Lecker essen am Stand von Hengjun Jin im Pfluggässlein.
Lecker essen am Stand von Hengjun Jin im Pfluggässlein.
  • Andreas Schwald
  • Aktualisiert am

Streetfood-Wüste Basel: Der Chinamann machts vor

Das tägliche Verpflegungsangebot in der Basler Innenstadt ist ein sicherer Wert – aber genau so sicher, wie es auf Dauer auch öde ist. Zum einen wegen der kantonalen Vorschriften, zum anderen wegen der Beizerlobby. Vor allem SP-Politiker kämpfen jetzt dagegen an.

Herr Jin hat den Bogen raus. Täglich um die Mittagszeit offeriert der Chinese im Basler Pfluggässlein sieben asiatische Menüs mit Reis oder Nudeln. Wer will, kann sich auch eine Frühlingsrolle dazu leisten oder ein Getränk.

Und Herr Jin hat eine treue Kundschaft. Werktags bildet sich vor dem kleinen Streetfood-Stand eine Traube hungriger Menschen, die sich über die Mittagszeit mit einer Portion «Sweet and Sour» oder «Knusprige Ente» versorgen. Viele davon arbeiten in der Innenstadt und suchen eine preisgünstige Alternative zum Beizen- oder Systemküchenfood oder dem leicht unterkühlt schmeckenden Sandwich vom Coop. Zudem kocht Herr Jin täglich selbst. Und damit frisch.

Seit rund zehn Jahren bietet der gelernte Koch die Mittagsverpflegung an. Und Herr Jin hats gut: Den Stand kann er direkt vor dem Eingang zu seinem chinesischen Kleider- und Geschenkeladen aufstellen. Somit steht er nicht auf Basler Allmend-Gelände und braucht keine Nutzungsbewilligung vom Kanton. Einzig eine Betriebsbewilligung für einen Take-Away ohne Produktion hat er in der Tasche. Und die reicht ihm auch.

Die Schlange spricht für den Mann: Der Stand im Pfluggässlein ist beliebt.

Herr Jins Erscheinung ist eine willkommene Abwechslung im Basler Verpflegungsangebot. Ähnliche Stände gibt es selten mit Ausnahme der offiziellen Märkte, der Buvetten oder der saisonal omnipräsenten Marroni- und Glacéstände. Das hat seinen Grund.

Basel-Stadt definiert die Buvetten und die Verkaufsstände in einem entsprechenden Konzept. Dieses Konzept wurde zwar dieses Jahr bereits angepasst – vor allem in Bezug auf die beliebten Buvetten am Rheinufer –, bereichert allerdings den Streetfood-Bereich sehr zurückhaltend. Die Stellen, an denen Verpflegungsstände ihre Speisen feilhalten dürfen, sind nur spärlich über den dazugehörigen Stadtplan gesprenkelt. Und die Basler Beizen und Fastfoodketten profitieren davon, dass die Verpflegungskonkurrenz in der Innenstadt rar oder uninspiriert ist. Denn wer isst schon gerne jeden Mittag Marroni.

Streetfood diese Woche im Parlament

Dass die Verpflegung in der Innenstadt dank des gängigen Angebots aus deftiger Metzgersware vom Marktplatz, dem Mittagsdreigänger in der Beiz oder einer salzigen Brezel ganz schön dröge daherkommt, hat zumindest die Basler SP begriffen. Im Sommer reichte die Grossratsfraktion mehrere Vorstösse zur Verbesserung des Angebots ein.

«Vom Kanton aus heisst es immer, man sei offen für solche Nutzung», sagt SP-Grossrätin Salome Hofer. Ihr Vorstoss zum Thema verlangt, dass die Regierung prüfe, ob die Installation von fixen Verpflegungspavillons auf Basler Plätzen möglich sei, «analog zu deutschen Städten, wo diese Pavillons vor allem in der warmen Jahreszeit Verpflegung anbieten», so Hofer. Parteikollege Thomas Gander reichte einen Vorstoss ein, der einfachere Bewilligungen zum Beispiel für Foodtrucks fordert. Das deckt sich mit einer Forderung der Basler Jungliberalen, die das System der motorisierten Verpflegungsstände ebenfalls fördern wollen. Von allen Vorstössen auf der Traktandenliste hat Hofers Idee laut Rückmeldungen aller Fraktionen die besten Chancen, an die Regierung überwiesen zu werden.

Was aber auf den Magen schlägt: Die Gegnerschaft bleibt hart. Den Verpflegungsfreunden bläst vom Wirteverband ein sehr kalter Wind entgegen. In seiner aktuellen Zeitschrift «baizer.ch» schreibt der Verband, dass die Nachfrager nach «schneller Ausserhausverpflegung» in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen habe. Ein Dorn im Auge ist dem Verband seit jeher auch die Ungleichbehandlung bei den Vorschriften: Während Restaurants eine Vielzahl an Auflagen: Hygiene, Sicherheit, Infrastruktur erfüllen müssen, kommen die Schnellimbisse mit weniger Auflagen davon. SP-Grossrätin Hofer konstatiert allerdings: «Natürlich muss man sich auch bei mobilen Verpflegungskonzepten ganz klar an die Vorschriften halten, gerade auch bei der Hygiene.»

Herr Jin hat gut lächeln

Besserung ist nur langsam in Sicht. Der Kanton hat kürzlich die Vernehmlassung für die Verordnung zum Gesetz über die Nutzung des öffentlichen Raumes (Nörg) abgeschlossen. Das Geschäft liegt derzeit beim Rechtsdienst des Regierungsrats. Zudem debattiert der Grosse Rat voraussichtlich diese Woche noch über das Vorstosspaket der Basler SP zu den besseren Verpflegungsmöglichkeiten in der Innenstadt.

Immerhin sagt Tiefbauamt-Sprecher René Frauchiger auf die Frage, ob Basel einfach zu restriktiv sei oder sich zu wenig Verpfleger für die Innenstadt interessieren: «Der Andrang ist tatsächlich nicht sehr gross, aber es wird in Zukunft ein paar Verpflegungsstände mehr geben.» Die Interessenten auf der bestehende Warteliste der Bewilligungsbehörde würden nun gemäss Konzept auf freie Standorte verteilt. Viele Standorte sind das allerdings nicht, wie ein Blick auf die Karte zum Buvetten- und Verpflegungskonzept zeigt.

Der Herr Jin im Pfluggässlein hat daher gut lächeln. In den zehn Jahren, in denen er mittags auf der Schwelle zur Ladentür chinesisches Essen verkauft, hat sich eine treue Fangemeinschaft aus Menschen gebildet, die in der Innenstadt arbeiten und die schnelle, frische Verpflegung zum erschwinglichen Preis schätzen – genauso, wie sie den zuverlässig freundlichen Herrn schätzt, der das Essen eigenhändig zubereitet und verkauft. Derweil hofft Politikerin Hofer im Grossen Rat vor allem auf eines: Auf ein klares Bekenntnis der Kantonsverwaltung zur so gern betonten Offenheit in Sachen Verpflegung und damit Belebung der Innenstadt.

Mehr Leben und kreativere Verpflegung in der Innenstadt: Dafür setzt sich auch die Politik ein.