Immer nur Ärger mit diesem Sack. ©A.Schwald
Immer nur Ärger mit diesem Sack. ©A.Schwald
  • Andreas Schwald
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Zoff in der Abfallsack-Szene: Hey, wir Bebbi haben da auch noch eine Beschwerde

Der Schweizer Abfallsack-Markt ist ein hartes Pflaster. Die Auswahl an Firmen ist nicht gross, die Aufträge der Städte wichtig. Während die Zürcher um die Auftragsvergabe streiten, haben wir ein anderes Problem: Die Qualität der berüchtigten Basler Reiss-Säcke. Und die kommen alle von der gleichen Ostschweizer Firma.

Da freut man sich mal, wenn alles wieder sauber ist. Der Staub des Winters entfernt, die letzten klebrigen Räppli aus den Fugen gekratzt, die verschmierten Fenster wieder klar, alles Überflüssige im Abfall – aber Himmel, nein! Jetzt reisst dieser unmögliche Bebbi-Sack schon wieder!

Während die Zürcher wegen der Auftrags-Vergabe für ihre Abfallsackproduktion streiten, haben wir Basler seit Jahren ein ganz anderes Problem: Die reissenden Pflichtsäcke des Kantons. In Basel-Stadt verläuft die Auftragsvergabe im Gegensatz zu Zürich klassisch: Alle vier bis fünf Jahre wird der Hersteller-Auftrag neu ausgeschrieben, wie das Amt für Umwelt und Energie bestätigt. Die letzte Runde war 2014.

Seit Jahren nur ein Hersteller für Basel

Die Vergabe erfolgt dennoch weitgehend und seit Jahren an denselben Hersteller, die Firma Toppac aus dem Kanton St. Gallen. An die Firma also, der auch die Zürcher einen Teil ihrer Produktion vergeben. Die Auswahl an Abfallsackfirmen ist in der Schweiz ohnehin nicht besonders gross: Laut Tages-Anzeiger gibt es nur wenige Firmen, die solche Auftragsvolumen auf die Rolle wickeln können. Durch Übernahmen und Konkurse sei der Markt geschrumpft, neue Hersteller könnten sich nur schwerlich um die lukrativen Kantonsaufträge bemühen. Erfolglos versuchte es etwa der Sack-Hersteller FO-Security bei der Zürcher Verwaltung, schliesslich packte er gegenüber dem Tages-Anzeiger aus.

Das Auftragsvolumen für die Pflicht-Säcke von Basel-Stadt beträgt pro Jahr und abhängig von der Menge rund 600’000 Franken, wie Martin Lüchinger vom Amt für Umweltschutz und Energie sagt. Nicht besonders viel, gemessen an der Menge blauer Tüten, die Herr und Frau Basler pro Jahr verbrauchen: Rund fünf Millionen Säcke à 17, 35 und 60 Liter gehen jedes Jahr über die Theken der Verkaufsstellen. Beeindruckend ist die Höhe des Umsatzes an Abfallgebühren: Rund zehn Millionen Franken macht die Stadt damit jährlich klar.

Ein beherzter Ruck und… ratsch.

Damit deckt der Kanton die Kosten der umweltgerechten Abfallvernichtung. Denn Privathaushalte werfen in Basel jährlich rund 30’000 Tonnen Müll ab; das Gewerbe bringt es auf rund 45’000 Tonnen, wie das Tiefbauamat auf seiner Website schreibt. Immerhin: Rund 25’000 Tonnen Haushaltsabfall würden der Separatsammlung zugewiesen. Nicht gezählt sind da natürlich die «Gratis zum Mitnehmen»-Gegenstände, die in Basel eine ganz eigene Kultur jenseits von Abfuhr und Sperrgutmarken pflegen.

Jedem Bebbi seinen Sagg, also, ausser in Riehen und Bettingen, wo sie noch Vignetten kleben. Wenn die Säcke nur nicht dauernd reissen würden: Das Klebeband lagert man am besten nicht weit von dort, wo man den Sack zusammenbinden willen, denn je nach Produktionsrolle heissts bald ratsch, ätsch, und dann klafft halt schon wieder ein Loch, wo es nicht sollte. Vor drei Jahren gab es in Basel auch einen politischen Vorstoss dazu, er verhallte aber genau so schnell wie der nächste Sack riss.

Das Problem ist dem Kanton bekannt. Wie könnte es auch nicht sein, wenn so vielen Stadtbewohnern nach einem beherzten Ruck am Bändel immer noch die falsche Naht reisst. Laut Abfallchef Lüchinger finden an den Bebbi-Säck regelmässig unabhängige Untersuchungen im Abstand von ein bis zwei Jahren statt. Zuständig ist das Prüfinstitut UGRA in St. Gallen, das eine Stichprobe von jeweils 30 Rollen prüft.

Der heisse Tipp: Zurückbringen und neue Rolle fassen

Angesichts einer verbrauchten Menge von fünf Millionen Bebbi-Säck pro Jahr sind Produktionsfehler in diesem Massenprodukt allerdings logisch und wären eigentlich verkraftbar – träten sie nur nicht in dieser Menge und öffentlich beklagter Regelmässigkeit auf. Das Gegenmittel? Klebeband. Und ein Geheim-Tipp, den in der ganzen Stadt kaum jemand zu kennen scheint, obwohl sich da der Kanton von der kulanten Seite zeigt.

«Der Verbraucher kann an jeder Verkaufsstelle die beanstandete Anzahl Säcke oder Rollen umtauschen. Eine Kaufquittung ist nicht nötig», sagt Lüchinger. Statt sich also köstlich aufzuregen und seiner Wut auf die Ungerechtigkeit reissender Bebbi-Säck genüsslich Luft zu machen, reicht der schlichte Gang zurück ins Lädeli oder den nächsten Supermarkt, um eine neue Rolle auszufassen. Halt so lange, bis man eine Rolle bekommt, deren Säcke nicht reissen. Und angesichts der Anzahl Rückgaben liesse sich mindestens feststellen, wie viele tatsächlich betroffen sind. Und immer noch kundenfreundlicher als die defekte Rolle deutlich aufwändiger zurück an den Hersteller im sanktgallischen Schwarzenbach zu schicken, wie es die Firma empfiehlt.

Für den bereits abgepackten Abfall nützt das aber wenig; mit dem gerissenen Bebbi-Sack spaziert man ja nicht einfach in einen Laden und das Umfüllen ist auch einfach nur lästig. Also doch das Klebeband nicht zu weit vom Abfallsack lagern. Dann darf man sich immer noch in Frust und Ärger steigern, bis auch das letzte Fitzelchen halbwegs ordentlich um den blauen Sack gewickelt ist.