Schöne neue Velospur: Wasgenring und Luzernerring wurden aufgehübscht – aber die Ecke bleibt ein Verkehrspfropfen.
Schöne neue Velospur: Wasgenring und Luzernerring wurden aufgehübscht – aber die Ecke bleibt ein Verkehrspfropfen.
  • Andreas Schwald
  • Aktualisiert am

Verkehrspfropfen Luzernerring: Mehr Grün, mehr Velo – aber gleich viel Stau wie vor dem Umbau

Die Autolobby schäumt: Der Kanton hat am Luzernerring und Wasgenring für 30 Millionen Franken teure Verkehrsmassnahmen realisiert – aber die berüchtigten Staus sind immer noch die gleichen. Dafür haben die Velofahrer jetzt einen schönen breiten Streifen und im Quartier stehen 81 Bäume mehr.

Wer sich beim Rüeblischälen in den Finger schneidet, dem reicht meist ein Pflaster, um die Wunde zu versorgen. Wer hingegen an einem offenen Unterschenkelbruch leidet, der kann pflästerlen, so lange er will – ohne einen operativen Eingriff geht da nichts.

Der Verkehrsknoten Luzernerring/Wasgenring ist vielleicht nicht gerade eine offene Beinfraktur. Aber er ist für die Autofahrer definitiv ein grösseres Problem, als nur eine leichte Schnittwunde, die zu verarzten ein Mickey-Mouse-Pflaster reichen würde. Die Hauptverkehrsadern am Nordende der Stadt Basel sind zu stark belastet: rund ums Felix-Platter-Spital und gleich an der Grenze zu Frankreich. Und die Belastung wächst: Nicht nur spielt der Grenzverkehr eine grosse Rolle, die Strassen erschliessen auch das Industriegebiet zwischen Basel und Allschwil, das zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Deshalb hat der Kanton den Knoten bis 2015 umgebaut. Das Resultat: Mehr Bäume, breitere Trottoirs, ein schöner Velostreifen und ein hübscher Betonkreisel, der von Künstlern mitgestaltet wurde. Der Schlussbericht zur Wirkungskontrolle der Umbaumassnahmen, den der Kanton vergangene Woche publiziert hatte, ist voll des Lobes. So habe sich die Qualität für alle Betroffenen massgeblich verbessert. Die Fussgänger würden mehr Sicherheit geniessen, der Velostreifen rege genutzt, der öffentliche Verkehr müsse im Verkehr zu Spitzenzeiten ein bisschen weniger lang warten und die Begrünung sei eine wahre Freude fürs Quartier. Immerhin stehen jetzt 81 Bäume mehr im Quartier zwischen Tramdepot und Felix-Platter-Spital, das sind sogar drei mehr als im regierungsrätlichen Vorschlag vorgesehen.

Rückstaus haben teils «deutlich» zugenommen

Grund zur Freude über mehr Wohnqualität. Aber für die Autofahrer ein Grund, sich zu ärgern. Zwar schreibt das unabhängige Ingenieurbüro «Rudolf Keller & Partner», das den Schlussbericht verfasst hatte, in diplomatischen Worten von einer generellen Verbesserung im Bereich der Verkehrsbelastung. Aber die Berichterstattenden müssen auch festhalten, dass die Rückstaus gerade im Bereich des neuen Kreisels und gerade am Abend «deutlich» zugenommen haben.

Das Verdikt für den Autoverkehr bleibt selbst im offiziellen Schlussbericht ambivalent. Trotz der vielen lobenden Klänge. So habe auf der Nidwaldnerstrasse der Verkehr zwar merklich abgenommen, schreibt das Büro, gerade auf der Blotzheimerstrasse sei die Belastung nach dem Umbau aber markant gestiegen. Schliesslich ist die Strasse, die das Quartier quer durchschneidet, für den Such- und Ausweichverkehr nach dem Umbau auch besser erreichbar.

Der Knoten Luzernerring/Wasgenring (Luwa) bleibt damit ein Pfropfen im Verkehrsfluss des nördlichen Grossbasel. Die Massnahmen, für die das Stimmvolk 2009 in einer Referendumsabstimmung einen Betrag von 30 Millionen genehmigt hatte, sind vor allem eins: eine Aufwertung in Sachen Wohnlichkeit und Komfort für Fussgänger und Velofahrer. Damit hält der Kanton zwar sein Versprechen im damaligen Abstimmungsbüchlein. Aber mit der Bauerei löste er das eigentliche Problem nicht: Zu viele Autos auf zu wenig leistungsstarken Strassen. Auftritt Autolobby: Die Automobilverbände waren es auch, die den Kredit mit einem Referendum vors Stimmvolk brachten – und dort mit rund 300 Stimmen gescheitert waren.

ACS und TCS kritisieren scharf

«Das ärgert uns noch heute», sagt Christian Greif, Geschäftsführer des Basler Ablegers vom Automobilclub der Schweiz zu barfi.ch. Laut Greif habe sich die Situation seit dem Umbau markant verschlechtert. Nicht nur sei die Stausituation dieselbe geblieben, wie sie es vor dem aufwändigen Umbau war. Auch häuften sich Klagen über Schleichverkehr aus den Quartieren, sagt der ACS-Geschäftsführer.

«Aus unserer Sicht herrscht Chaos», sagt Greif. Dabei habe der Autoverband nichts gegen verkehrsberuhigende Massnahmen, «wir sind klar für Tempo 30 auf Quartierstrassen.» Aber Rückbauten ganzer Spuren auf Hauptverkehrsachsen wie dem Wasgenring oder Tempo 30 auf anderen leistungsfähigen Strassen wie der Strassburgerallee, das sei Unsinn: «Es braucht leistungsfähige Achsen, sonst verpufft der Effekt der Verkehrsberuhigung und dann herrscht eben Chaos mit dem Schleich- und Suchverkehr.»

Auch die andere Autolobby spart nicht mit Kritik. «Der Quartierverkehr und vor allem die Rückstaus haben zugenommen», sagt TCS-Präsident und FDP-Grossrat Christophe Haller. Das schreiben die Verfasser der «Wirkungskontrolle» auch gleich selbst: «Vor allem in der Abendspitze haben die Staulängen am Knoten durch den Rückbau der Anzahl Fahrstreifen leicht zugenommen.» Auch wenn der Knoten nicht als überlastet bezeichnet wird und die Lichtsignalanlage die Staus zuverlässig abbaue: Eine Verbesserung der Verkehrssituation sehe definitiv anders aus.

Schleichverkehr gegen Schleichverkehr

Beim Kanton kennt man die Kritik der Verbände und bewahrt Ruhe. Der Schlussbericht bestätige, dass die Ziele des Umbauprojekts erreicht wurden: «Wir sind sehr zufrieden», sagt Martin Dolleschel, Projektleiter Mobilitätsstrategie beim Bau- und Verkehrsdepartement. «Es hat kein Ausweichen des Verkehrs auf parallele Achsen und in die Quartierstrassen stattgefunden. Somit haben wir nebst Verbesserungen für den ÖV, die Velofahrenden sowie die Anwohner und Fussgängerinnen auch dieses Ziel des Umbaus erreicht.» 

Dolleschel stützt sich dabei auch auf die Aussagen des Schlussberichts. Die dort aufgeführte Zählung des Verkehrs auf den Quartierstrassen erfolgte an einem Stichtag, mit Radargeräten und von Hand. Bis auf die Zunahme an der Blotzheimerstrasse und die Abnahme an der Nidwaldnerstrasse sei kein wesentlicher Unterschied zu den Messungen vor dem Umbau festgestellt worden, heisst es im Bericht.

Beide Auto-Verbände hatten sich auch schon im Schlussbericht kritisch geäussert. Und nicht nur die: Auch dem VCS geht der Eingriff zu wenig weit, allerdings in entgegengesetzte Richtung. Der Umweltverband hätte sich mehr Abbau gewünscht. Beim Projekt LUWA, wie es vom Kanton genannt wurde, ist damit das eingetreten, was die Autofahrer nicht wollten: Eine Situation, die praktisch gleich ist, wie zuvor – und in den Stosszeiten am Abend teils noch schlimmer. Aber dafür haben die Velofahrer jetzt einen eigenen Streifen.

Quartierverein erfreut über weniger Lärm

Immerhin: Optisch hat das Millionen-Pflästerchen seine Wirkung getan. So würde der neue Velostreifen auf den Ringen Richtung Nordtangente und zurück gut und gerne genutzt, schreiben die Berichterstatter vom unabhängigen Ingenieurbüro. Und der Neutrale Quartierverein Kannenfeld gibt zu Protokoll: «Vor allem am Wasgenring durch einspurige Strasse (je Richtung) weniger Beschleunigung und Lärm.»

Generell gefällt dem NQV in der Umfrage, dass es jetzt im Quartier mehr Bäume und weniger Geräuschbelästigung durch den Verkehr gibt. Von einer Verbesserung des Verkehrsflusses könne aber bei weitem nicht die Rede sein, sagen die Auto-Vertreter Greif und Haller unisono. Grenzgängerverkehr aus dem Elsass und automobilisierte Pendler- und Transitströme aus der ganzen Region verstopfen morgens und abends nach wie vor die Strassen rund um die zwei Stadtringe.

Und das ausgerechnet an einem Knoten, der ein wachsendes Industriegebiet erschliesst. Schliesslich sind zwischen Allschwil und Bachgraben einige erfolgreiche Ableger der Pharma-Industrie ansässig. Hier steht auch der Innovationspark Region Basel, den die beiden Halbkantone zusammen mit der Handelskammer 2011 gegründet hatten und in dem neue Firmen den wirtschaftlichen Motor der Region weiter ankurbeln sollen. Das Pflaster, das jetzt auf dem Verkehrsknoten klebt, sieht jedenfalls schon mal hübsch aus.

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