Wenn die Zahnpasta mit der Bürste: Christoph Niemanns ikonische Grafiken. © Christoph Niemann
Wenn die Zahnpasta mit der Bürste: Christoph Niemanns ikonische Grafiken. © Christoph Niemann
  • Jonas Egli
  • Aktualisiert am

Weltberühmtes Gewitter von Geistesblitzen: Warum jetzt Basel Christoph Niemann unbedingt sehen muss

Ab morgen zeigt das Cartoonmuseum Basel über 120 Arbeiten des deutschen Illustrators, Designers und Zeichners Christoph Niemann. Der vielseitig begabte, weltbekannte Künstler entleert ein ganzes Fass an Kreativität im kleinen Museum. 

Christoph Niemann müsste eigentlich niemandem mehr vorgestellt werden. Seine Streichelzoo-App wurde über eine Million mal heruntergeladen, die Illustration der innigen Umarmung zwischen einer Zahnbürste mit der Zahnpaste ziert die Badezimmertür von etlichen Wohngemeinschaften und seine Titelbilder für das berühmter New Yorker Magazine sind weltbekannt. Andreas Platthaus, eine führende Stimme im Bereich von Comic und Illustration, bezeichnete Niemann als «den besten Illustrator unserer Zeit». Platthaus nannte die Welt des Zeichners das «Niemannsland».

Christoph Niemann, «Design and Violence», MoMA 2016. © Christoph Niemann

Ein bisschen Basler ist er auch, wie er sagt. Seine Ur-Ur-Ur-Grossmutter sei Baslerin gewesen. Das lassen wir gelten. Dennoch ist «That’s How!» die erste Ausstellung in der Schweiz und es ist eine aufwändige Retrospektive geworden, die einen Blick durch das ganze Schaffen des 46-Jährigen Gestalters ermöglicht. Von Zeichnungen, Postern, seinen Lego-Illustrationen bis hin zu Animationen, einer App, einem Magazin-Cover, welches mit dem iPad zum Leben erweckt werden kann und einer dreidimensionalen Arbeit ist alles dabei. Viele der Arbeiten wurden noch nie gezeigt, einige speziell für die Ausstellung gemacht und ein paar sind vor Ort erst entstanden.

Aus Christoph Niemanns Buch «Sunday Sketching», Abrahms New York 2016. © Christoph Niemann

Der Titel, der Ausstellung, «That’s How!», also «So geht das!», ist natürlich eine Lüge. Wer erhofft hat, Einblicke in die Geheimnisse des genialen, spontanen Zeichnens zu erhaschen, der hat sich gehörig am Papier geschnitten. In der faszinierenden Fülle der Arbeiten sieht man zwar, was Niemann tut, aber gerade deswegen nicht, wie er das macht. Er beweist nur, dass er es mit Leichtigkeit versteht, geschickte Metaphern und wirkungsvolle Bilder zu verwandeln. Wie er selbst sagt, sind diese das Resultat eines langen Prozesses, der am Ende so aussieht, als wär es purer Einfall gewesen: «Es muss so aussehen, als hätte ich es in einer Minute gezeichnet, und nicht in den Stunden, die ich tatsächlich dafür aufgewendet habe.»

Christoph Niemann, Cover for The New Yorker, 2016. © Christoph Niemann/The New Yorker

That’s How! ist ein Fest der Kreativität, scheinbar ein Gewitter von Geistesblitzen. Dass all dies das Ergebnis von sturer Arbeit ist statt von plötzlicher Inspiration, ist für Niemann ohnehin nicht so wichtig. Die Geschichte richtig zu erzählen, darauf kommt es an:

«Man muss immer einberechnen, was der Betrachter weiss und was nicht, was man voraussetzten kann. Ich weiss ja, was ich sagen will! Aber wie bekomme ich meinen welterschütternden Gedanken so auf’s Blatt, dass er auch welterschütternd am anderen Ende ankommt? Das negative Gegenbeispiel ist derjenige, der aus dem Urlaub zurückkehrt und begeistert von den fantastischen Erlebnissen erzählt. Aber all die Inspiration, die Erfüllung und die neue Sichtweise auf die Welt kommt in der Erzählung nicht rüber. Er zeigt Bilder und kommentiert sie, bietet alle Informationen, und es perlt einfach nur an einem ab. Die Kunst ist nicht, in den Urlaub zu fahren, sondern die Geschichte nach Hause zu bringen.» 

Aus dem Urlaub in Basel bringt Niemann eine Tuschezeichnung des Rheins mit. Ausstellungsansicht «That's How!», Cartoonmuseum Basel

Er sagt es, und baut eine Geschichte aus drei Legosteinen. Während einer Taxifahrt durch New York malt er kurzerhand einen Fahrradfahrer auf die Scheibe und filmt diesen beim erfundenen Ritt durch die Stadt, fertig ist eine hübsche, kleine Geschichte.

Zeichnung, Video und auch mal eine App, Christoph Niemann ist ein Multi-Instrumentalist, er bedient sich Techniken, vom Zeichenstift bis zum Kuchenteig, von der Fotografie bis zur Computer-Animation. Seinen Lauf am New York Marathon hat er nur mit mit Stift und Handykamera auf Twitter äusserst amüsant dokumentiert. 

Christoph Niemann, «Downtown», 2016. © Christoph Niemann

Das Erzählen von Geschichten kann man durchaus lernen und um vielleicht doch noch zu erfahren, wie er das macht, gibt der Künstler und Autor selbst Antworten an einer Führung im Rahmen der Vernissage heute ab 18.30 Uhr und einem Gespräch im Literaturhaus Basel mit Sven Berish, Redaktor «Das Magazin» am Donnerstag, dem 15.6.2017, um 19 Uhr.