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Von wegen beweissicher: Rechtsmediziner kritisieren Genauigkeit der hochgepriesenen neuen Alkoholtests

Vor knapp einem Jahr wurde schweizweit die sogenannte beweissichere Atem-Alkoholprobe eingeführt. Jetzt stehen die Geräte aber in der Kritik von Wissenschaftlern. Die Polizei hält trotzdem an ihnen fest.

Der Ärger beginnt bereits bei der Grösse dieser so «zukunftsweisenden» Geräte: Der transportable Koffer sollte in jeden Polizeiwagen passen, sagte Bundesrätin Doris Leuthard damals. Doch: Wer in den hiesigen Polizeiautos danach sucht, der wird wohl enttäuscht. «Wir benutzen die Geräte stationär und nicht in unseren Wagen», sagt Adrian Gaugler, Mediensprecher der Polizei Basel-Landschaft, gegenüber barfi.ch. Ein normaler Blas-Alkoholtest vor Ort ist mit den Geräten also gar nicht möglich. Für die Kontrolle müssen die Personen auf den Posten gebracht werden.

Das ist das erste Problem. Das zweite ist noch gewichtiger: Die als beweissicher geltenden Geräte stehen jetzt in der Kritik. Das Institut für Rechtsmedizin in Zürich ist von der Vorgehensweise nicht überzeugt. Departementsleiter Thomas Krämer sagt: «Wie neuere Studien zeigen, kann ein Alkoholrausch vor Ort weder vom Polizisten noch vom Arzt von einem kombinierten Alkohol- und Drogenrausch unterschieden werden.» Auch die Atemalkoholprobe könne weitere Drogen nicht herausfiltern. In einem Bluttest wären diese hingegen sichtbar. Bisher führte das dazu, dass in über einem Viertel der Fälle Drogen und Medikamente übersehen wurden. 

Gewicht statt Promille

«Lion Intoxilyzer 9000»

Die seit dem 1. Oktober 2016 zugelassenen Modelle, «Lion Intoxilyzer 9000» und der «Dräger Alcotest 9510», versprechen eine beweissichere Kontrolle des Blutalkoholwerts. Während früher in Promille, Gramm Alkohol pro Gramm Blut, gerechnet wurde, sind es heute Milligramm Alkohol pro Liter Blut. Die Umrechnung ist für nüchterne Fahrzeuglenker nicht allzu schwer: 0,5 Promille sind 0,25 mg/l. Bei diesem Wert droht eine Geldstrafe bis 10'000 Franken und möglicher Ausweisentzug, ab 0,4 mg/l (0,8 Promille) ist das Billett für mindestens drei Monate weg, eine Freiheitsstrafe möglich.

Im Gegensatz zu den bisherigen Tests, sollen die neuen Geräte tatsächlich um einiges genauer messen. Daher gelten die Werte vor Gericht «beweissicher». Früher musste der Beschuldigte ab einem Blutalkoholwert von 0,5 Promille noch einen Bluttest im Spital machen lassen. Dieser fällt nun weg. Und mit ihm die Gebühr von 400 Franken, allerdings – so warnen Experten – auch ein wichtiger Teil der Kontrolle..

Ungenaue Werte beim «beweissicheren» Test

Eine Studie des Instituts für Rechtsmedizin Bern zeigt zudem auf, dass die Werte der Umrechnung von Promille auf mg/l zu ungenau sind. Bei einem Vergleich von 1'049 Proben sind 87 Prozent neuerdings besser weggekommen. Dafür wurden Atem- und Blutprobe miteinander verglichen. Der Vergleich zeigte: Bei einem Lenker mit 1,6 Promille spuckte das neue Messgerät nur 0,68 mg/l aus. Nach der neuen Berechnung sollten es jedoch 0,8 mg/l sein. Ein Unterschied von fast 18 Prozent.

Trotz der fundierten Kritik an den 312 Neuanschaffungen, die übrigens rund 8’500 Franken pro Stück kosten, will das Bundesamt für Strassen daran festhalten. Und auch die Polizei Basel-Landschaft habe bis jetzt «sehr gute Erfahrungen» damit gemacht. «Für uns ist es aber noch zu früh um eine fundierte Aussage zu machen», so Mediensprecher Adrian Gaugler. Die Gerichte interessieren die wissenschaftlich belegten Zweifel der Rechtsmediziner nicht. Sie urteilen nach der neuen Methode. Justitia ist bekanntlich blind.

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