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  • Christine Staehelin
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«Verzell Du das am Fährimaa»: Heute drehen wir den Spiess einmal um

Noa Thurneysen ist seit zwei Jahren Pächter der Münsterfähre. Er verrät uns im Interview der Woche, wie man Fährimann wird, dass die Fähre manchmal absichtlich ohne Seil unterwegs sein muss und weshalb er den besten Beruf der Welt hat. 

Es ist ein grauer und kalter Nachmittag. Noa Thurneysen,  Fährimaa auf der «Münsterfähre», empfängt barfi.ch auf seinem schwimmenden Arbeitsplatz. Während der Fahrt wird klar: Als Fährimann hat man kaum Pausen, es gibt immer etwas zu tun. 

Noa Thurneysen, beginnen wir mit einer grundsätzlichen Frage: Weshalb sind Sie Fährimann geworden? 

Ich hatte zuvor schon andere Berufe ausgeübt, aber Fährimann zu sein gefiel mir am besten. Dazu muss man sagen, dass ich der Sohn von Fährimann Jacques Thurneysen bin und schon in jungen Jahren auf der Fähri mithalf. Aber dass ich einmal vollberuflich Fährimann werde, war keineswegs von Anfang an klar. Ich habe sogar als Lehrer gearbeitet und Erziehungswissenschaften studiert. Erst vor zwei Jahren übernahm ich die Pacht der Münsterfähre.

Was ist denn so besonders an der Arbeit eines Fährimanns? 

Das sind viele Aspekte. Man ist draussen, lernt viele neue Leute kennen und kann selbstbestimmt arbeiten. Es ist ein eigenes kleines Geschäft auf dem Rhein, das einem einen gewissen Freiraum erlaubt. Jede Fähre kann so sein, wie sie möchte. Man sieht dies an den verschiedenen Standorten: Jede Fähre hat ihr eigenes Flair und ein eigenes Team. Das sind einige der Gründe, die mich dazu brachten, zu sagen: Doch, Fährimann zu sein, das ist es! 

Der Beruf fürs Leben oder nur für eine bestimmte Zeit?

Es gibt immer wieder Leute, die aufhören. Den meisten gefällt es jedoch so gut, dass sie es bleiben.

Es ist ein erlesener Kreis in Basel, der zu Ihrer Gilde gehört. Wird man zum Fährimann oder Fährifrau berufen?

Es gibt viel Leute, die es gerne wären. Wir erhalten immer wieder Anfragen. Aber es gibt nur wenige, die unseren hohen Anforderungen gerecht werden. Viele denken, dass man gut neben einer normalen Arbeit noch Fährimann und nur ein oder zwei Tage bei uns tätig sein kann. Aber es braucht Routine und eine Ausbildung. Man trägt eine grosse Verantwortung und kann nicht einfach nur ein paar Stunden lang pro Jahr bei uns arbeiten. Wir von der Münsterfähre gehen in der Regel auf jene Leute zu, die wir uns als Fährimänner und -frauen vorstellen können. Bei uns ist ein Grossteil auch Verwandtschaft. Es ist ein richtiger Familienbetrieb.

An diesen Ausblick könnte man sich gewöhnen: Aus dem Fährifenster. © barfi.ch 

Welche Hürden müssen überwunden werden, nachdem man von Ihnen einmal angefragt worden ist?

Um als Fährimann tätig zu sein, muss man einige Prüfungen bestehen: Die theoretische Bootsprüfung, die Funkprüfung und die praktische Fähri-Prüfung. Zudem stellt jede Fähre verschiedene weitere Ansprüche. Wir von der Münsterfähre beispielsweise müssen alle Weidling fahren können. Denn ein Weidling bewegt sich gleich wie eine Fähre, nur leichter und kleiner.

Man sieht die Fähre jeweils am Seil. Gibt es einen Moment, in dem sie frei auf dem Rhein fahren darf? 

Ja, den gibt es jeweils nach der Revision. Die Fähre wird unterhalb der Autobahnbrücke eingewässert und mit Rudern an ihren Stammplatz gerudert. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erleben so, wie sich eine freischwimmende Fähre anfühlt.

Bei dem Stichwort der frei schwimmenden Fähre, erinnert man sich an den Unfall vor vier Jahren als das Seil gerissen ist.

Ja, damals ging der Unfall glücklicherweise glimpflich aus. Der Vorfall hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass die Fährmänner auf solche Ereignisse vorbereitet sind. In solch einem Notfall muss ein Alarm via Funk gesendet werden. Dann weiss die Rheinschiffahrt, dass eine manövrierunfähige Fähre unterwegs ist. Polizei und Feuerwehr eilen dann sofort zu Hilfe. In der Zwischenzeit muss der Fährimann die Fähre lenken und achten, dass sie in keinen Pfeiler oder ein anderes Hindernis getrieben wird.

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Verzell Du das dem Fährimaa. Ihm kann man seine Sorgen anvertrauen. Stimmt das wirklich?

Auf unserer Fähre gibt es viele Touristen, auf den Quartierfähren erzählen die Leute tendenziell mehr von ihren Sorgen. Aber natürlich kommen auch zu uns Leute, die jemanden zum Reden brauchen. Da fährt man auch zwei-, dreimal hin und her. 

Inwiefern vertiefen Sie die von den Passagieren angesprochen Sorgen und Nöte?

Es heisst ja «Verzell du das am Fährimaa». Der Fährimann hört nur hin, kommentiert und wertet nicht. Aber natürlich gibt man Antworten und überlegt sich dabei auch etwas. 

Heute ist es eiskalt. Ein kleiner Ofen wärmt das Innere der Fähre. Doch die Stimmung auf dem Rhein ist wunderschön. Fahren Sie lieber in den kalten Wintermonaten oder im Hochbetrieb im Sommer?

Ich persönlich fahre lieber im Sommer, dann ist mehr los, man muss nicht heizen und es ist immer Betrieb. Aber natürlich hat der Winter auch seine Vorteile. Die Tage sind gemütlicher, man hat dafür mehr Abendfahrten.

Stellen die Rheinschwimmer eine grosse Herausforderung dar? 

Als Fährimann muss man vor allem darauf achten, gleichmässig zu fahren. Viele sind gute Rheinschwimmer, einige leider nicht. Diese können rund um die Fähre in eine Stressituation geraten. Wobei es vielleicht gut ist, dass sie realisieren: dies ist ein Fluss und kein Pool. Immer öfter fallen betrunkene, oder unsichere Schwimmer auf, die alleine unterwegs sind.

Während unseren Fahrten hatten Sie heute viel zu tun: Kinder standen fast an der Reling, Schiffe fuhren vorbei. Das Leben als Fährimann wirkt doch stressiger als man annimmt.

Ja, es ist in der Tat etwas stressig. Aber grundsätzlich trotzdem gemütlich. Mir gefällt es extrem und für mich ist dieser Ort das Zentrum von Basel.

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