Bild: barfi
Bild: barfi
  • Jonas Egli
  • Aktualisiert am

Vier Jahreszeiten gleichzeitig: Die Basler Bäume spielen verrückt

Die Bäume in der Stadt leiden derzeit an diversen Gebrechen: Die einen plagt der Pilz, die anderen lassen bereits den nächsten Frühling spriessen. Spielen Basels Bäume verrückt?

In den Kronen und Wipfeln in der Stadt spielen sich ungewohnte Dinge ab: Die Bäume der Stadt wissen nicht, welche Jahreszeit herrscht. Zwei Kastanienbäume am Theaterplatz, der eine strahlt im saftigen Sommergrün, der andere welkt bereits Herbstbraun bis Winterkahl. Geht man durch die Stadt, bestätigt sich das Bild: Jeder Baum scheint eine eigene Jahreszeit zu haben, eine einzige Allee kann alle vier abdecken. Gleichzeitig. Was ist los mit der Basler Flora?

Zwei Kastanien, zwei Jahreszeiten. Bild: barfi

Emanuel Trueb, der Leiter der Stadtgärtnerei, bestätigt den Verdacht: Einige Bäume wähnen sich bereits im tiefsten Herbst, obwohl es dafür noch zu früh ist.  Es gibt sogar Fälle, so Trueb, wo gewisse Bäume den Herbst und Winter bereits hinter sich glauben und munter Frühlingsknospen bilden. Schafft es der betroffene Baum nicht, den ganzen Zyklus zu durchlaufen, so wird er den nächsten Frühling ohne Blätter starten müssen. Andere Bäume haben dafür ihr Laub in den Kronen bereits verloren, während untenrum noch Spätsommer herrscht. Die Verwirrung ist komplett.

Oben licht, unten dicht. Bild: barfi

Jedes Jahr zwei bis drei neue Schädlinge

Gründe gibt es mehrere, wie Trueb meint, abgesehen von der Kastanien-Miniermotte, die schon seit Jahren am Werk ist, sind auch andere Pilze, vor allem der Mehltau, sind wieder stark im Kommen und befallen nicht nur Kastanien, wie die Motten, die sich spezialisiert haben. Viele dieser Schädlinge lassen die Blätter der Bäume braun werden.

Frühling im Herbst. Hier herrscht teilweise bereits wieder Frühling. Bild: barfi

Sie zu bekämpfen, ist nicht ganz einfach. Man kann die Fieslinger vergiften, indem man die Bäume besprüht. Das ist aber nicht praktikabel: «Das bräuchte ganze Tanklastwagen und Schutzanzüge, das können wir der Bevölkerung nicht zumuten,» meint Trueb. In Wien habe man die Pestizide mit Schneekanonen verteilt, doch, so der Stadtgärtner, «das wäre hier undenkbar.» Oder man könnte die Bäume impfen, indem man Löcher in den Stamm bohrt und so Gift iniziiert. Damit vergifte man aber neben den Schädlingen den ganzen Baum mit, auch für Nützlinge. «Wir verwenden bewusst kaum Chemie, weil das von der Bevölkerung auch so erwartet wird,» meint Emanuel Trueb. Die Stadtgärtnerei steht hinter dieser Vorgehensweise, denn die Kollateralschäden vieler dieser Giftstoffe seien nicht genug erforscht.

Bild: barfi

Spielt das Klima verrückt, tun es auch die Bäume

Ein anderer Grund könnte allerdings die Veränderung des Klimas sein. Trueb mutmasst: «Das ist nicht ein wissenschaftliches Urteil, aber ich gehe davon aus, dass diese Veränderungen eine Rolle spielen.» Die trockenen und heissen Sommer tauchen in den letzten Jahren vermehrt auf, was der Vegetation nicht nur zusetzt, sondern sie auch verwirren könne. Revierförster Christian Kleiber bestätigt dies: «Ja, man merkt, dass sich das Klima verändert hat. Lange Trockenperioden treten häufiger auf.» Das setzt der Flora zu und kann sie schlimmstenfalls auch verwirren, wie wir es jetzt beobachten. Ein Ausweg sei es, vermehrt Baumarten zu pflanzen, die mit wärmeren Temperaturen besser zurechtkommen, wie zum Beispiel Eichen. Dies wird zwar getan, jedoch ist die Monokultur ebenso der falsche Weg: Durch die veränderten klimatischen Bedingungen tauchen jedes Jahr zwei bis drei neue Schädlinge auf, die jeweils andere Bäume angreifen. Trueb sagt: «Wir versuchen, eine möglichst grosse Vielfalt zu erreichen, um dem entgegen zu wirken.» Im Moment sind es die Platanen, die besonders mit dem Mehltau zu kämpfen haben.

Diesen Ahorn hat's gleich mehrfach erwischt. Bild: barfi

Das Amt für Wald hat nun bei einer privaten Wald-Beratungsfirma eine Studie in Auftrag gegeben, um zu überprüfen, wie ausgewogen das Grün in Basel zusammengesetzt ist und ob er sich in den letzten Jahren verändert hat. Resultate sind im Frühling zu erwarten. Hoffentlich stehen die Bäume dann noch.

Die Stadtgärtnerei hat die Lage im Griff

Bis die Eichen gepflanzt und die Schädlinge besiegt sind, könnte es also noch eine Weile dauern. Basels Flora ist aber in guten Händen, die Stadtgärtnerei beruhigt: Ein gesunder, vitaler Baum kann sich von solchen, jährlichen Strapazen gut erholen. Man beobachte die Situation genau. Dieses Jahr sei zwar durchaus speziell, es werde aber vorübergehen. Am Ende bleibt zu hoffen, dass die Schädlinge irgendwann auch wieder vom Klima dahingerafft werden.

Die Innenstadt rüstet sich mit Palmen und Olivenbäumen gegen die Klimaerwärmung. Bild: barfi

Was ist Ihre Meinung zum Thema? Diskutieren Sie mit uns auf Facebook.

Weitere Titelgeschichten unter News Basel.