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Wieviel muss ich bestellen, damit ein Basler Wirt mit mir zufrieden ist?

Lange ist es noch nicht her, seit Teller und Gläser in den Restaurants nicht voll genug, Vor- sowie Nachspeise eine Selbstverständlichkeit waren. Das hat sich im Zeitalter der halben Portionen gründlich geändert. Wie also reagiert ein Wirt, wenn sein Gast im weiss aufgedeckten Restaurant an Stelle des «Menü surprise» nur einen Salat mit stillem Wasser bestellt? Und statt der vorgesehenen Radisli-Garnitur noch etwas Rüebli verlangt? Was wünscht der einheimische Beizer in diesem Fall: e Guete, oder den Gast zum Teufel?

Gleich zu Beginn: Eine Antwort in Franken und Rappen war keinem Wirt zu entlocken. Statt unkompliziert und an der Buvette einen Burger zu inhalieren, beginnt mit dem Herbst die Restaurant-Zeit. Vor allem bei der Feier grosser Ereignisse gönnt man sich gerne ein festliches Essen in einem Top-Restaurant. Das freut den Gastgeber und seine Kunden. Aber im Alltag genügt meist eine Portion Pasta, vielleicht sogar nur eine der mittlerweile oft in Klammern aufgeführten Version für den kleinen Magen. Da beginnen die Zweifel und Fragen: Wieviel Konsumation wird von mir erwartet, dass ich das Lokal ohne Schamgefühl verlassen kann? Haben individuelle Wünsche auch bei kleinem Umsatz noch Platz?

Der Gast steht im Zentrum 

Ein Margarita mit zwei Schirmchen, statt dem Fisch lieber Fleisch als Tagesangebot. Und was, wenn Oma keine Kartoffeln mag? Und dann bräuchte man noch Karottenbrei für das Baby. Barfi.ch wollte wissen, wie Basler Gastgeber auf die Sonderwünsche ihrer Gäste bereit sind einzugehen. Wollen sie nur möglichst viel verkaufen? «Wenn jemand nur einen Salat essen möchte, darf er dies gerne tun», sagt Alexandre Kaden, Restaurantleiter Safran Zunft. «Bei uns steht der Gast im Zentrum. » Dazu gehöre auch, dass er verstanden und seine Wünsche erfüllt werden. Auch wenn jemand keinen Hunger hat, auf Alkohol verzichten möchte oder einen Sonderwunsch hat, sei es die Aufgabe des Restaurants, ihm dies möglich zu machen. Dabei spiele es keine Rolle, wie wenig er bestelle. «Wir möchten mit dem Angebot überzeugen», so Kaden. Da kann es auch vorkommen, dass ein Gast nur zwei Vorspeisen bestellt. «Bei uns wird jeder Gast gleich bedient», betont der neue Safranwirt. 

Die gleiche Philosophie verfolgt das «Restaurant Teufelhof». Dort herrscht sogar noch grosse Freiheit, was die Zusammenstellung des Menus betrifft. «Mit unserem Werkstattmenu kann jeder selber zusammenstellen, was er essen möchte», so Marit Hofer, Restaurantleiter Atelier im Teufelhof. «Und wenn jemand nur eine Vorspeise mag, ist das natürlich auch möglich», so Hofer. Es sei zwar eher selten, denn die meisten Gäste bestellten ein Drei-Gang-Menu. Grundsätzlich gäbe es nichts, was die Kellner stutzig machen würde und zu einer Mahnung führen könne. «Wenn das Personal unfreundlich behandelt oder sich andere Gäste beschweren würden, greifen wir ein», so der Restaurantleiter weiter. Doch bei der Bestellung stehen ganz die Wünsche des Gastes im Zentrum.

Transparenz und Fairness 

Im Binninger Schloss ist die Devise: Je persönlicher, je individueller desto besser. Dieses Motto werde auch gelebt, so Gastgeber Markus Wenger: «Wir gehen natürlich auf die Wünsche der Gäste ein und haben gegebenenfalls Verbesserungsvorschläge». Solange zwischen Gast und Gastgeber Fairness und Transparenz herrschen würden, gebe es keine Probleme.

Martin Wenger ist seit vielen Jahren im Restaurationsbusiness tätig und stellt einen Wandel der Generationen fest. Dazu gehöre auch, dass während eines Banketts nicht mehr alle sitzenbleiben würden, sondern aufstehen, um draussen zu rauchen. «Die Gesellschaft ist etwas verzettelter als früher», stellt Wenger fest. Dabei sei die Herausforderung, den Knigge mit dem kaufmännischen Denken zu verbinden. «Dazu gehört auch, dass man den Rauchern draussen etwas zu trinken anbietet», so Wenger.

Die Rechnung muss am Schluss stimmen 

Trotz der liberalen Grundhaltung und der Flexibilität: Die Gäste sind beim Restaurantbesuch verunsichert. So veranstaltet etwa die Safran Zunft ein «Knigge Dinner», die Jugendarbeit Basel bietet den Workshop «Ich bin mehr» an, in dem die Verhaltensformen Jugendlicher thematisiert werden und die Google-Suche zeigt, dass das Knigge-Angebot in Basel sehr umfangreich ist. Doch kein Wirt bekennt sich offen dazu, dass er bei aller Liebe zum Beruf auch rechnen muss. Wie in alten Zeiten ist der Gast deshalb gut beraten, wenn er vor der Türe des Gasthauses zunächst die Speisekarte durchforstet, was übrigens immer öfter auch bereits im Internet möglich ist. Und dann braucht es neben des eigenen Budgets noch gesunden Menschenverstand. Der Wurstsalat im 3-Sternelokal ist nun einfach teurer als beim Rössli um die Ecke. Ohne persönlich zitiert werden zu wollen, sagt es einer der genannten Wirte hinter der Hand aber deutlich: «Erst kürzlich habe ich einen Gast, der sich mehr für das kostenlose Brot, denn seinen günstigen Salat interessierte scherzhaft gefragt 'womit verdienen SIE eigentlich Ihr Geld'?»

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