Willkommen in der zeitgenössischen Messewelt.
Willkommen in der zeitgenössischen Messewelt.
  • Christian Platz
  • Aktualisiert am

Bonjour tristesse: Ist das wirklich die Muba?

Früher war die Mustermesse... Halt, so können und wollen wir nicht mehr anfangen. Die Muba 2018 ist wahrlich eine triste Veranstaltung. Sie wirkt geradezu post-apokalyptisch.

Vornedran die üblichen Stände, Verpflegung vor allem. Das Ensemble wirkt kleiner und (noch ein bisschen) armseliger als letztes Jahr. Mal schauen, was uns drinnen erwartet... Weil wir ein U-Abo haben, müssen wir nur zehn Franken Eintritt bezahlen. Eine nette Geste. Immerhin.

Es ist, wir alle wissen das, enorm schwierig geworden, eine Publikumsmesse für das breitestmögliche Segment zu gestalten. Die Leute kennen alles vom Internet, recherchieren und kaufen alles auf dem Internet – am liebsten billigstmöglich. Deshalb setzt das Messe-Marketing heutzutage auf Erlebnisse, reale Erlebnisse, wie sie in der digitalen Welt nicht stattfinden können, auch bei der Muba. An sich ein vernünftiger Gedanke.

Alles andere als innovativ

Doch auch in Sachen Erlebnisse ist das zeitgenössische Publikum gesättigt, segmentiert, wählerisch, ja verwöhnt. Wir können uns nicht vorstellen, dass die Erlebnisse, welche die Mustermesse 2018 bietet, auf allzu starke Gegenliebe stossen. Es gab Zeiten, da haben sich an der Mustermesse die besten Werber, Gestalter und Standbauer ausgetobt, eine Umgebung geschaffen, die zum Entdecken, zum Verweilen einlud. Dies gelingt heute leider nicht mehr.

An der Muba 2018 kann man drei Tendenzen feststellen, die – zusammengenommen – einen Schluss zulassen: Trostlose Raumgestaltung (I), ideenloser Standbau (II), himmeltraurige Stimmung (III). Daraus ziehen wir dann folgendes Fazit: Hier wird mit einem minimalen Budget gearbeitet – und dies auch noch alles andere als innovativ oder gar liebevoll.

In der nackten Halle

Wir treten also ein. Drinnen fängt es mit noch mehr Verpflegungsständen und Lebensmittelgeschäften an, in einer Atmosphäre, die nicht gerade appetitlich wirkt. Jeder Duty-Free-Shop (sogar der am Euro-Airport) ist dagegen ein glänzendes Einkaufsparadies. Wir fahren mit der Rolltreppe in die Höhe. Dort erwarten uns Möbelläden. Sessel, Essen und Getränke in rauen Mengen werden in einer Atmosphäre ausgestellt, für die sich selbst das billigste Warenhaus schämen dürfte. Die Stände werden halt einfach irgendwie in einer nackten Halle platziert.

Und dies strahlt eben keineswegs jenen modischen, industriellen Charme aus, der gerade so in Mode ist. Sondern in etwa die Trostlosigkeit eines sterbenden Industriegebiets, das am Rande einer unbedeutenden Stadt auf sein Ende wartet. Dagegen wirken die Stammhäuser der Möbelgeschäfte, die hier ausstellen, wie waschechte Kunstmuseen.

«Stadtentdecker» sollen hier fündig werden.

«Stadtgeniesser»

Noch eine Rolltreppe hoch. Nun stehen wir vor einem Dreifach-Tor, das mit Pappschildern verkleidet ist, auf denen die billigste Grafik prangt, welche wir an einer Veranstaltung, die professionell sein will, je gesehen haben.

Darauf steht folgende müde Botschaft: «Ich bin ein Stadtentdecker, ich bin ein Stadtbeobachter, ich bin ein Stadtgeniesser». Ja, das sind wir alles. Lasst uns also diese graue, schäbige Halle verlassen und in die Stadt gehen... Aber dafür sind wir ja nicht hierher gekommen. Deshalb treten wir trotzdem ein.

Wie auf der Baustelle

In der Halle sieht es aus wie auf einer Baustelle. Billige Kartonwände, Metallgerüste, Pressspanplatten. Wollen uns die Macher diskret darauf hinweisen, dass es in Basel manchmal zu viele Baustellen hat? Wir treffen viele Bekannte, die in der Innerstadt schöne Läden haben. Hier stehen sie an schäbigen Ständen, haben wenige (eher unspektakuläre) Produkte mitgebracht, verkaufen kaum etwas – und zahlen (immerhin) niedere Mieten.

Wir unterhalten uns mit einigen von ihnen. Lohnt sich der Auftritt hier? Standardantwort: «Ich weiss nicht so recht. Es ist langweilig. Am Freitag hatte es viele Leute. Aber verkauft haben wir wenig». Nächste Frage: Darf ich Sie mit dieser Aussage namentlich zitieren. Standardantwort: «Lieber nicht». 

Wildschweine müssen gejagt werden.

Käse und billiges Landjägergewürz

Wer hier den Geniesser machen will, muss wahrlich eine masochistische Ader haben. Wenn jemand nach erfolgtem Weltuntergang eine Messe durchführen würde, ja, dann könnte sie so aussehen.

Also schnell raus, ins anliegende Hallensegment. Vor den drei «Stadtentdecker»-Toren gibt es wieder Lebensmittel, es riecht nach Käse und billigstem Landjäger-Wurstgewürz. Einige ausgestopfte Wildschweine und Füchse starren uns an, aus toten Glasaugen, sie machen Werbung für die Jagd im Baselbiet. Mit einem Stand, an dem es von Pelzen nur so wimmelt. Wirklich enorm zeitgemäss! 

Die Trostlosigkeit unserer Epoche

Und die Erlebnisse? Die sind dünn gesät. Irgendwo kann man, wenn man dafür bezahlt, einen Stuhl zusammensetzen. Dann gibt es ein bisschen computergenerierte künstliche Realität, die von jedem Fahrgeschäft an der Herbstmesse mühelos übertrumpft wird.

Die ganze Umgebung ist derart unattraktiv gestaltet, dass die Produkte dann halt ebenso unattraktiv wirken. Das Ganze sieht wie moderne Installationskunst aus, die sich – anklagend – der Trostlosigkeit unserer Epoche widmet.

Kein Programm angeschrieben

Nun sind wir wieder im Erdgeschoss. Dort machen immerhin mehrere unserer städtischen Dienstleister (Polizei, Sänität, Drämmli usw.) ein bisschen auf Action, die einige Kinder unterhält. Vielen Dank dafür!

Im Rundhof steht eine leere Bühne, kein Programm ist angeschrieben. Ringier betreibt ein Mini-Café, wenn man denkt, wie die früher hier aufgetreten sind, mit mächtigen, innovativen Messebauten, überfällt einem direkt (ein bisschen) die Nostalgie...

Den Rundhof gibt es auch noch.

Den Rundhof gibt es auch noch.

Eintritt fürs Einkaufen

Fazit – das Muba-Erlebnis 2018 lässt sich folgendermassen beschreiben: Es ist, als würde die Ikea in Pratteln oder die Manor an der Greifengasse von ihren Kunden Eintritt fürs Einkaufen verlangen; es ist, als gäbe es keine Messebauprofis mehr. Ein Phänomen wird überdeutlich spürbar, auf den Punkt genau sogar: Der Niedergang der grossen Kundenmessen. – Vielleicht soll das ja auch die Botschaft der ganzen Veranstaltung sein.

Mal schauen, ob die Geschichte der Mustermesse nächstes Jahr überhaupt noch weitergeht. Wir beschliessen diesen traurigen Text mit einem Zitat aus einem Märchen, das Sie alle kennen. Plötzlich sagt ein Kind: «Der Kaiser ist ja nackt»!

Weitere Basler Geschichten
Zurück zur Startseite