Andreas Senn hat in seinem Atelier eine der schönsten Aussichten auf den Weihnachtsmarkt am Barfi.
Andreas Senn hat in seinem Atelier eine der schönsten Aussichten auf den Weihnachtsmarkt am Barfi.
  • Binci Heeb
  • Aktualisiert am

Am Barfi hängt der Himmel voller Geigen

Barfi ist das Zentrum unserer Stadt: Der Platz mit den meisten Strassencafés, Openair Konzerten, Herbst- und Weihnachtsmessen, Märkten, Sportveranstaltungen und der heilige Ort der FCB Meister-, oder Cupfeiern. Nur etwas ist der Barfi nicht: Leise. Ausser an einem einfachen, ganz speziellen Ort, an dem die Welt hinter dem Fenster stehen zu bleiben scheint: Das Atelier von Andreas Senn mit dem seltenen Beruf, nein der Kunst eines Geigenbauers.

Nächstes Jahr wird besonders. Herr Senn feiert ein schönes Jubiläum. Zwei Jahrzehnte arbeitet er nun direkt am Barfüsserplatz Nummer 20. Doch sein Familienunternehmen ist wesentlich älter. Das von Grossvater Gustav Senn 1929 gegründete Geigenbauatelier war ursprünglich am Kohlenberg 11 zu Hause.

Gründer Gustav Senn lernte sein Handwerk beim bekannten deutschen Geigenbauer August Meinel, den es von Dresden 1895 dauerhaft nach Basel verschlug. 1902 wurde er in Liestal Mitbegründer der schweizerischen Geigenbaugesellschaft und fertigte in seinem Berufsleben mehrere hundert Geigen. Mitte der 1960er Jahre übernahm Gustavs Sohn Paul die Geschäfte seines Vaters, die wiederum 1980 in die Hände des heutigen Besitzer Andreas Senn übergingen.

Werkstatt von Paul Meinel, dem Bruder von August in Basel.

 

Betritt man das Geigenbauer-Atelier im zweiten Stock am Barfüsserplatz, wähnt man sich in einer anderen Welt. Überall sind Geigen, Bratschen, Cellos und Bassgeigen. Sie hängen an den Wänden, sind in Vitrinen ausgestellt oder stehen in ihren Koffern auf dem Boden. Hier arbeiten Andreas Senn und – seit viereinhalb Jahren – Geigenbauerin Anna Reber. Beide haben sie das Handwerk des Geigenbauers von der Pike auf gelernt. Im Atelier werden aber keine eigenen Geigen mehr hergestellt, sondern besondere Instrumente repariert, gerichtet, vermietet und verkauft. «Die letzte Geige habe ich in der Lehre gebaut», sagt Andreas Senn. Denn für die Herstellung einer Violine würden mindestens 150 Stunden benötigt, was den hohen Preis von ungefähr 25'000 Franken erklärt.

Geigen überall.

Die Ausbildung zum Geigenbauer dauert 4 Jahre. Das Beherrschen des Instrumentes sei dabei interessanterweise noch nicht Voraussetzung. Während ihrer Ausbildung hätte es mehrere Schüler gegeben, die erst in der Lehre selbst mit dem Spielen begonnen hätten, so die 31-jährige Anna Reber. Für sie sei allerdings schon früh klar gewesen, dass sie etwas mit Musik machen wollte. Handwerkliches Geschick und ein gutes musikalisches Gehör waren eine gute Voraussetzung dafür. Seit bald 40 Jahren und ungetrübtem Enthusiasmus repariert Andreas Senn seine Instrumente und sagt: «Das Schöne an meinem Beruf ist, dass man nie ausgelernt hat, es gibt keine Routine».

Grossvater August (li.) und Vater Paul Senn (re.).

Die teuerste Geige, an welcher er bisher Servicearbeiten durchführen durfte, war vor wenigen Jahren eine Stradivari für einen Kunden aus der Region. Namen werden natürlich keine genannt, kostet so ein Stück doch gerne einmal weit über eine Million Franken. Die bisher teuerste jemals verkaufte Stradivari wurde im auf aussergewöhnliche Instrumente spezialisierten Londoner Auktionshaus Tarisio für umgerechnet zwölf  Millionen Euro versteigert. Nicht nur eine sogar deren zwei besitzt die in Badisch-Rheinfelden geborene, vielleicht berühmteste Violinistin der Welt, Anne-Sophie Mutter. Ihr ist, mehr ist nicht zu erfahren, der Barfüsserplatz nicht unbekannt. Künstlerinnen wie sie spielen nicht aus Prestige nur auf kostbaren Instrumenten. Den Unterschied zwischen einer günstigen und einer teuren Geige könne auch der Laie hören sagt Senn und zeigt auf die wertvollsten Stücke in seinem Atelier.

Geigen untere Reihe zwischen 1000 und 4000 Franken. Obere Reihe zwischen 5000 und 15'000 Franken.

Besondere Freude machen dem Geigenbauer vor allem die vielen Kinder, deren Eltern eine Geige bei ihm mieten. Es sei auffällig, dass viele unter ihnen aus Sri Lanka oder der Türkei stammten, wo das Geigenspiel eine wichtige Rolle spielen würde. Den Kindern gefielen zunächst einmal vor allem Geigen, die stark glänzten und von rötlicher Farbe seien.

Von Reparatur, Vermietung und Verkauf könne er gut leben, so Senn. Doch darauf, dass das Geschäft in vierter Generation von seinem Sohn weitergeführt werde, hofft er wohl vergebens. Denn Marcel studiert im Moment Biologie und Chemie. Und trotzdem bestehen grosse Chancen, dass das Atelier der Familie bestehen bleibt. Tochter Tanja, die bereits heute bei der Wartung der Geigen und im Büro aushilft und Geigenbauerin Anna Reber seien ja auch noch da. Irgendwann übernehmen sie wahrscheinlich das Zepter, oder vielmehr den Bogen. Doch noch spielt Andreas Senn am Barfi selber die erste Geige.

Andreas Senn mit einer 1/16-tel Geige, dem sogenannten «Pampersmodell». Er spielt seit seinem 12. Lebensjahr Geige und Bratsche.

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