Bewohnerin vor zerstörten Gebäuden in Amatrice. ©Keystone
Bewohnerin vor zerstörten Gebäuden in Amatrice. ©Keystone
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106 Kilometer vom Epizentrum: Ein Basler Apotheker zum schrecklichen Erdbeben

Am frühen Mittwochmorgen kam es in Mittelitalien zu einem Erdbeben der Stärke 6,2 und mehreren Nachbeben. Die Katastrophe in der Gebirgsregion forderte bis jetzt mindestens 241 Tote. Die Bergungsarbeiten sind noch im Gange. Das Beben war auch im 106 Kilometer entfernten Rom und der Adriaküste zu spüren. Der Basler Apotheker Beat Giezendanner aus Rom erzählt, wie er die Nacht erlebt hat.

«Ehrlich gesagt habe ich das Erdbeben verschlafen. Arbeitskollegen von mir hat es allerdings aus dem Schlaf gerissen», erzählt Beat Giezendanner gegenüber barfi.ch. Der ausgebildete Apotheker arbeitet seit 15 Jahren als Art Director, Übersetzer und Journalist in der Ewigen Stadt. «Beim Erdbeben 2009 bin ich ebenfalls erwacht, aber nun habe ich erst am nächsten Tag davon erfahren.» Die Betroffenheit sei nichtsdestotrotz da und auch allgegenwärtig spürbar: «Auch wenn wir weiter weg sind, merkt man das in der Bevölkerung. Leider handelt es sich bei Mittelitalien um ein Erdbebengebiet, das es erneut getroffen hat. Die Häuser dort sind nicht unbedingt erdbebensicher und Geld für Renovationen ist auch keines vorhanden.»

Es seien viele Freiwillige auf dem Weg, um zu helfen, auch das Militär wurde aufgeboten. «Interessant ist auch, was momentan in den sozialen Medien geschieht. Dort fordert die Bevölkerung die nationale Lotterie auf, die 129 Millionen, welche momentan im Jackpot sind, lieber an die betroffenen Dörfer zu spenden. Ob das dann wirklich passiert, ist leider ungewiss.» Die Italiener helfen also mit, auch wenn sie nicht direkt vor Ort sind. Auch eine spontane Spendenaktion habe es gestern gegeben: «Die Tomaten-Speck-Sauce «all’amatriciana» kommt ja aus einem der betroffenen Dörfer. Darum konnten Restaurants anbieten, pro verkaufte Portion jeweils zwei Euro an das Dorf Amatrice zu spenden. Das kam bei der Bevölkerung sehr gut an.» 

Flyer, der Spaghetti-Aktion

Flyer der Spaghetti-Aktion

Bereits 241 Tote

Die Zahl der Toten in Italien ist auf mindestens 241 angestiegen, seitdem das schwere Erdbeben die Menschen in der gesamten Region zwischen Umbrien, Latium und den Marken in der Nacht erschüttert hat. Die betroffene Region liegt nur eine Autostunde nördlich von L’Aquila in den Abruzzen, wo erst 2009 mehr als 300 Menschen bei einem Erdbeben ums Leben kamen. Die Rettungsdienste konnten einige Orte der bergigen Gegend nur schwer erreichen.

Dem ersten Beben um 3.30 Uhr in der Nacht folgten rund 60 Nachbeben. Vor allem die kleineren Ortschaften Amatrice und Accumoli waren betroffen. «Alles ist kaputt», beschrieb ein Einwohner gegenüber dem Nachrichtensender RaiNews24 die Lage. Und Bürgermeister Sergio Pirozzi umschrieb die Situation gar mit: «Das halbe Dorf ist verschwunden». Viele alte und historische Bauten seien wie Kartenhäuser eingestürzt. Die Suche nach Vermissten gestaltet sich schwierig, weil sich in der Gegend viele Touristen aufhielten, die lokal nicht bekannt waren. Über tote oder verletzte Schweizer Staatsangehörige hat das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) derzeit keine Kenntnis. Ein Soforteinsatzteam wurde vom EDA zusammengestellt. Bisher sei aber noch keine Hilfsanfrage der Italiener eingegangen.

Viele Menschen, die kaum mehr als ihr nacktes Leben retten konnten und nun in Pyjamas und Hausschuhen herumlaufen, müssen sich auf eine längere Zeit ohne eigenes Dach über dem Kopf einstellen. Sie dürfen nicht in ihre einsturzgefährdeten oder zerstörten Häuser zurück und sind nicht darauf vorbereitet, die Nächte draussen bei weniger als zehn Grad zu verbringen. Auf dem Fussballplatz von Amatrice haben Italiens Zivilschützer Zelte vorbereitet. Rund 5400 Rettungskräfte und 43 Hunde sind noch auf der Suche nach den vielen Verletzten und Vermissten.

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