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+++UPDATE: Blumenthal gibt Rücktritt bekannt +++ Basler GPK fordert Abwahl des BVB-Verwaltungsratspräsidenten

Der Verwaltungsratspräsident der Basler Verkehrs-Betriebe (BVB), Paul Blumenthal, ist für die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des baselstädtischen Grossen Rates nicht mehr tragbar. Eine Million Euro sei auf unkorrekte Weise ins Elsass versprochen worden.

+++UPDATE+++

Die BVB informiert via E-Mail:

Paul Blumenthal und Paul Rüst treten zurück

Bild: BVB

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Der Verwaltungsratspräsident der Basler Verkehrs-Betriebe, Paul Blumenthal, tritt mit sofortiger Wirkung von seinem Amt zurück. Grund für den Rücktritt sind Vorwürfe, die im Spezialbericht der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Grossen Rats gegen Paul Blumenthal erhoben werden.

Ebenfalls seinen Rücktritt bekannt gegeben hat Vize-Präsident Paul Rüst, dies auf Grund der Ausführungen der GPK. Über die Nachfolgeregelung im BVB-Verwaltungsrat entscheidet der Basler Regierungsrat voraussichtlich kommenden Dienstag. Paul Blumenthal zu seinem Rücktritt: «Aufgrund des Misstrauensvotums der GPK trete ich im Interesse der BVB mit sofortiger Wirkung als Verwaltungsratspräsident zurück. Ich hoffe sehr, dass endlich wieder Ruhe um die BVB einkehrt und das Unternehmen zielgerichtet weiterarbeiten kann. Die BVB ist ein faszinierendes Unternehmen mit engagierten Mitarbeitenden, die täglich für das Funktionieren des öffentlichen Verkehrs in Basel sorgen. Auch ich habe in den letzten sechs Jahren versucht, meinen Beitrag zu leisten. Ich bedaure es ausserordentlich, dass es mir nicht gelungen ist, trotz grossen Anstrengungen das Vertrauen der Basler Politik zu gewinnen».

Paul Blumenthal und Paul Rüst waren seit 1.Januar 2010 im Verwaltungsrat der BVB. Paul Blumenthal präsidierte diesen seit Januar 2014. Über die künftige Besetzung des BVBVerwaltungsratspräsidiums entscheidet der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt voraussichtlich kommenden Dienstag.

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Originalmeldung:

Blumenthal und VR-Vizepräsident Paul Rüst sollten in der kommenden Amtsperiode 2018-2021 nicht wiedergewählt werden, verlangt die GPK in ihrem am Donnerstag publizierten Spezialbericht zur BVB. Die Regierung müsse den BVB-VR mit qualifizierten neuen Leuten besetzen, schreibt die GPK mit Verweis auf die öffentliche Aufgabe.

Blumenthal hatte das VR-Präsidium nach dem unrühmlichen Abgang des früheren BVB-Direktors und in der Folge des früheren VR-Präsidenten Ende 2013 übernommen - er war damals schon vier Jahre VR-Mitglied. 2015 hatte die GPK die rasche Neuwahl eines von den Skandalen unbelasteten Verwaltungsrats angeregt, der Grosse Rat ihren Antrag aber abgelehnt. Per 2018 steht eine turnusgemässe VR-Wahl an. Auch im Visier hat nun die GKP als Oberaufsichtsorgan des Parlaments den Vorsteher des Bau- und Verkehrsdepartements (BVD), Hans-Peter Wessels. Er ist auftrags der Regierung für die Aufsicht über die BVB zuständig und seit 2009 im Amt. Die Regierung muss laut GPK jetzt sicherstellen, dass er "künftig seine Pflichten rechtmässig, sachgemäss und rationell" wahrnimmt.

Steinharte Sparschraube

In ihrem zwanzigseitigen Spezialbericht zeichnet die GPK die jüngsten Vorkommnisse bei den 2006 aus der Kantonsverwaltung ausgegliederten BVB nach. Auch mit den neuen Köpfen an der Spitze komme das Unternehmen nicht zur Ruhe. Teils seien die Probleme allerdings hausgemacht.

So entspricht das operative Sparziel der BVB-Geschäftsleitung von fünf Millionen Franken im Jahr von 2017-2020 dem Fünffachen der von der GPK genannten Regierungsvorgabe eines um eine Million pro Jahr verbesserten Betriebsergebnisses. Der enorme Druck bringe Personal wie Kader ans Limit und führe zu mehr Ausfällen, Fluktuation und Fehlbesetzungen.

Das Arbeitsklima sei entsprechend am Boden. Diverse Quellen samt Whistleblowern bei BVB und BVD beklagten überdies eine sehr autoritäre Führung im BVB-VR und der -Geschäftsleitung. Hierzu wird explizit Blumenthal kritisiert. Die GPK schreibt von "starken Defiziten in der Führungs- und Kommunikationskultur".

Lausige Kommunikation

Wessels wird derweil dafür kritisiert, dass er sich weiterhin ungenügend mit allen VR-Mitgliedern ausgetauscht habe. Er habe sich "erneut in erster Linie einseitig" auf Blumenthals Informationen verlassen und Hinweise von anderer Seite "ignoriert".

Ein "Informationsmonopol" bei Blumenthal sei die Folge und Rollenkonflikte beim BVD. Zudem seien politische Aufsicht und Führung vermischt worden. Die Eignervertretung des Kantons durch Wessels sei so "mangelhaft" gewesen.

Speziell unter die Lupe nahm die GPK ein Zahlungsversprechen an einen Elsässer Gemeindeverbund namens "CA3F" bei der Verlängerung der Tramlinie 3. Nach BVD-Angaben hätten Wessels und der frühere BVB-VR-Präsident Martin Gudenrath erstmals im Februar 2012 bei einem Treffen mit der CA3F 1,6 Millionen Euro mündlich zugesichert.

Die CA3F habe zuvor einen Basler Beitrag wie an die Tramverlängerung nach Weil am Rhein (D) von 2008 erbeten, zitiert die GPK das BVD. Jener Fall sei jedoch ganz anders abgelaufen: Damals habe der ganze BVB-VR den Beitragsbeschluss gefällt, und dieser sei auch vor dem Versprechen an die Stadt Weil der Basler Regierung mitgeteilt worden.

Geister-Million für Elsässer

Die GPK hält fest, dass gemäss CA3F-Angaben Wessels die Vereinbarung schon im November 2011 oder Januar 2012 getroffen habe. Zudem sei zwar im Juni 2012 jener Basler Beitrag in Frankreich publiziert, der Grosse Rat "jedoch nie darüber informiert" worden. Und die BVB hätten das mündliche Versprechen "nie formalisiert".

Brieflich beantragte die CA3F die 1,6 Millionen bei Wessels Anfang 2015. BVB-Direktor Erich Lagler fragte in der Folge Wessels, wie man ohne Reserven bei den BVB und ohne formellen Antrag dieses Problem lösen kann. Wessels antwortete laut GPK-Bericht, es gehe nicht um 1,6, sondern um 1,0 Millionen Euro, was die BVB wohl verkraften könne.

Im November 2015 beschlossen Wessels, Blumenthal und Lagler dann diese Million unter der Bedingung, dass die BVB die neue Strecke betreiben. Im Mai 2016 bestätigte Blumenthal der CA3F brieflich eine Million Euro. Aber erst ein paar Wochen später wurde der BVB-VR erstmals über den Beitrag informiert.

«Versagt»

Aus Sicht der GPK haben bei diesem Zahlungsversprechen die politische Aufsicht und die strategische Führung "versagt". Wegen fehlender Unterlagen und widersprüchlicher Aussagen sei heute nicht nachvollziehbar, ob - wie vom BVD dargestellt - Gudenrath oder doch Wessels das mündliche Beitragsversprechen abgegeben hatte und wann genau.

Weder VR-Präsident noch BVD-Vorsteher wären jedoch ohne VR-Beschluss zu einem solchen Versprechen befugt gewesen. Auch Blumenthal als neuer VR-Präsident habe seine Kompetenzen überschritten. Die GPK bezweifelt, dass für den Beitrag an die CA3F eine ausreichende Rechtsgrundlage besteht. Sie schreibt von "Ignoranz aller Involvierten".

"Irritiert" ist die GPK überdies über das "Schwarzpeterspiel" zwischen Wessels sowie BVB-VR und -Geschäftsleitung: Die BVB argumentiere mit einer Weisung von Wessels, und dieser wiederum, er habe nur die BVB auf ihr eigenes früheres Versprechen aufmerksam gemacht. Die GPK liest einen Brief von Wessels von 2015 als Weisung.

In ihren Empfehlungen fordert die GPK die Regierung zu einem Entscheid auf, ob sie Wessels' Versprechen besagter Million an die CA3F halten will, was eine Nachtragskreditvorlage für den Grossen Rat erfordere. Überdies rät ihr die GPK, die BVB-Spitze an die kurze Leine zu nehmen, damit wieder Ruhe im Betrieb einkehre.