Foto: Sydney Savary mit seiner Tochter Sara-Marie
Foto: Sydney Savary mit seiner Tochter Sara-Marie
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Basel für Babys – eine Stadt ist falsch gewickelt

Ein bisschen weniger leidensfähig als die meisten Mamas ist Papa Sidney Savary. Das sagt er zumindest von sich selbst – während Tochter Sara Marie auf seinen Schultern sitzt. Anders als die könne er nämlich nicht auf einer Treppe irgendwo in der Stadt Windeln wechseln. "Dafür brauche ich einen ruhigen Ort mit Wickeltisch." Weil’s den nicht überall gibt, und es Väter mit Kleinkindern bei einem Stadtbummel in Basel ohnehin nicht überall leichtgemacht wird, hat der Zweifach-Papa das Familienportal "babyfreundlich.ch" gegründet.

Eigentlich ist Sidney Savary IT-Fachmann. Das hat nur sehr wenig mit seinem noch jungen Projekt zu tun. Und doch: "Es füllt mich aus", sagt er.

Die Leidenschaft, Ideen umzusetzen, hat Savary beruflich schon immer geholfen. Als seine Stelle als IT-Abteilungsleiter im letzten Jahr gestrichen wurde, begann er sofort mit den Vorbereitungen von babyfreundlich. Bereits im Mai dieses Jahres ging das Portal online.

Das Bedürfnis dafür entdeckte Herr Papa schon einige Zeit früher: Zwischen Zigarettenautomaten und offener Eingangstür muss Savary vor etwa vier Jahren einmal die Windeln von Sara Marie im Restaurant wechseln. Das Personal reagierte unwirsch. Der 46-Jährige ärgerte sich, hielt die Situation für unangemessen und suchte vergeblich nach einer Plattform für Betroffene wie ihn. Die Idee, sie selbst zu schaffen, schlummert vor sich hin – bis Savary schliesslich gezwungen wird, beruflich neue Wege zu gehen.

Das Prinzip hinter babyfreundlich ist simpel: Familien können sich kostenlos auf der Seite bewegen, Urteile über Orte der Stadt ihrer Wahl abgeben, sich aber gleichzeitig auch informieren über Lokale, Geschäfte, öffentliche Plätze.

"Findet einer unserer Nutzer beispielsweise ein Lokal, das er für kinderfreundlich hält, füllt er ein Formular aus und hakt bestimmte Kriterien ab", erklärt Savary. Drei dieser Kriterien seien besonders wichtig und damit ausschlaggebend fürs babyfreundlich-Zertifikat, das Savary auf Wunsch ausstellt: Freundlichkeit des Personals, Situation auf der Toilette – mit oder ohne Wickeltisch –, und Möglichkeiten, Kinder mit Hochstuhl an den Tisch setzen zu können.

Wenn all diese Kriterien positiv bewertet werden, stuft Savary das Lokal, Geschäft oder den öffentlichen Ort als babyfreundlich ein. Andere Familien wissen so sofort, wo ein Mittagessen mit Kind Sinn oder sogar Spass macht und wo nicht. Eine Liste dieser kinderfreundlichen Orte findet man ganz leicht auf Savarys Webseite. Gegen Geld – etwa 200 Franken – gibt’s für Lokale auch einen Aufkleber für die Eingangstür. Als Erkennungszeichen für Familien. Immer aber mit der Voraussetzung, dass Nutzer dem Lokal die nötigen Kriterien zugewiesen haben und Savary diese akzeptiert. "Wenn ein Lokal nicht babyfreundlich ist, kann es sich das Siegel nicht einfach kaufen."

Um die Bewertungen seiner mehrheitlich anonymen Community – nur etwa 40 haben sich mit Namen angemeldet – zu überprüfen, geht Savary dafür selbst regelmässig von Haus zu Haus. Tochter Sara Marie ist meistens dabei. Anfang des Jahres führte der Weg die beiden durch die Freie Strasse. Es sei eine anstrengende Tour gewesen. Sara Marie muss lachen und sagt: "Ja, da haben wir überall gefragt, ob es einen Wickeltisch gibt." Lediglich vier Geschäfte hatten die Frage damals mit "Ja" beantwortet. Inzwischen hat der Vater aber einen sehr babyfreundlichen Ort in der Freien Strasse gefunden – gleich im Anschluss des barfi.ch-Interviews. Bei der Elternberatung Basel-Stadt arbeitet nicht nur freundliches Personal, sondern es gibt auch eine Stillgelegenheit und mehrere Wickelmöglichkeiten. Platz für den Kinderwagen ist ebenfalls gegeben. "Ganz speziell ist, dass dort Mütter und Väter in verschiedenen Sprachen persönlich oder telefonisch beraten werden. Auch ohne Voranmeldung", sagt Savary. 

Basel scheint sich mit dem Thema "Babyfreundlichkeit" nicht allzu sehr zu beschäftigen, dementsprechend babyunfreundlich sei die Stadt. Dies will der Familienvater mit seinem Portal ändern. Die Vision treibt ihn an. Obwohl das Projekt derzeit keinerlei Umsatz generiert, investiert Savary weiter. Ab Oktober ist eine Crowdfunding-Aktion auf seiner Webseite geplant. Auf 2’500 Franken von der interessierten Community hofft er. Savary will damit Informationsstände in der Innenstadt finanzieren. 60 Tage lang sammelt er dafür Geld. Sollte die erhoffte Summe nicht zusammenkommen, kriegen alle Spender ihr Geld wieder zurück.

Doch nicht nur von der erfolgreichen Crowdfunding-Finanzierung träumt Savary: "Eine App wäre ganz toll. Und irgendwann könnte ich babyfreundlich.ch dann an meine Kinder weitergeben." Er schaut zu Sara Marie. Die lächelt und sagt: "Jetzt muss ich aber auf die Toilette, Papa." Aus seinem Rucksack zieht Savary einen Sitzaufsatz für seine Tochter. Er ist auf die Situation im Keller des Cafés am Barfüsserplatz vorbereitet. Weil eben nur sehr wenige Lokale babyfreundlich sind. 

Auch bei Facebook betreibt Savary eine Seite – für alle Fans von babyfreundlich.ch.