Süss wie eine Rose, dazu knusprig und voller Puderzucker: Das traditionelle Rosekiechli. ©barfi
Süss wie eine Rose, dazu knusprig und voller Puderzucker: Das traditionelle Rosekiechli. ©barfi
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Das Rosekiechli, unser Mäss-Stolz: Einst ein Schwoob, heute ein echter Basler

Es riecht so süss, schmeckt so knusprig, frisch frittiert: Das Rosekiechli ist das geheime Wahrzeichen unserer Messe. Doch langsam sterben die Anbieter aus – schade, denn der ursprüngliche Schwoob ist zu einem echten Basler geworden.

Tante Hildy war am Petersplatz stets kaum zu halten. Obwohl schon Ende Siebzig und mit Rollator bewehrt, drückte sie sich für eine gesittete ältere Dame ziemlich rücksichtslos zu den Fressständen durch. Da war ihr ziemlich egal, was die anderen denken mochten, wenn die zierliche Frau ihr wuchtiges Gerät über die Zehen der Passanten schob: Das hier war ihr Himmel. Im Glepfer-, Käs- und vor allem: Rosekiechli-Himmel. 

Heute ruht Tante Hildy in Frieden, während der Kiechli-Mann dort ganz unten am Petersgraben gerade die gusseiserne Backform in die Fritteuse taucht. Frisch sind sie, tatsächlich, noch schön fettig, und wenn man sie mundgerecht zerbricht, streut man den Puderzucker über Schal und Mantel. Viele Stände mit dem Gebäck gibt es nicht mehr, die meisten bieten Magenbrot, Mässmogge und andere Zuckerwaren an. Das Rosekiechli kann sich gerade noch leidlich wacker halten. Denn wie schon Tante Hildy sagte, während sie mit den Dritten darauf herumkaute: «Waisch, sisch efach kai Herbschtmäss ohni es Rosekiechli. Aber das verstöhn die Junge halt nümm und die Usswärtige sowieso nit.» Sprachs und schob die letzten Breesmeli zwischen die zitternden Lippen, wie all die Jahre zuvor. Es sollte ihr letztes sein, an jenem kalten, bisigen Mittwochabend an der Herbstmesse. Zwei Wochen später erwachte sie dann im richtigen Himmel.

Was für ein Privileg dieser Stadt

Alles Handarbeit am Petersgraben-Stand von «Wacker & Schwob»: Das Frischgebäck in Form einer Rose.

Das Rosekiechli ist das geheime Wahrzeichen der Herbstmesse. Riesenräder, Achterbahnen kommen und gehen. Das Kiechli blieb. Dabei ist es eigentlich gar kein Basler. Und mit Rosen hat es, abgesehen vom Aussehen, auch nichts zu tun. Das Rosekiechli ist nämlich «e Schwoob», ein richtiges Schwabengebäck der süddeutschen Küche, geformt aus süssestem Eierteig, schwimmend gebacken, am besten frisch genossen.

Vor einigen hundert Jahren kamen sie nach Basel. Süddeutsche Bäckersleute boten die Küchlein an der Herbstmesse feil. Ja, die Händler kamen von nah, aber auch von ziemlich fern: Denn die Herbstmesse war schon immer eine Sensation. Für eine Stadt wie Basel war es ein ganz besonderes Privileg, den Jahrmarkt abhalten zu dürfen. Entsprechend lange liess sich der Kaiser Friedrich III. bitten, bis er die Erlaubnis erteilte. 1471 war es so weit. Am 27. Oktober wurde die erste Herbschtmäss abgehalten.

Traditionsgebäck nicht nur für rempelnde Tanten

Zum Reinbeissen knusprig und günstiger als eine Wurst: Rosekiechli in der Auslage.

In den Jahren danach wurde d' Mäss zu einem wirtschaftlichen Pfeiler der ganzen spätmittelalterlichen Region. Was heute Familienbespassung, Fressfest und wilde Bahnen bedeutet, stand damals für einträglichen Handel mit allerhand Waren, Gewürzen, Gebäck. Kein Wunder brachten die Süddeutschen das Rosekiechli nach Basel, wo es besonders warm empfangen wurde. Das Süssgebäck wurde derart beliebt, dass im vergangenen Jahrhundert seine Wurzeln gänzlich verblassten. Es wurde eingebaslert, zu einem Bürger dieser bunten Herbschtmäss-Stadt, und zwar so sehr, dass es mittlerweile auch von Touristikern als Einmaligkeit der Herbschtmäss angepriesen wird. Denn im Gegensatz zur Faschtewaije oder zum Fasnachtskiechli kann man es sonst kaum irgendwo kaufen. Was Tante Hildy schon wusste: Ein Wahrzeichen ist ein Wahrzeichen und gehört nicht vom Grosshandel saisonal – oder noch schlimmer: ganzjährig – ausgeschlachtet.

Wer heute über den Petersgraben schlendert – oder sich wie die gute Tante selig durch die Druggedde rempelt –, der atmet immer noch den Duft dieser historischen Köstlichkeit ein, die uns an die Wurzeln der Herbstmesse erinnert. Nämlich an einen der wichtigsten Dreh- und Angelpunkte für die Wirtschaft jener Zeit, der uns nicht nur Wohlstand, sondern auch kulinarische Wahrzeichen bescherte. So wurde das Läggerli zu einer Spezialität der Stadt am Rheinknie, und so erging es dem Rosekiechli. Es gehört zur Mäss wie die Mäss zu Basel gehört. Ein süsser Duft der sich im Herbst über die Seele der Städter legt, eben genau so wie der Puderzucker, der beim Kiechli-Brechen Schal, Mantel und gegebenenfalls eben den Rollator alter, geniesserischer Tanten ziert.

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