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  • Nathan Leuenberger
  • Aktualisiert am

Übergriffe im Basler Nachtleben: Gefangen hinter der Theke

Ein wenig flirten mit der Kellnerin, einen Klaps auf ihr Hinterteil, ein guter Herrenwitz. Das gehört doch zu einem guten Basler Ausgangs-Wochenende, oder? Nein: Denn Belästigung und Übergriffe gehören genau so wenig an den Tresen wie an den Arbeitsplatz. 

Wochenende in einer angesagten Bar in Basel. Im Hintergrund läuft Musik, die Gäste sind gut drauf und trinken zünftig – business as usual. An der Bar hängt allerdings ein Herr herum, er hat kein Getränk vor sich. Die Bardame fragt, ob er etwas bestellen möchte. Er lehnt ab, lächelt: «Ich bin nur hier, um dich anzusehen.» Ein Spruch, den man eigentlich einfach wegstecken könnte. Jedoch: der Herr war schon an vorhergehenden Wochenenden da. Er versuchte mehrfach, mit der Frau zu flirten. Sie hat ihn mehrmals abgewiesen, er kommt immer wieder. Ein Nein ist ein Nein? Offenbar nicht.

Von miesen Baggersprüchen über Stalking bis zu richtigen Übergriffen: Für die Frau an der Bar ist das keine Seltenheit. Belästigungen wie diese gehören auch heute noch zum Baralltag, erzählt Jill, die auch dieses Erlebnisse geschildert hat. Man brauche schon ein dickes Fell: «Ich bin nicht die totale Emanze, die alles gleich als sexuelle Belästigung auffasst.» Das oben geschilderte Beispiel sei zwar nicht die Regel, schlecht platzierte Komplimente seien aber weiterhin an der Tagesordnung: «Du weisst dann auch gar nicht, wie du darauf reagieren sollst. Auch wenn ein Kompliment vielleicht nett gemeint ist, kann es doch belästigend sein.»

Berufsrisiko Übergriff

Belästigungen und Übergriffe gehören zum Berufsrisiko hinter dem Tresen. Aber wie es beim Schreiner zum Berufsrisiko gehört, dass er sich während der Arbeit einen Finger abschneiden kann, heisst das nicht, dass er bei jedem Auftrag auch eine Gliedmasse verlieren muss. Frauen nehmen im Nachtleben ohnehin eine spezielle Rolle ein. Noch immer sind viele Spitzenpositionen im Nachtleben von Männern besetzt, Frauen finden sich eher in Nebenrollen oder eben: an der Bar. «Frauen nur als Deko?», schrieb der Schweizer Nachtlebenexperte Alex Flach im Tages-Anzeiger.

Im Grunde genommen gehören übergriffigen Anbaggerversuche zum Alltag, sagt auch Jill. Aber: «Man ist ja wie hinter dem Tresen gefangen. Ich kann nicht einfach weiterlaufen.» Es geht natürlich auch schlimmer als fehlgeleitetes Anflirten: Übergriffe im körperlichen Rahmen, angefangen beim chauvinistischen Klaps auf den Hintern bis hin zum regelrechten Anfassen.

Strafgesetzbuch hilft nur bedingt

Nicht jede anzügliche Bemerkung ist strafbar, ebenso wenig das regelmässige Rumhängen am Tresen. Das Thema ist komplex, auch individuell, und kann daher nicht leicht im Gesetz verankert werden. Das Schweizer Strafgesetzbuch definiert Sexuelle Belästigung so:

  • «Wer vor jemandem, der dies nicht erwartet, eine sexuelle Handlung vornimmt und dadurch Ärgernis erregt, wer jemanden tätlich oder in grober Weise durch Worte sexuell belästigt, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft.»

Die Problematik kann allerdings nicht in ein paar wenigen Sätzen definiert werden. Das bestätigt auch das Arbeitsinspektorat Basel: Die Fälle müssten immer einzeln angeschaut werden. Einen Leitfaden mit ein paar zusätzlichen Punkten, was als Belästigung definiert werden kann, gibt es vom Inspektorat trotzdem:

  • «Als sexuelle Belästigungen gelten auch anzügliche Bemerkungen, Sprüche und Witze, pornographische Bilder, herabwürdigende Blicke, unerwünschte Einladungen etc.»

Noch genauer sagt es die Uni Basel-Rektorin, Andrea Schenker-Wicki: «Sexuelle Belästigung beginnt dort, wo persönliche Grenzen nicht respektiert werden und Macht über andere ausgeübt wird.» Anders gesagt: Bardamen – und im Übrigen auch Herren – sind kein Freiwild, sondern Angestellte. Sie mögen bei ihrer Arbeit Vergnügen empfinden, aber sie sind nicht wie die anderen Gäste zum Vergnügen im Lokal. Sondern zum Arbeiten.

Türsteher als Ausweg

Ganz auf sich alleine gestellt ist das Personal an der Bar zum Glück nicht. Da hilft dann nur der Türsteher – ein Luxus, den das Service-Personal in Cafés oft nicht hat. Die Türsteher sind nicht nur dafür zuständig, wer in die Bar oder den Club kommt, sondern dass sich die Leute drinnen auch anständig verhalten. Im Stress eines spätnächtlichen Hochbetriebs ist es den Frauen an der Bar nicht immer möglich, selbst auf ausserordentlich aufdringliche Gäste zu reagieren.

Die Damen und Herren in der meist schwarzen Bomberjacke können da allerdings weiterhelfen. «Wegen jedem Vorfall kann ich die Türsteher dann aber auch nicht holen. Und Hausverbot kann auch nicht jeder bekommen», meint Jill.

Das Problem ist so alt wie das Gastgewerbe selbst. Bis heute hat sich nur wenig daran geändert. Wenigstens müssen Serviererin und Frauen an der Bar nicht mehr damit rechnen, dass sie nach dem Einkassieren denn patriarchalisch-jovialen Klaps auf den Hintern bekommen. Schade, dass das einer der wenigen Fortschritte in diesem Bereich ist.

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