Heiklen Stoff in der Apotheke kaufen? Als Normalsterblicher fast chancenlos. ©Keystone
Heiklen Stoff in der Apotheke kaufen? Als Normalsterblicher fast chancenlos. ©Keystone
  • Andreas Schwald

Bombenbastler-Jagd in Basel: Apotheken äusserst restriktiv

Die Schweizer Bundespolizei fahndet jetzt über die Apotheker nach potenziellen Bombenbastlern. Wer Chemikalien wie Wasserstoffperoxid über den Ladentisch kaufen will, soll künftig umgehend erfasst und verfolgt werden können. Nur: Der Stoff ist jetzt schon kaum mehr erhältlich, die Basler sind extrem restriktiv.

Ein Apartment im dritten Obergeschoss eines Mietshauses. Das Wohnzimmer ist leer, ein Mann steht in der Küche. Es ist kein besonderes Haus, Altbau, auch nicht hässlich, ein altes Arbeiterhaus. Töpfe klappern, irgendwelche Gerätschaften, sanftes Rühren, viel Eis zur Kühlung, der Mann ist vorsichtig zugange. Er kocht auch kein Essen, er mischt hier Sprengstoff für eine Bombe zusammen. Genauer: Für mehrere Bomben. Er vermengt die Zutaten für jene Sprengstoffgürtel, die bei den Attentaten in Paris zum Einsatz kommen sollen. Wir schreiben das Jahr 2015, das Haus steht in der Rue Henri Bergé im belgischen Schaerbeek, und der Mann bedient sich recht einfacher Mittel, um Triacetontriperoxid herzustellen, besser bekannt als APEX. Das Zeug ist verdammt gefährlich. Es braucht nicht viel davon, um eine Sprengwirkung zu erzeugen. Aber es ist auch sehr schlag- und reibungsempfindlich. Ein paar falsche Handgriffe und Wumm. Sehr, sehr hässlich.

Eine wichtige Grundzutat für APEX ist Wasserstoffperoxid. Ziemlich simpler Stoff, wird als Bleichmittel eingesetzt, zur Desinfektion, Wasseraufbereitung. Gegen Schimmel wirkt das Zeug Wunder. Es ist so simpel und flexibel einsetzbar, dass es auch in Apotheken erhältlich ist. Und so simpel, dass es zum Bombenbau gebraucht wird. APEX ist Standard bei Terroristenattentaten, gerade weil die Inhaltsstoffe so einfach aufzutreiben sind. Die Attentäter von Paris im Herbst jenes unsäglichen Jahres 2015 exerzierten genau damit die banale Unmittelbarkeit des Schreckens.

Terrorismus ist omnipräsent in den Köpfen unserer heutigen Gesellschaft. Es geht längst nicht mehr darum, Strommasten in die Luft zu jagen oder einen ganzen Flughafen zu sprengen. Terrorismus findet in der Menge statt, wo bereits verhältnismässig geringe Wirkstoff-Mengen eine verheerende Wirkung entfalten. Es muss nicht mal explosiv sein. Es reicht auch ein Lastwagen, der in einen Weihnachtsmarkt kracht, um ganze Nationen zu erschüttern.

Sofort erfassen, möglichst mit DNA-Spuren

Die Schweizer Bundespolizei Fedpol schreitet daher präventiv zur Tat. Sie mahnte die Schweizer Apothekerinnen und Apotheker per Schreiben, sämtliche Käufe bestimmter Chemikalien zu erfassen und diese Kunden zu registrieren. Gegenstände, die Käufer dieser Stoffe angefasst oder zurückgelassen haben, sollen aufbewahrt werden: DNA-Spuren könnten allfälligen Ermittlungen dienlich sein. 15 Stoffe sind auf der Liste des Fedpol aufgeführt, darunter das berüchtigte Wasserstoffperoxid, und Nitrite, wie sie für so genannte Düngerbomben eingesetzt werden. Das Schreiben des Fedpol wurde übers Wochenende in den Medien bekannt. Erhalten haben es alle Apotheken der Nation.

Nur: Wer die Stoffe auf dem Markt kaufen will, läuft ins Leere. Die meisten Apotheken händigen das Material gar nicht mehr aus, zum Teil, weil sie es auch nicht mehr am Lager haben. Bettina Klupp von der Basler Toppharm-Apotheke am Steinenberg sagt: «Wir haben die Abgabe dieser Stoffe schon vorher verweigert.» Die Apotheke am Steinenberg ist neu, Anfragen für Chemikalien seien noch keine eingetroffen. In der Apotheke, in der Klupp vorher gearbeitet hatte, sei aber bereits klar gewesen: Davon geht nichts einfach so über die Theke. Erst recht nichts Hochprozentiges. Und schon gar nicht unauffällig.

Denn Chemikalien dieser Art sind keine Bestseller – zum Glück nicht –, zumal der Markt an Reinigungsmitteln mittlerweile ausreichend ausgereift ist. Vorbei die Zeiten, als man beim Apotheker seines Vertrauens Material in teils fragwürdigen Mengen beziehen konnte. Vorbei auch die Zeiten, als selbst die Coiffeur-Geschäfte noch mit hochprozentigem Wasserstoffperoxid hantierten. Reinen Stoff benötigt der Laie gar nicht mehr. «Kurz und gut: Die Beschaffung dieser Chemikalien in der Apotheke war für die meisten Menschen vorher schon unmöglich – was sich jetzt vor allem ändert, ist die Meldung ans Fedpol, die wir erstatten werden. Alle anderen Sicherheitsvorkehrungen trafen wir vorher schon», so Klupp.

Riegel schieben – wo aber schon einer ist 

Und wenn es jetzt jemand doch versucht? «In erster Linie verweigern wir die Abgabe schlicht.» Sollte jemand tatsächlich belegen können, dass er die Chemikalie für legale Zwecke benötigt, müsste die Person sämtliche Daten offenbaren und hinterlegen. Aber selbst dann wird es kompliziert. Es folgt Unterweisung, Anleitung – und für jemanden, der nichts von sich preisgeben will, ist das schon heiss genug. Dann kann es gut sein, dass kurz nach dem Kauf die Bundespolizei vor der Türe steht. Das Netz ist engmaschig.

Im Dezember erst verschärfte der Bund die Gesetzeslage für die Beschaffung heikler Stoffe, weil die EU der Schweiz damit bereits voraus war. Die Möglichkeit bestand, dass Kriminelle auf die Schweiz hätten ausweichen wollen, um sich ihre Zutaten hier zu beschaffen. Dem will das Fedpol mit der Massnahme nun den Riegel schieben – denn für diesen Bereich der Sprengstoffe ist nicht die kantonale Polizei zuständig, sondern die Bundespolizei. Dass damit der Bombenbau nicht komplett unterbunden werden kann, ist klar. Aber so kann zumindest der Nachschub an frei verfügbaren Chemikalien abgeklemmt werden. Während die Bundespolizei die Kontrolle fester zurrt, praktizieren die Apotheken schon länger ein strenges Regime. Damit die Bombenkocher gar nicht erst zu ihrem Material kommen.