Forum Basler Taube ©StampFan
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  • Binci Heeb

Blick in die Röhre: Basels vergessene Stadtrohrpost

Die erste Stadtrohrpost der Schweiz wurde im Frühling 1913 in Basel in Betrieb genommen. Sie geht auf das Prinzip des Engländers Josiah Latimer Clark zurück, der bereits 1853 die Idee hatte, Postsachen per Luftdruck zu befördern. Die weltweit erste Stadtrohrpost transportierte Telegramme zwischen dem Londoner Haupttelegrafenamt und der Aktienbörse.

Mit der Basler Anlage sollten 60 Jahre später erste Erfahrungen gesammelt werden. Wie in London, diente sie auch in der Rheinstadt als Verbindung – damals noch mit Bleirohren – zwischen dem Telegrafenamt bei der Hauptpost an der Rüdengasse und der alten Börse am Blumenrain. Bereits im Folgejahr wurde eine zweite Linie in Betrieb genommen. «1961 war Basel wiederum Vorreiterin – als erste Stadt der Schweiz konnte hier die gesamte vollautomatische Rohrpostanlage in Betrieb genommen werden», sagt Heinz Christen, ehemaliger Leiter der Basler Stadtrohrpost, stolz gegenüber barfi.ch. Und fügt an: «Ich denke, dass die von Siemens gebaute Anlage damals gar die weltweit modernste war».

Wie funktionierte es?

Die Fahrrohre wurden parallel zum Bau des IWB-Fernheizungsnetzes in den Strassen von Basel verlegt. Die ersten Rohre hatten einen Durchmesser von 65 Millimetern. Sie wurden 1974 durch PVC-Rohren mit 100 Millimetern Durchmesser ersetzt. Auf kürzeren Strecken und hausintern wurden sie mit Saugluft, also durch ein Vakuum, angetrieben. Auf extralangen Strecken war hingegen ein kombinierter Druck-Saugluftbetrieb notwendig. Dabei erreichten die Rohrpostbüchsen eine Geschwindigkeit von 36 Kilometern in der Stunde. Eine Sendung von der Post am Basler Bahnhof bis zum Telecom-Betriebszentrum in Arlesheim benötigte also gerade einmal eine Viertelstunde. Wenn man bedenkt, dass heute alle Briefsendungen aus unserer Region über das Logistikzentrum Härkingen der Post führen, eine geradezu paradiesische Vorstellung.

Was wurde versandt?

In der Regel konnte alles, was in der Büchse Platz fand, verschickt werden. Meist waren es Telegramme, Eil- und Dienstsendungen, kleine Pakete, Dokumente mit Originalunterschrift sowie Ersatzteile aller Art, etwa Werkzeuge oder Reserve-Autoschlüssel. Damit die Sendungen wohlbehalten am Ziel eintreffen konnten, mussten feste Gegenstände in Luftpolster-Kuverts oder Schaumstoff verpackt sein.

Rohrbombe mit 65mm Durchmesser.

Einbau der Röhren für die Stadtrohrpost auf dem Rialto-Viadukt.

Im Herbst 1981 hatten die PTT alle alten Röhren ersetzt. Auf einer Länge von sage und schreibe 62 Kilometern konnten nun 26 Telecom- und Postgebäude in Basel, wie auch in Allschwil, Binningen, Birsfelden, Münchenstein und Arlesheim erreicht werden. Weitere Rohre wurden in den Gebäuden verlegt, immerhin auf 3.5 Kilometern. Heinz Christen schrieb im Februar 1995, in einem Kurzporträt über «Die Post auf verschlungenen Wegen oder: die Stadtrohrpost»: «Mit der Stadtrohrpost spedieren heisst: umweltfreundlich, schnell, sicher und einfach einen Zug schneller». 

Auch wenn die PTT die Basler Rohrpost noch 1994 ausgebaut hatten, war Ende 1997 Schluss mit lustig. Zu teuer und aufwendig wurde der Unterhalt der Rohre. Seither wurden alle Steuereinheiten, Weichenzentren und Stationen zurückgebaut, nur einige wenige Rohre sind geblieben. Sie dienen heute für Glasfasernetze.

Rohrpost im Basler Universitätsspital

Im Gegensatz zum Felix Platter, dem Bethesda, dem Merian Iselin und den Kantonsspitälern Liestal und Bruderholz, existiert im Universitätsspital Basel (USB) ein hauseigenes Rohrpostsystem bereits seit fast vierzig Jahren. Der Grund für ihre Einführung im Jahr 1979 war, dass im Spital Blut und Gewebeproben rasch ankommen müssen. «Das lässt sich nicht digitalisieren», sagt André Gattlen, Leiter Transporttechnik des USB gegenüber barfi.ch. Das über sieben Kilometer lange Netz verfügt über 100 Stationen und ist an zwei unabhängige Netze angeschlossen. Über 3000 Büchsen sausen täglich durch die Rohre. 

André Gattlen in einem der beiden Rohrpostbahnhöfe im Universitätsspital Basel.

An der Versandstation wird über eine «Weiche» eine Büchse ins Rohr eingeschleust, die je nach Lage bis zu einem Rangierbahnhof (Zentrale) angesaugt oder weggeblasen wird. Je nach Adressat wird sie dort in ein anderes Rohr eingeschleust und schliesslich – wiederum je nach Lage – an die Empfängerstation geblasen oder von dort angesaugt. Dabei ist das zu versendende Gut mit einer Geschwindigkeit von 18 Kilometern in der Stunde unterwegs und kann eine Distanz von 50 Metern bis zu einem Kilometer überwinden.

Zehn Jahre nach ihrer Einführung wurde die Anlage auf grössere Rohrdurchmesser modernisiert und 2003 auf zwei Zentralen erweitert. Vor drei Jahren wurde auch die Steuerung und Software erneuert.

Was wird transportiert?

Die Rohrpost ist für dringende Güter im Einsatz. Dazu gehört Blut, welches zur Analyse ins Labor geschickt wird, Blutkonserven für den OP oder Gewebeproben für die Pathologie- nicht selten während der Operation. Der Hauptadressaten aller Rohrpost-Sendungen sind die Labormedizin und das Blutspendezentrum. Daneben aber auch die Notfallstation und alle Bettenstationen. Da die relativ lauten Gebläse in den Zentralen untergebracht sind, die sich im Keller befinden, ist im übrigen Spital nichts davon zu hören.

Waren es vor 20 Jahren noch Briefe, die mittels Rohrpost verschickt wurden, sind es heute Blut- und Gewebeproben. Gute alte Stadtrohrpost, wir vermissen Dich.