1900: Annette Kellermann im Badekleid. Gestern: Saskia im Bikini, am Rheinbord.
1900: Annette Kellermann im Badekleid. Gestern: Saskia im Bikini, am Rheinbord.
  • Christian Platz
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Basler Sonne auf nackter Haut: Die Geschichte einer Branche die boomt, je mehr ihre Produkte schrumpfen.

Jeden warmen Tag strömen Massen, seit übrigens gar nicht allzu vielen Jahren, an den Rhein. So leicht bekleidet wie nur möglich. Früher haben die Leute der feinen Gesellschaft die Sonne um jeden Preis gemieden, den Bach sowieso. Einst verpönt, heute geliebt. Ein echtes Sommermärchen. 

Schönheitsideal bleicher Teint

Lange Röcke, lange Hosen, lange Ärmel, Handschuhe, festes Schuhwerk, auch bei heissesten Sommertemperaturen. Das war im europäischen 19. Jahrhundert völlig normal. Die bessere Gesellschaft tat alles, um die Sonne zu meiden. Ein bleicher Teint galt als Schönheitsideal. Denn es waren die ärmeren Schichten, die Feldarbeiter, alle halt, die unter der Sommersonne schuften mussten, deren Haut braungebrannt war. Leute von Welt hatten bleich zu sein wie Familie Dracula.

Wollstrumpfhosen als Badekleidung

Ähnlich verhielt es sich mit der Bademode. Die Modelle aus dem späten 19. Jahrhundert waren an die damalige Nachtwäsche angelehnt – und zeigten praktisch keine Haut. Badehosen aus Flanell oder Barchent, die an den Knöcheln endeten, darüber für die Dame einen langen Rock, darunter Wollstrumpfhosen, auf dem Kopf eine gewachste Haube, so haben die Badenden damals ausgesehen.

Einteiler betonen Körperformen

Zu Anfang des 20. Jahrhunderts kamen dann einteilige Badeanzüge, die zwar alles züchtig bedeckten, aber die Körperformen nicht versteckten. Vor allem in den USA wurde dies im Gegensatz zum weniger prüden Europa als skandalös empfunden und teilweise verboten. Noch in den 1910er Jahren wurden in Boston und New York Frauen festgenommen, weil sie ihre Strümpfe zum Schwimmen ablegten.

Ronald Reagan als junger Mann

Hosenansatz für Oberschenkel

Im Verlauf der 1920er Jahre wurde die Bademode langsam freizügiger. Doch bis in die 1940er Jahre hinein, trugen sowohl Frauen als auch Männer Einteiler, die den Oberkörper und die Oberschenkel bedeckten. In Nazideutschland gab es ein Gesetz, das einen Hosenansatz für die Oberschenkel verpflichtend zur Vorschrift erhob.

Ein Ingenieur erfindet den Bikini

1946 präsentierte der Franzose Louis Réard, er war gelernter Maschinebauingenieur, in Paris den ersten Bikini. Dieses Kleidungsstück wurde von der damaligen Gesellschaft als hochgradig skandalös empfunden. Es zeige alles, überlasse nichts der Fantasie, so die damalige Meinung. Doch dieses schamlose Kleidungsstück verdrängte in den Fifties langsam den deckenden Einteiler – und bei den Herren setzten sich die Badehose sowie der nackte Oberkörper endgültig durch. Danach dominierten Bikinis die Bademode 30 Jahre lang. Erst um 1980 kamen die Einteiler wieder in Mode, allerdings mit ganz neuen Schnitten, körperbetont, sexy, «Baywatch» lässt grüssen.

Freiheit auf der Strasse

Diese Entwicklungen in Sachen Bademode gingen mit zunehmenden Freiheiten in Sachen Strassenmode einher. Noch in den frühen 1970ern wäre es als Skandal gewertet worden, wenn eine Frau nur im Bikini in einer Migros aufgetaucht wäre. Ein Mann, der - wenn nicht Strassenarbeiter - oben ohne auf der Strasse erschien, hätte der Polizei einen Grund geliefert, ihn genauestens zu überprüfen.  

Pobacken ans Licht

Ende der siebziger Jahre tauchten sodann der Tanga und der String auf, welche die Pobacken ans Licht brachten. An sich sind solche Kleidungsstücke aus afrikanischen Kulturen bereits seit tausenden von Jahren bekannt, in Japan gehören sie zur traditionellen Herrenbademode. In englischen und französischen Nachtclubs und Bordellen des 19. Jahrhunderts trugen die Damen der Nacht diese Stofffetzchen bereits. Noch in den 1970er Jahren gehörten sie – aus gesellschaftlicher Sicht – ins Schlafzimmer oder auf die Stripteasebühne. Doch mit den 1990er Jahren hielten sie in der westlichen Welt Einzug in die allgemeine Schwimm- und Badeszene, auch in unserer Stadt.

Heute geht alles

Und heute? Heute geht alles. Sogar auf der Strasse. Dies hat natürlich auch mit der sogenannten Mediterranisierung des öffentlichen Raumes zu tun, die wir ja an den Rheinufern sehr gut beobachten können. Vor 15 Jahren konnte man am Rheinbord, unterhalb der Wettsteinbrücke, auch im Hochsommer noch in aller Ruhe ein Buch lesen. Heute ist die ganze Strecke im Sommer zu einer Art Badeanstalt geworden, die Menschen und Partys in Massen anlockt.

Zwischendurch für Getränkenachschub schnell im Bikini ins Warenhaus

Knappste Bikinis – Strings, Tangas, Thongs inklusive – sind heute der Normalfall. Auch Damen oben ohne gehören auf der Kleinbasler Rheinseite und dem Birsköpfli seit Jahren nicht zur Pflicht, aber Normalität. Und zwischendurch schnell barfuss im Badekleid ins Warenhaus gehen um Getränke zu kaufen, das ist kein Aufreger mehr. Jetzt warten wir nur noch auf die Nackten vor dem Bierregal im Coop... Gesetzlich wäre dies in Basel übrigens völlig legal. Ein gewisses Alter und Ausweis vorausgesetzt ...wegen dem Alkohol.

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