Bild: barfi.ch
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  • Jonas Egli
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Das ganze Jahr geschenkt: Die Basler «Gratis zum Mitnehmen»-Kultur hat endlich ihr erstes Denkmal

Wer kennt sie nicht, die Kartonschachteln am Strassenrand mit dem Zettel: «Gratis zum Mitnehmen!» Wie nett! Vieles ist bloss Schrott, manchmal sind aber wahre Schätze dabei. Die Basler Kultur des Gebens ist eine der schönsten, kaum beachteten Traditionen.

Die Lieblings-Tradition der Basler ist zum gut funktionierenden System angewachsen. Die «Gratis zum Mitnehmen»-Zettel schmücken in jedem Basler Quartier ein paar meist mediokre Waren, von denen man sich trennen will. Wer Nächstenliebe praktiziert oder einfach zu faul für den Sperrmüll ist, kann den ungeliebten Dingen ein neues Leben schenken. Selbst die kuriosesten Dinge finden in Kürze Interessenten.

Stillleben: Friteuse im Schnee. Und das gratis! Bild: Instagram via imgwonders.com

Bücher aus dem vor Jahren beendeten Studium? Ein noch intaktes, aber nicht mehr in die inzwischen gesteigerten funktionalen oder ästhetischen Ansprüche zu passendes Regal? Ein Sofa gar oder ein ganzer Lattenrost? Das meiste verschwindet in wenigen Stunden an unbekannte, dankende Abnehmer.

Einmalig baslerische Kultur der Wiederverwertung 

Jetzt hat diese Basler Kultur ein erstes Denkmal erhalten: Den Instagram-Kanal #gratiszummitnehmen. Eine stattliche Sammlung und Würdigung der Waren, die ihren Weg auf die Mauern und Treppenstufen vor Hauseingängen finden. Es sind unzählige kleine Dokumente einer in dieser Form einzigartigen Wiederverwertungskultur zwischen Altruismus, Bequemlichkeit und Sitte.

So wird's gemacht. Bild: Instagram via imgwonders.com

 

Ein unrepräsentativer, aber dennoch lustiger Test ergab: Es gibt kaum Grenzen für Schenkwillige. Selbst ein (frisches) Stück Pizza war in wenigen Minuten verschwunden, als extremstes Beispiel. Oder ein Buch über die Zucht von Seepferdchen. Ein Bleistiftportrait des Schenkers ging ebenso weg: Es dauerte keine fünf Minuten, dann kreiste ein Interessierter um die Schachtel, argwöhnte, überlegte sichtbar angestrengt, ging weiter, kehrte zurück, nahm das Bild dann doch und verschwand mit der Beute um die Ecke.

Die ganze Strasse ist ein Gratis-Flohmarkt

Doch nicht nur obskure Seltenheiten wechseln einfach den Besitzer, gewisse Dinge sind sozusagen die Klassiker des «Gratiszummitnehmen»: Die Ikeamöbel Billy und Expedit, jede Art von Beistelltischen oder Bücher und, vor allem, Geschirr. Sehr viel Geschirr. Fahrradteile sind ebenso oft zu finden. Und darunter befinden sich gelegentlich wahre Schätze; manche der Dinge würden auf einem Flohmarkt bestimmt stattliche Preise erzielen. 

Da würden sich einigen Brocki-Jäger die Finger abschlecken. Und ordentlich was hinlegen. Auf der Strasse gibt's sowas gratis. Bild: Instagram vis imgwonders.com

Doch lieber stellt man hier die Sachen erstmal auf die Strasse, bevor man einen Flohmarktstand mietet. Meist mit Erfolg. Mit einer einzigen Fahrt durch Basel könnte man eine ganze Wohnung komplett ausstatten. und wer hat nicht schon einen Anruf von jemandem erhalten, der Wache stand vor einem eben entdeckten, begehrten Objekt, und um tatkräftige Hilfe bat, das schwere Möbel mit vereinten Kräften in das neue Zuhause zu schleppen. Die Freude über so einen Fund ist jeweils gross. Und das alles für lau.

Vom dankbaren Nachbarn zur Brocante im Elsass

Bei einem kürzlichen Umzug haben wir, die Zügelhelfer, bei der Fahrt durch das St. Johann die neue Wohnung gleich um ein paar fehlende Teile ergänzen können. Ein Fahrradständer, ein hübscher, antiker Stuhl und das fehlende Kabel zum Drucker. Voilà.

Danke, aber nein, danke. Bild: Instagram via imgwonders.com

Manche Dinge sind zum Verschenken auch gänzlich ungeeignet: Eine alte, fleckige Matraze ist kaum an den Mann zu bringen. Einige Spielverderber stellen offentlichlichen Müll auf die Strasse, um sich die Entsorgung zu sparen. Die vorbildlichsten sind wohl jene, die gleich den Sperrgutkleber mit draufgeben, für alle Fälle. Hin und wieder kann man beobachten, dass sich die Schatzsuche professionalisiert hat. Lieferwagen fahren durch das Quartier, die Schätze tauchen später etwa in einem Elsässer Brockenhaus wieder auf. Ob das fair ist, bleibt offen. Besser als wegwerfen ist es aber allemal.

Weitere Titelgeschichten unter News Basel. 

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