Die offizielle Bundesfeier von Basel-Stadt: Der heftige Regen vertrieb die Leute erst recht. Bilder P. Gutter / barfi
Die offizielle Bundesfeier von Basel-Stadt: Der heftige Regen vertrieb die Leute erst recht. Bilder P. Gutter / barfi
  • Andreas Schwald
  • Aktualisiert am

Basels offizielle Nationalfeier: Welch trauriger Tag für den Patriotismus

Feiern ohne Sinn und Ende am 31. Juli, Kater und Depression am 1. August: Basel hat den Patriotismus erfolgreich begraben. Was bleibt, sind Brummschädel, blutleere Folklore und rechtsnationaler Unsinn. Das geht so nicht. Gebt Helvetia ihre Würde zurück – sie hat sie dringend nötig.

Auf dem Bruderholz war alles ein bisschen traurig. Das Wetter war traurig, na gut, dafür kann ja keiner was, aber traurig war auch der Volksaufmarsch, traurig war der Grossteil der Szenerie und ehrlich gesagt war auch die im Maschinengewehrtempo geschwungene Rede von SVP-Grossratspräsident Joel Thüring traurig. Bravo. Was der offizielle Festakt der Stadt Basel zur Schweizerischen Bundesfeier sein soll, war ein bescheidenes Bühnenprogrämmchen, bei dem die Bluegrass- und Rockabilly-Band «Little Chevy» als einziges Highlight die Würste von den Papptellern zog.

Schnitt, Rückblende, Montagabend: Eine Stadt im Ausnahmezustand. Panzersperren im Perimeter Innenstadt, Polizisten mit Maschinenpistolen, heitere Musikanten in allen Ecken, eine Druggedde allenthalb, alle leicht bis schwer alkoholisiert, auf dem Floss machte Ritschie von «Plüsch» den populären Einheizer. Hier und da dudelte ein bisschen Ländlerfolklore zwischen Wurstdampfschwaden und am Schluss zogen sich über 110’000 Menschen das grosse Feuerwerk am Rhein rein. Das einzig Traurige hieran: Fünf Minuten weniger Pyroshow und kein richtiges Schlussbouquet. Und ja, vielleicht schmeckte an jenem Abend der Champagner auf der Luxusterrasse des «Grand Hotel Trois Rois» wegen der düppigen Temperaturen doch etwas schal.

Stell dir mal vor: Die Schweiz hat Nationalfeiertag

Lustiglustig am Vorabend, Stille am Tag danach: Die wertschöpfungsintensive Bundesfeier vom 31. Juli 2017 am Rhein.

Happy Birthday, Helvetia. Hast noch der Söhne, ja, und der fröhlichen Töchter auch. Und trittst im Morgenrot zum Geburtstagsgruss daher, hat die Stadtreinigung deren Spuren in der Öffentlichkeit schon lange entsorgt.

Denn stell dir vor, die Schweiz hat Nationalfeiertag, alle gehen am Tag zuvor ein bisschen Party machen, geniessen die Bespassung und schlafen dann den Kater aus. Selbst an einem Fussballspiel sind mehr Schweizerfähnchen und Flaggen auf Bäckchen zu sehen. Am prunkvollsten dekoriert sind noch die Wohnungen der Migranten und das Altersheim. Der einzige, der dieses Jahr in unserem auslandenden Gundeldinger Innenhof noch ein Schweizerkreuz-Lampion auf dem Balkon hängen hatte, war der Tamile von gegenüber mit seiner Familie.

Ein Feiertag oder die Langeweile danach

Die einzigen Uniformen der Staatsgewalt trugen am Vorabend des 1. August in Basel die teils schwer bewaffneten Polizisten.

Nein, es müssen auch keine Militärparaden her und keine rechtsnationalen Umdeutungen von im Zeitalter der Romantik konstruierten Nationalmythen. Aber ein bisschen mehr Würde darf es sein, fürwahr, mindestens ein Hauch von gesundem Patriotismus dürfte, nein: darf, nein: soll durch Alkoholdunst und Pulverschwaden chinesischen Qualitätsfeuerwerks wabern. Gut, dass der 31. Juli de facto zum Feiertag geworden ist und der 1. August noch irgendwas mit National sein darf: geschenkt. Wer feiert, tut das lieber, wenn er am nächsten Tag frei hat. Das machen ja auch die Franzosen so, und was der Grande Nation recht ist, kann für La Petite Suisse gerade mal gut genug sein.

Aber bitte nicht so. Bitte nicht so traurig, so verdruckt am Strassenrand auf dem Hügel ob Basel, wenn sich tags zuvor schon alle ausgeleiert haben. Kein Wunder, geht dann keiner mehr hin, also sicher nicht zum angestaubten und unoriginellen Programm, sondern höchstens noch zum zweiten Feuerwerk, denn der Kenner weiss: Dort oben, rücklings am Hang im Gras liegend, schmecken die Kracher noch nach frischem, kühlen Bier und feuchter Erde. Und ein bisschen nach Heimat, ein bisschen nach Verbundenheit. Und man wünscht sich eine Rede her, die dem geduldigen Zuhörer keine politischen Richtungsangaben einzuprügeln versucht oder über Grenzen, Grenzen, Grenzziehungen philosophiert, wie es Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann in Riehen tat.

Igitt, das könnte ja Spuren von Patriotismus enthalten

Ein Fest, so viele Leute – aber Reden werden lieber im Abseits gehalten.

Gebt uns solche, die zu uns Menschen sprechen und eine Antwort darauf formulieren: Wer sind wir Schweizer? Was macht uns gleich und frei, worauf können wir stolz sein, womit zufrieden, ohne gleichzeitig die Weltoffenheit zu verlieren, ohne uns dauernd abzugrenzen? Aber Antworten darauf formulieren sie kaum, die verschupft aufgestellten Redner, die da irgendwo im Chrachen oder auf einem Nebenschauplatz stehen statt mitten in der Bevölkerung.

Das ist der Fehler: Man will die Feiernden nicht langweilen. Reden? Bah. Und vor viel Volch machen das doch nur Volkstribune wie Christoph Blocher, lasst uns das vermeiden. Und bitte, wie peinlich aber auch: Eine Schweizerfahne. Machen wir doch lieber etwas Neutrales, etwas Lustiges, etwas das ein gutes Gefühl des Unterhaltenseins hinterlässt und dabei niemandes Gefühle durch eine Flagge betupft. Aber bitte, bitte, wer soll denn betupft sein? Die Zuzüger, die selbst am meisten aufdekorieren? Eher die eigenen, die sich für Spuren von Patriotismus schämen, nichts damit anzufangen wissen oder die gesamte Symbolik lieber rechtsnationalen Populisten zur freien Verbiegung überlassen. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass, kommentierten sie das früher: «Dr Fymfer und s Weggli».

Aber, Himmel, jetzt seid doch mal stolz

Wunderschön – aber mit einem prächtigen Feuerwerk allein ist es nicht getan.

Nein, so geht das nicht. Das ist kein würdiges Geburtstagsfest für Helvetia, ob sie nun am 1. August 1291 geboren worden sein soll oder am 12. September 1848, als sie ihre erste Verfassung erhalten hatte. Was wir brauchen, ist nicht noch eine Party, nicht noch mehr urbane Zentrumsbespassung und weltfremd-berglerische Folklorenromantik. Was wir brauchen, ist eine Nation, die sich an diesem einen Tag bei aller politischen, aller alltäglichen Uneinigkeit selbst in die Augen schauen kann. Die sich sagen kann: Wir haben etwas erreicht. Denn mit der richtigen Geschichte braucht sich keiner zu schämen – weder für die Fahne am Balkon, noch dafür, dass sie dafür steht, stolz darauf zu sein, in einer freiheitlichen Gesellschaft leben zu dürfen. Denn Helvetia sind wir, egal ob links oder rechts. Wir, die wir diese Nation bilden, in der wir uns frei bewegen, frei arbeiten, frei äussern und noch wichtiger: an der wir uns frei beteiligen können.

Geben wir also Helvetia die Würde zurück. Geben wir uns selbst die Würde zurück.