© Verschwundenes Basel
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  • Christine Staehelin
  • Aktualisiert am

Vom Bischof bis zum «Mäss-Batze»: Das ist unsere Herbstmesse

Auf dem Barfi montieren sie schon die Arme des Octopus und auf dem Petersplatz packen die Marktfahrer die letzten Waren in die Stände. Am Samstag beginnt die Herbstmesse und wir erzählen euch, warum sich dahinter so viel mehr verbirgt als nur Zuckerwatte und Freefall Tower.

Punkt 12 Uhr läutet diesen Samstag das Mässglöcklein im Martinsturm die Messe ein – wie jeden Samstag vor dem 30. Oktober, seit über einem halben Jahrtausend. Denn die Herbstmesse gibt es seit 545 Jahren. Und allein schon daran erkannt man die Bedeutung dieser Tradition am Rheinknie, wenn die Blätter bunt und die Tage kalt und kürzer werden.

Der Messglöckner ist dabei keinerlei Erfindung der Moderne. Ihn gibt es schon so lange, wie es die Herbstmesse selbst gibt. Sein Lohn für das Einläuten ist Anerkennung, Ehre – und ein schwarzer linker Wollhandschuh. Der Brauch stammt aus einer Zeit, in der die Entlöhnung teils noch mit Waren ausgezahlt wurde.

Aber warum nur ein Handschuh? Ganz einfach: Damit der Glöckner garantiert auch zwei Wochen später wieder erschien, um die Messe «auszuläuten» und damit den zweiten Handschuh einzusacken. Zum Beweis, dass die alte Mäss-Tradition fortgesetzt worden ist, hält der Messglöckner den Handschuh jeweils aus dem Turmfenster der Martinskirche und präsentiert ihn der Menge, die das kleine Spektakel beobachtet.

Erst nachdem die Messe eingeläutet wurde, kann es losgehen. Doch bevor wir uns ins Getümmel der Messe stürzen, muss noch der «Mäss-Batze» eingeholt werden – von den Älteren aus dem Bankomat, von den Jüngeren aus der Kasse der Eltern. Das war aber nicht immer so: Früher erhielten die Hausfrau, die Schwiegermutter und auch die Dienstboten einen Batzen, um die Herbstmesse geniessen zu können.

Dieser Brauch des «Mässbatze» geht auf das noch ältere, sogenannte «Messwünschen» zurück: Wenn man während eines Messebesuchs einen Freund oder eine Freundin antraf, sollte man ihr oder ihm «Kromet!» zurufen. Danach würden beide zu einem Messestand gehen und derjenige, der als erstes «Kromet!» gerufen hatte, wurde beschenkt. Während man heute höchstens noch schräg angeschaut wird, wenn man «Kromet» über den Messeplatz schreit.

Johann Jacob Burckhardt-Sefani beschrieb in den 1840er Jahren den Brauch noch so: «Wir waren deshalb hocherfreut, wenn ein besonders freigebiger Grossonkel uns bei den Buden traf, denn dann stand reiche Beute in Aussicht. Gewisse Lieblingsspielwaren, die wir längst bewunderten, deren Preis aber uns abgeschreckt hatte, wurden nun dem guten alten Herrn gezeigt, der unser Wünsche stets noch allzu bescheiden fand.» Daran hat sich allerdings auch heute nicht viel geändert. Göttis und Gotten können jedes Jahr ein Lied davon singen.

Es gab sogar eine Frühjahrsmesse  

Der Batzen ist also im Sack, die Positionen der spendablen Verwandten vorgemerkt und jetzt starten wir am Münsterplatz. Während der Messe ist der nämlich unübersehbar: Das Riesenrad überragt sogar das Münster. Doch nicht nur deswegen ist der Platz ein Muss auf dem Mäss-Bummel, auch unser kleiner historischer Ausflug bestimmt hier den Start: Zur Zeit des Bistums Basel war der Münsterplatz schlicht das Zentrum von Basel. Hier boten Händler auch unter dem Jahr ihre Waren an.

Und diesem Herrn Bischof verdanken wir auch die Herbstmesse. Die Blütezeit während des Konzils von Basel rückte die Stadt nicht nur ins Zentrum der Macht, sondern brachte ihr auch «d Herbschtmäss»: Genau am 11. Juli 1471, auf dem Reichstag zu Regensburg, hatte Kaiser Friedrich III. der Stadt Basel das Privileg erteilt, jährlich zwei grosse Handelsmessen durchzuführen. Die erste sollte vor Pfingsten erfolgen und die zweite vor dem Martinstag im Herbst. Die Frühlingsmesse wurde nur kurze Zeit durchgeführt. Aber die zweite Messe, welche die kalte Jahreszeit einläutet, findet inzwischen seit 545 Jahren statt. 

Idylle am Petersplatz

Der Petersplatz (Kupferstich von Matthäus Merian) 


Zu Beginn fand die Messe auch nur auf dem Münsterplatz statt. Nach und nach expandierte sie aber in weitere Teile der Stadt. Die Messe, wie wir sie kennen, erhielt ihre Form im 19. Jahrhundert und damals fand eine der markantesten Anpassungen statt: Der Schulbetrieb am Münsterplatz war durch die Herbstmesse zu sehr derangiert worden, und auch die Münstergänger störten sich an dem bunten Treiben. Dies führte dazu, dass die Marktstände 1877 vom Münster- auf den Petersplatz verlegt werden mussten.

Seither ist der Petersplatz der beschaulichste Messeplatz, der das idyllische Bild der Mäss widerspiegelt: Enge Gässlein aus Holzbuden, vollgestopfte Auslagen und die traditionellen Marktschreier, die ihre Ware anpreisen – und die die Besucherinnen und Besucher schon in den 1920er Jahren zum Schmunzeln brachten. Dazu noch den Duft von Magenbrot, Raclette und Würsten. Und natürlich versammeln sich diese Stände um die zweistöckige «Rössle-Rytti», die im Zentrum des Platzes steht. Diese «Rössle-Rytti» stammt aus Altenstadt in Hessen – daher auch der für Basler Verhältnisse etwas ungelenke Name. 1988 liess die Familie Roie das familieneigene Karussell aus dem Jahr 1910 nachbauen. Auf der Rosentalanlage wird sogar ein noch älteres Modell aufgebaut: Bauteile dieser «Rösslerytti» gehen bis ins Jahr 1880 zurück. Blickt man aber auf die ganze, lange Geschichte der Herbstmesse zurück, erscheint das nicht einmal besonders lange.

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