Fotos: Keystone/cap.
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  • Christian Platz
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Basel Tattoo: Old Guard der U.S. Army besucht ihren Basler Instrumentenbauer

Schon seit den 1940er-Jahren werden bei der Familie Egger Blechblas-Instrumente gebaut. Auch die Old Guard der U.S. Army, das offizielle Repräsentations-Corps des Weissen Hauses, hat hier schon Barock-Trompeten geordert. Gestern besuchten die Hornisten der Garde zum ersten Mal ihre Instrumentenbauer vom Dreispitz. 

An der Venedigstrasse 31 befindet sich der Himmel für Blechbläser: Instrumente überall, Trompeten, Posaunen, Tuben, Hörner aller Art hängen von den Decken, liegen auf Werkbänken oder in Kisten, in ganz unterschiedlichen Fertigungsstadien. 16 Spezialisten arbeiten hier. Sie können in ihrem Genre alles herstellen, von Standardinstrumenten bis zu wundervoll verzierten Sonderanfertigungen.

Rainer Egger hat die Firma von seinem Vater übernommen. Der begann nach dem Zweiten Weltkrieg, er war damals im Aktivdienst, mit der Fertigung von Blechinstrumenten.

«Heute sind wir ein Team»

Rainer Egger sagt: «Am Anfang teilte sich mein Vater die Werkstatt, er war durch den Aktivdienst arbeitslos geworden, mit einem Velomechaniker. Ich habe dann die Instrumentenbauer-Lehre bei meinem Vater gemacht und mich später in den USA weitergebildet. Mein Vater hat immer allein gearbeitet. Ich anfangs auch, aber dann habe ich angefangen, Lernende auszubilden. Heute sind wir ein Team».

Entspannte Atmosphäre

Es herrscht eine sehr freundliche, familiäre, entspannte Atmosphäre, hier oben im dritten Stock. Auf dem kleinen Maschinenpark des Hauses können alle Arten von Blechblasinstrumenten hergestellt oder umgebaut werden. Auch Einzelteile, wie beispielsweise Mundstücke für spezielle Piccolos, werden angefertigt.

Im Jahr 1784 aufgestellt

Instrumentenbauer Gerd Friedel und das Team erwarten heute hohen Besuch, nämlich die Hornisten der Old Guard aus Washington D.C., genauer des Fife and Drum Corps dieser Elite-Truppe, die zum 3rd United States Infantry Regiment gehört, der ältesten aktiven Infantrie-Einheit der U.S. Army, die im Jahr 1784 aufgestellt wurde. Mitglieder dieses Regiments haben in allen Kriegen gekämpft, an denen die USA beteiligt waren.

Eine absolute Elitetruppe

Die Old Guard, auch Escort to the President genannt, ist heute als Ehrengarde und Wachregiment tätig. In diesem Sinne ist diese Garde – mit ihren traditionellen Uniformen, zu denen Perücken und rote Rücke gehören – eine absolute Elitetruppe. Ihre traditionelle Musik machen die Corps-Mitglieder auf Holz-Piccolos, Blechblas-Instrumenten und Trommeln. 

Sie sind bei zahlreichen Zeremonien, Staatsanlässen und Feiern im Einsatz, meist in unmittelbarer Nähe des jeweiligen US-Präsidenten. Tattoo-Produzent Erik Julliard wollte sie schon seit Jahren nach Basel bringen, was gar nicht einfach ist, denn diese Truppe hat einen ganz schön engen Terminkalender. Dieses Jahr hat es endlich geklappt; ein Erfolg, auf den der Tattoo-Produzent stolz sein kann.

«Wir sind topfit!»

Nun steigen sie am Dreispitz die Treppe hoch, denn der Lift ist gerade kaputt, die Armee-Hornisten aus den Vereinigten Staaten. Überaus freundlich werden sie empfangen – und mit einer Entschuldigung für den defekten Lift. James Monroe, er geht seinen Kollegen voraus, lacht und sagt: «Treppenlaufen macht uns gar nichts. Wir sind topfit!» Und so sehen sie auch aus.

Offiziersränge

Heute Abend werden sie in ihren makellosen Uniformen auftreten. Am Nachmittag erscheinen sie im Freizeit-Look. Die Herren haben übrigens alle Offiziersränge. Und natürlich sind sie bestens gelaunt, denn ein Besuch in einer Werkstatt für Blechblas-Instrumente ist für Profi-Hornisten eine höchst vergnügliche Angelegenheit. Am Dreispitz sind nämlich die Barock-Trompeten entstanden, die von Mitgliedern der Old Guard gespielt werden.

Gerd Friedel führt sie durch die verschiedenen Fertigungsprozesse, die hier durchgeführt werden, erklärt Materialien und Maschinen. Die Soldaten haben viele Fragen und hören mit grossem Interesse zu, schliesslich werden hier ihre Werkzeuge hergestellt.

Nach Herzenslust testen

Am Ende der Besichtigung können die Herren noch nach Herzenslust Blasinstrumente testen, was sie ausgiebig und mit sichtlichem Vergnügen tun. Und, weiss Gott, die können spielen! Kevin Lynch erzählt: «Die meisten von uns spielen seit ihrer Kindheit Trompete oder Posaune. Wenn du in die Old Guard einsteigst, lernst du dann die alten Blasinstrumente spielen, die hier gefragt sind. Das ist am Anfang eine ziemliche Umstellung. Die Instrumente reagieren ganz anders».

«Die Stimmung am Basel Tattoo ist grandios»

James Monroe freut sich darüber, dass es diesmal geklappt hat mit der Reise nach Basel: «Die Stimmung am Basel Tattoo ist grandios. Wir haben leider nicht so viele Auslandreisen auf dem Programm, weil wir in den USA sehr häufig auftreten. Wir stammen alle aus verschiedenen Bundesstaaten. Wohnen heute aber alle in der Nähe von Washington. Ich hoffe, dass wir künftig häufiger an Tattoos im Ausland reisen können, denn wir sind international ein sehr gefragter Act.» Er ist übrigens für die Koordination aller Arrangements zuständig, die das Corps benötigt.

«Makellos»

Vor dem Auftritt sind die 30 Old Guard-Mitglieder, die nach Basel gekommen sind, insgesamt haben die Fifes and Drums 96 Mitglieder, jeden Abend mit Vorbereitungen beschäftigt. Kevin Lynch: «Wir dämpfen unsere Uniformen jeden Abend, bevor es losgeht, polieren unsere Stiefel, wienern unsere Hörner (Bugles) blitzblank. Denn wir sind echte Rotröcke, wir sind die Old Guard – unser Auftritt muss makellos (Englisch: pristine) sein!»

«Noli me tangere»

Das Motto der stolzen Garde ist «Noli me tangere» (lateinisch: Fass mich nicht an), doch hier, im Blechbläserhimmel der Familie Egger scherzen und fachsimpeln die Herren nach Herzenslust. Schliesslich sind die Kenner der Materie hier unter sich.

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