• Andreas Schwald
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BS: Wie Wahlkampf aus dem Bauch direkt in die Hosen geht

Wenn Basel-Stadt in zwei Wochen wählt, ist zumindest eines schon klar: Nicht, dass sich die Linken rechts der Volkspartei auch einen Ausrutscher nach dem andern lieferten. Doch den Tiefpunkt im Grossratswahlkampf markierten die Kandidierenden der Basler SVP.

Es ist ja meist irgendwie lustig gemeint, aber immer schön spontan und voll aus dem Bauch heraus, in dem eben die Wut hockt. Schliesslich herrscht ja Meinungsfreiheit und die Facebook-Freunde wollen auch bespasst sein. Und dann haben wir den Salat, also die Entgleisung.

Vorläufiger Höhepunkt: SVP-Grossratskandidatin Sonja Hemmer, im Kleinbasel zu Hause und dort auch wählbar. Vergangenen Donnerstag postete sie auf Facebook zu einer Nachricht über einen Asylbewerber, der aus Protest in Österreich von einem Dach zu springen drohte, wörtlich: «soll i ihm eschupf gä den isches ganz sicher das er fliegt.»

Wie lustig. Nicht.

Mit der neusten Entgleisung tritt die SVP-Kandidatin wacker in die Fussstapfen von Patric Aeschbach, Parteikollege und ebenfalls Grossratskandidat. Sein Post vom August, in dem er Linken den Tod androhte, ist mittlerweile gelöscht, die Artikel dazu sind aber immer noch im Netz. Genau wie die Artikel zum Fall des dritten SVPlers Stefan Christen, der die BastA!-Regierungsratskandidatin Heidi Mück im August aufs Übelste beleidigte.

Posten, wirken lassen, löschen

Das System dabei ist immer dasselbe: Beitrag posten, wirken lassen, löschen, wahlweise Einsicht oder Trotz zelebrieren. Ob Wutbürger, Internet-Troll oder im Neusprech schlicht «Hater», spielt dabei keine Rolle. Das hat Krawall-SVP-Nationalrat Andreas Glarner diesen Sommer vorgemacht.

Dabei wäre es so einfach. Die Meinungsäusserungsfreiheit leitet sich, genauso wie andere Grundrechte, vom Prinzip der Menschenwürde ab. Strafrechtsexperte und Anwalt David Gibor erläuterte das anschaulich in der «Neuen Zürcher Zeitung» am Beispiel der Rassendiskriminierung:

«Doch im Falle der Rassendiskriminierung geht es nicht um eine Kollision von Grundrechten, sondern darum, dass Grundrechte dazu benutzt werden, um sie anderen abzusprechen. Wird dergestalt einem Individuum oder einer Gruppe das Recht auf Leben, Gleichheit oder Würde abgesprochen, so gerät die diskriminierende Äusserung in einen unauflösbaren Widerspruch, weil sie sich auf die Garantie der Grundrechte beruft, solche aber für andere nicht gelten lassen will.»

Kurz und gut: Harte Bandagen und ein bisschen «Promi-Beef» im Internet gehen klar. Wer aber die Integrität des Menschen verletzt, bewegt sich jenseits von Gut und deshalb im Bösen. Ob er jetzt für die Basler SVP politisiert, einfach mal seine Wut im Bauch rauslassen will oder Donald Trump heisst.

Ein Seufzer mit Reue

«Ja, es gibt mittlerweile eigentlich mehr als genug Beispiele, wie man es nicht macht», sagt SVP-Basel-Kampagnenleiter Joel Thüring und seufzt: Für die Entgleisungen gebe es keinerlei Entschuldigung. Er beruft sich nach wie vor darauf, dass die Partei nicht jedes Wort ihrer Kandidaten in der Öffentlichkeit überwachen wolle: «Aber klar, wir sind jetzt sensibilisiert und werden in Zukunft mehr darauf achten.» Auch wenn er der Ansicht sei, dass die Öffentlichkeit bei den Kandidaten der SVP vielleicht nur zu gerne etwas sehr genau hinschaut.

Angesichts der Tieffliegerei der Beiträge zur öffentlichen Debatte dürfte das allerdings auch mehr als angebracht sein. Nicht nur, aber besonders auch bei Parteien, die generell zur polemischen Entgleisung neigen und erst noch mit einem Kandidaten in die Regierung wollen.

Wer sich für ein öffentliches Amt wie das eines Grossrats oder einer Grossrätin zur Wahl aufstellen lässt, sollte sich der Konsequenzen seiner öffentlich zugänglichen Aussagen mindestens bewusst sein. Selbst dann, wenn er oder sie in einem halbluziden Moment am abendlichen Küchentisch eine solche auf Facebook stellt. Egal, ob die Posts lustig gemeint sind – oder eben nicht.

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