport schreiten tüchtig voran: Auf einem grossen Areal zwischen Bahnhof und Euro-Airport will Europas grösster Supermarktbetreiber Unibail-Rodamco bis zu 350 Millionen Euro in eine Shopping-Mall stecken, die auch Sporteinrichtungen und ein Multiplex-Kino beinhalten soll. Mit den betroffenen Gemeinden wurde ein Fünfjahres-Vorkaufsrecht aufs Land unterzeichnet, die Planungen laufen derzeit. Ab 2022 soll das Areal die Agglo Basel und weitere Schweizer gezielt anlocken und Deutschland Konkurrenz machen. Zumal das 3er-Tram sogar bis zum Center weiter verlängert werden soll.

Der perfekte Boulanger in Saint-Louis

Zeit also, den Nachbarstaat von Basel und dessen urbane Anstrengungen zu würdigen. Neben den urigen kleinen Dörfern, wie sie im Internet angepriesen werden, entwickeln sich die Ortschaften rasant. Allein um die Pendlerströme zu entlasten, baut Saint-Louis mit Beiträgen aus Basel-Stadt eine Park+Ride Anlage beim Bahnhof. Und dank der längeren Tramlinie 3 kommen wir bald noch einfacher zur besten Boulangerie der ganzen Region im Zentrum der französischen Nachbarstadt. Die heisst übrigens Saint-Louis und nicht St. Louis – letztere liegt in den USA im Bundesstaat Missouri.

Frischwaren-Marchés vom Feinsten

© Instagram/ Bryan Esposito  

Irgendwie sind die Franzosen den Schweizern suspekt, man erwartet etwas schmuddlige Einrichtungen, etwas Nachlässigkeit und denkt auch an unaufgeräumte Überbauungen. Das Klischee hat sich auch nicht ohne Grund in den letzten Jahren verstärkt, gerade im Vergleich mit dem deutschen Markgräflerland, das sich nach der Eurokrise besonders um die Schweizer Kundschaft bemüht und das Elsass in Sachen Gastronomie in atemberaubendem Tempo überholt hat. Und klar: Die Franzosen haben noch keinen vergleichbaren Tempel wie das Rhein Center in Weil. Die neue Tramanbindung an Saint-Louis erleichtert aber die Planung und allein der Marché im Städtchen ist ein wunderbarer Frischwarenmarkt.

Natur pur 

© barfi.ch 

Landschaftlich schön ist das Elsass allemal. Die Petite Camargue einer von vielen Geheimtipps: Nur 15 Minuten mit dem Auto von Basel entfernt steht man mitten in der rauen Natur. Die verwunschen anmutenden Wanderwege führen zu Aussichtstürmen, von denen aus man sogar Büffel beobachten kann. Eben fast wie in der richtigen Camargue in Südfrankreich. Ein Weiher lädt zudem zum Fischen, als Leseort oder schlicht zum Träumen ein. 

Golfen? Perfekt im Elsass

© Golf & Country Club Basel

In Hagenthal-le-Bas liegt der «Golf Country Club Bâle» – gleich neben Schönenbuch. Die Golfer kennen ihn, vor allem die aus der Schweiz: An Wochenenden ist der Parkplatz voll mit hübschen Autos, gekennzeichnet mit BS, BL, AG und vielen weiteren Kantonen. Rund um den Oberrhein versammeln sich nicht nur auf der deutschen, sondern auch auf der französischen Seiten Anlagen mit 18 Löchern und Driving Ranges – zu guten Preisen. Da braucht man auch kein allzu schlechtes Gewissen zu haben, denn in der Schweiz sind richtige Golfplätze schon allein aus Platzgründen raumplanerisch und politisch immer noch schwierig bis unmöglich umzusetzen.

Speisen wie jemand in Frankreich

Speisen wie ein Gott in Frankreich - auch im Elsass © Alsace-tourisme.fr 

Ja, das Essen. Die einen sagen, elsässische Restaurants wären überbewertet und überhaupt nichts Anständiges. Andere sagen: Stets voll, hervorragende Speisen, die Parkplätze der angesagten Lokale brechend voll mit Schweizer Nummern – dasselbe Bild also wie in Deutschland. Und die Spezialitätenkarten sind für Schweizer Verhältnisse tatsächlich genau so erschwinglich wie die in Deutschland. Allein auf der Strecke nach Mulhouse empfiehlt der Guide Michelin diverse Lokale auf Elsässer Boden. Und das ist immer noch weniger weit als nach Freiburg im Breisgau. Doch die Zeiten in denen Heerscharen von Baslern wegen kulinarischen Köstlichkeiten über die französischen Grenzen zogen sind Vergangenheit. Oder vielmehr waren es, denn auch hier haben Wirt und Koch gelernt: Der Name Elsass, Papiertischtücher und Plastikblumen alleine genügen nicht um in den Zeiten von tiefen Promillegrenzen und neuer badischer Konkurrenz zu bestehen. Die Bieris und Kanalmeiers sind endgültig verschwunden, haben Platz für eine neue Generation hinterlassen, der nun endlich auch genutzt wird. Um es in der Fussballsprache zu sagen: Allez les Bleus!  

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