Werner Sutter, VR-Präsident Sutter Begg und Tochter Katharina Barmettler-Sutter, Geschäftsführerin. ©barfi.ch
Werner Sutter, VR-Präsident Sutter Begg und Tochter Katharina Barmettler-Sutter, Geschäftsführerin. ©barfi.ch
  • Binci Heeb
  • Aktualisiert am

Sutter Begg: das grosse Familieninterview

«An jeder Egge e Baiz», so hiess es in Basel einmal. «An jeder Egge e Sutter Begg» wäre heute wohl korrekter. Die erste Backstube mit Filiale von Sutter Begg wurde 1914 in der Lothringerstrasse 110 im Basler St. Johann Quartier eröffnet.

Heute steht dort ein Mehrfamilienhaus mit Wohnungen und Büros im Erdgeschoss. Barfi.ch trifft die Firmenchefs Werner Sutter und Tochter Katharina Barmettler-Sutter im jetzigen Produktionsstandort an der Frankfurt-Strasse im Dreispitz zum grossen Wocheninterview. 

Barfi.ch: Herr Sutter, wer waren die ursprünglichen Gründer von Sutter Begg? 

Werner Sutter: Das waren ursprünglich die Eltern meiner Mutter, die Kappler hiessen. Ihr erstes Geschäft aus dem Jahr 1910 befand sich an der Riehentorstrasse - heute ist dort die KULT-Bäckerei. Vier Jahre später und nach dem Kauf der Liegenschaft Lothringerstrasse 110 war die Eröffnung der Feinbäckerei-Conditorei Karl Kappler-Rauser in der eigenen Liegenschaft.

Karl Kappler-Rauser war bereits damals im eigenen Auto unterwegs. ©Sutter Begg

 

Da ist aber noch nichts vom Namen Sutter zu hören? Die Filiale an der Rebgasse 52 existiert bereits seit 1936 und ist damit das älteste noch heute existierende Geschäft in Basel. 

W.S.: Richtig, mit Feinbäckerei und Konditorei. Weil mein Grossvater drei Jahre später in den Ruhestand trat, wurde der Laden vermietet.

Wie ging es weiter bei den Sutter Beggen?

W.S.: 1940 heiratete mein Vater Willy Sutter Helene Kappler und gab seinen angestammten Beruf als Bücherexperte auf, um eine Bäckerlehre bei seinem Schwiegervater zu machen. 1944 übernahm er die Bäckereien an der Lothringerstrasse und der Oberen Rebgasse. Der Grund, dass unser Vater ins Bäckergewerbe einstieg, waren mein Zwillingsbruder und ich, die 1942 geboren sind.

Wann und wo begann Ihr Vater sein Brot als Bäcker zu verdienen?

W.S.: Das war 1948 mit der Eröffnung des Ladens und einem Tea Room an der Eisengasse 15 erstmals unter dem Namen Sutter Begg.

War das die erste Bäckerei mit einem Tea Room überhaupt in Basel? 

W.S.: Nein, der Vorreiter war die Confiserie Bachmann. Wir waren jedoch die ersten, die einen sogenannten Teller-Lunch servierten, der damals noch 1 Franken 20 Rappen kostete. Zu jener Zeit wurden die Speisen überall noch auf Platten serviert. 

Die engste und kleinste Sutter Begg-Filiale an der Streitgasse 9 in Basel ©barfi.ch

Neun Jahre später folgte die Filiale an der Streitgasse, auch sie existiert noch heute und ist wohl die kleinste Bäckerei-Filiale überhaupt. Erwirtschaften Sie dort Ihren grössten Umsatz pro Quadratmeter Verkaufsfläche? 

Katharina Barmettler-Sutter: Nein, lange nicht. Früher florierte der Laden, doch heute ist der Umsatz dort eher rückläufig, da die Konkurrenz rund um den Barfi zu gross geworden ist.

Gehört Ihnen die Liegenschaft? 

W.S.: Nein, aber wir haben das Vorkaufsrecht. 

Wann war klar, dass auch Sie und Ihr Bruder ins Geschäft eintreten werden? 

W.S.: Mit 16 Jahren fragte unser Vater, ob wir mit einsteigen wollten. Wir wollten. Ich machte eine kaufmännische Lehre bei meinem Papa, danach eine verkürzte Bäcker-Lehre an der Fachhochschule. Mein Bruder Hans-Ruedi schloss eine Konditor-Lehre in Deutschland ab, bevor er auch das Kaufmännische erlernte.

Wann traten Sie in den elterlichen Betrieb ein? 

W.S.: Das war 1969 als auch die Aktiengesellschaft gegründet wurde und sich meine Eltern ins zweite Glied verabschiedeten. Mein Vater widmete seine Zeit ab da vermehrt den Immobilien. Auch der Bau und die Gründung des Golfplatzes von Hagenthal hatte er zu verantworten. Er starb 1978, unsere Mutter folgte ihm 1994. 

Sie machen einen Unterschied zwischen Feinbäckerei und Bäckerei. Weshalb? 

W.S.: Das wurde bei uns immer getrennt. Der Grund ist, dass sich in den Öfen, in welchen immer das Gleiche gebacken wird, ein spezieller Brot-Gout entwickelt. Wenn im selben Ofen Brot, Blätter- oder Biskuitteig gebacken werden, gibt es einen Geschmack, den ich sofort erkenne.

Filialen wurden auch wieder geschlossen, zum Beispiel in Binningen, Allschwil, Birsfelden, Füllinsdorf oder zuletzt 2014 in Reinach. Alles übrigens Filialen in Baselland. Was waren da die Gründe

W.S.: In diesen Filialen sahen wir keine Entwicklung mehr. In Allschwil zum Beispiel kam die Migros, die uns zu sehr konkurrenzierte. 

K.B.-S.: Unsere Strategie, Bäckereien in der Nähe von Einkaufscentern zu haben, baute auf deren hohe Einkaufsfrequenz auf. Als die Grossverteiler mit ihren Gourmessa-Bäckereien, dem Backen vor Ort begannen, bedeutete das eine Wende für uns.

1979 eröffnete Sutter Begg den ersten Brotshop auf dem Marktplatz. Wie kamen Sie auf diese Idee? 

W.S.: Obwohl wir schon immer einen Brotshop auf dem Marktplatz eröffnen wollten, kam uns die Bäckerei Simon zuvor. Unsere Anfragen bei der Stadt wurden ausnahmslos abschlägig beantwortet. Jacques Simon war damals Präsident der Basler Bäcker und brachte den Antrag durch. Als wir hörten, dass seine Bäckerei 1978 auf dem Marktplatz Brot verkaufte, erkämpften auch wir die Bewilligung.

Der erste Brotshop auf dem Marktplatz. ©Sutter Begg

Ab den frühen 80er Jahren ging es Schlag auf Schlag. Fast im Jahresrhythmus eröffneten Sie neue Filialen in der Stadt und dem Land. Seit der Eröffnung 2016 einer Filiale mit Café am Bahnhof in Pratteln war vorläufig Schluss mit Neueröffnungen. Gibt es einen Expansionsstopp? 

K.B.-S.: Gemäss unsere Philosophie sind wir mittlerweile an den meisten Top-Standorten vertreten. Wir müssen nicht mehr wachsen, wir dürfen. Wenn sich die Möglichkeit für einen Super-Standort bietet, setzten wir das um. Trotzdem sind wir immer auf der Suche nach solchen Orten, erhalten auch viele Anfragen. 

W.S: Stichwort Expansion: Wenn sich eine Supergelegenheit bietet, greifen wir natürlich zu. Zum Beispiel im Dorfzentrum von Riehen. Dort konnten wir letztes Jahr die Parfümerie neben der alten Filiale mieten und den Laden und Café vergrössern. 

Wie man weiss, wird Beschle den Standort am Bahnhof aufgeben. Besteht Interesse an einer Übernahme? 

K.B.-S.: Unsere Kriterien sind Kundenfrequenz, ÖV-Anbindung und die Konkurrenz im nächsten Umfeld, die mit der Confiserie Bachmann in diesem Fall gegeben ist. Zudem betreiben wir bereits einen Laden im Bahnhof und würden uns mit einem neuen Standort dort selber konkurrenzieren.

W.S.: Wir wurden damals noch von der Confiserie Frey angefragt, aber der Preis war zu hoch. Wir hätten die ganze Liegenschaft erwerben müssen. Dazu kommt die Lage. Den ganzen Nachmittag über wird der Laden direkt von der Sonne beschienen. Eines der grössten Handicaps ist zudem, dass dort keine Aussenbewirtschaftung erlaubt ist. 

Man sieht es in der Stadt, beim ersten Sonnenstrahl setzten sich die Leute gerne vor die Cafés. 

K.B.-S.: Unser Café im ersten Stock an der Eisengasse ist im Sommer nicht stark besucht. Hingegen sind unsere Aussenplätze, vor allem wegen den Rauchern, auch im Winter gut besucht. 

Einer Ihrer Verkaufsschlager ist das «Urigs-Brot». War das eine eigene Erfindung? 

W.S.: Nein. Als die Bäckerei Geiser an der Güterstrasse im Gundeli Konkurs ging und die Basler Kantonalbank uns anfragte, ob wir den Laden übernehmen wollten, machte ich es zur Bedingung, dass wir den Namen «Urigs-Brot» übernehmen durften. In der Folge erwarben wir 1993 die beiden Liegenschaften, höhlten sie aus und bauten Wohnungen in die oberen Stockwerke.

Sutter Begg hält seit 1993 das Namenspatent für Urigs-Brot. ©barfi.ch 

Sie sind nicht überall Eigentümer jedes Standorts? 

W.S.: Beides, wir sind Mieter und Eigentümer.

Viele Sutter Begg-Filialen sind mit einem Café kombiniert, man kann bei Ihnen essen und trinken. 

W.S.: Der damalige Präsident des Wirteverbandes konnte umsetzen, dass unsere Cafés mit mehr als 10 Sitzplätzen als Restaurant gelten und wir dort jeweils ein Wirte-Patent benötigen. Da wir keine Küchen betreiben – alle Waren werden täglich frisch aus unserer Produktionsstätte an der Frankfurter-Strasse im Dreispitz produziert und angeliefert -, Kaffee, Tee, Mineralwasser, Backwaren, Salate oder Suppen verkaufen, reichte zuvor ein sogenanntes «kleines Patent». Das ist doch schizophren. (Die Regierung schickte diese Woche eine Gesetzesänderung zur Liberalisierung des Gastgewerbegesetzes in Vernehmlassung, Anm. der Redaktion) Der Kanton Zürich kennt zum Beispiel überhaupt kein Wirte-Patent. In unserer Produktion an der Frankfurt-Strasse benötigen wir übrigens kein Wirte-Patent. 

K.B.-S.: In den Filialen werden Speisen lediglich erwärmt oder auf dem Teller angerichtet. 

Ein gutes Beispiel für die Verdrängung von Cafés ist der Coop to Go am Barfi. In unmittelbarer Nähe ist der Coop Pfauen und ein Coop Pronto. 

K.B.-S.: Auch wir wurden für den Standort angefragt. Unsere Erfahrung zeigt, dass wir auf keinen Fall mehr Betriebe auf zwei Stockwerken betreiben wollen. Kunden bevorzugen ebenerdige Lokalitäten. Deshalb kam es für uns nicht in Frage. Ein Grossverteiler wie Coop, verfügt über andere finanziellen Mittel, dort spielt es keine Rolle. 

Das Gespräch findet in der Sutter Begg-Zentrale an der Frankfurt-Strasse im Dreispitz statt. Wird das gesamte Angebot hier produziert?

W.S.: Ja, seit 2007. Vom Brötli bis zum Brot und von süssen Weggli bis zu den Geburtstagstorten. Seit der Schliessung der Filiale im Stücki-Center Ende Januar werden alle unsere 26 Filialen von hier aus beliefert.

An der Farankfurt-Strasse im Dreispitz wird das gesamte Sortiment produziert und befindet sich Administration und Direktion. ©barfi.ch 

 

Werden noch Dritte aus Ihrem Produktionszentrum beliefert? 

K.B.-S.: Fünf Prozent des Umsatzes sind externe Kunden, wie Spitäler, Altersheime, Gastrobetriebe und... der FCB.

Ausser der Grösse, was unterscheidet Sie von Confiserien wie Bachmann, Brändli oder Beschle? 

K.B.-S.: Wir sind eine Bäckerei und unsere Hauptkompetenz ist das Brot. 

Gibt es Sutter Begg-Erfindungen? 

K.B.-S.: Unsere Nummer-Eins-Erfindung ist der im Jahr 2000 eingeführte Street-Café, also der Kaffee, den die Kunden mitnehmen und im Gehen konsumieren können. In Basel waren wir somit die Vorreiter des Coffee to go, lange bevor es diesen Ausdruck gab.

Dann das Paillasse-Brot, wobei dies nicht direkt unsere Erfindung war. Wir haben die Lizenz für den Kanton Basel-Stadt erworben. Es kommt aus Genf und war das erste Brot mit einer langen Triebführung. D.h. der Teig ruht 24 Stunden und ist in der Folge länger haltbar und hat mehr Aroma.

Aber auch das doppelt gebackene Biencuit, welches stückweise nach Gewicht verkauft wird, gehört zu unseren Erfindungen. Ackersegen ist hingegen keine Sutter Begg-Erfindung. Es wurde von Zoller abgekauft. Dafür sind die Happy-Cakes und Partycake-Fototorten wieder unsere eigenen Erfindungen.

Wenn Biencuit-Brote aus dem Ofen kommen, riecht es wunderbar nach Brot. ©barfi.ch 

 

Sie nannten die lange Triebführung des Paillasse-Brots. Die Aufbackwaren aus den Grossverteilern schmecken nur kurze Zeit und müssen noch am selben Tag konsumiert werden.

K.B.-S.: Das stimmt. Die Migros lancierte Angang 2018 gross, sie seien Pioniere des Brots mit langer Triebführung. Das hat uns Bäcker sehr amüsiert. 

Die Menschen essen heute vermeintlich gesünder. Welche Tendenzen konnten Sie über die Jahre feststellen? 

W.S.: Früher verkauften wir an einem Sonntag über tausend Brote von einem Kilogramm. Heute kauft niemand mehr so grosse Mengen. Der Wandel fand bei der süssen Ware statt. Dieser Bereich ist rückläufig. Den Ausfall konnten wir jedoch mit unseren Sandwiches und Snacks kompensieren. 

Was geschieht mit den nicht verkauften Backwaren? 

K.B.-S.: Das Thema Foodwaste wird bei uns grossgeschrieben. Wir werfen nichts weg. Ware, die nicht schön ausschaut, erhalten die Mitarbeitenden der Produktion. Unverkaufte Ware in den Filialen kann das Personal für den Eigenbedarf mitnehmen. Daneben arbeiten wird seit einem Jahr mit der Äss-Bar in der Spalenvorstadt zusammen, welche wir täglich beliefern. Dort werden die Backwaren am Folgetag für fünfzig Prozent des Preises verkauft.

Ein weiterer Teil geht an soziale Institutionen wie «Tischlein deck dich» und ein kleiner Teil von getrocknetem Brot an Bauern der Region. 

In der Spalenvorstadt betreiben Sie eine von Lehrlingen betriebene Verkaufsstelle. Wie hat sich das bewährt? 

K.B.-S.: Wir investieren sehr viel in den Nachwuchs, beschäftigen rund 25 Lernende in Produktion und Verkauf. Der Rookie-Club, wo die Lernenden jeweils ein halbes Jahr arbeiten, existiert seit 2011. Insgesamt beschäftigen wir 270 Mitarbeitende in Vollzeit.

Hatten Sie nie den Wunsch über die Grenzen der beiden Halbkantone hinweg zu expandieren? 

K.B.-S.: Nein, das entspricht nicht unserer Philosophie. Wir wollen nicht Frischwaren quer durch die Schweiz transportieren. 

Viel Zahlen kommunizieren Sie nicht. Die letzten Angaben stammen aus dem Jahr 1983, wo Sie schreiben, dass der Umsatz von 10 Millionen überschritten wurde. Kann man davon ausgehen, dass es der Sutter Begg AG gut geht? 

K.B.-S.: Uns geht es gut, wir sind eigenfinanziert. Aber es steckt auch viel Arbeit dahinter, nichts geht mehr von alleine. Wir spüren die Konkurrenz der Grossverteiler. Qualität bleibt für uns das Wichtigste. Auch beim Verkauf, Kundenfreundlichkeit ist das A und O. Hier können wir uns, denke ich, abheben.

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