Aussicht vom 60-Meter-Haus der Novartis im Klybeck. Bilder A. Schwald
Aussicht vom 60-Meter-Haus der Novartis im Klybeck. Bilder A. Schwald
  • Andreas Schwald
  • Aktualisiert am

Das ist Basels Zukunft: Die neue Stadt im Norden unserer Stadt

Im Norden liegt unsere Zukunft. Hier entsteht das neue Basel, vor allem mit dem Riesenprojekt Klybeck Plus. 300'000 Quadratmeter Industrieareal der werden ein neues Quartier. Das ist für die enge Stadt Basel von grosser Wichtigkeit – und für die Planer eine gigantische Herausforderung.

Die Fläche ist für Basler Verhältnisse gewaltig. 300'000 Quadratmeter im Norden der Stadt dürfen praktisch neu gebaut werden. Das ist aber keine grüne Wiese, denn davon ist in Basel kaum mehr ein einziges Fitzelchen geblieben. Nein: Es ist die Wiege der Basler Chemie, das Klybeck-Areal, wo einst die Ciba als Farbenherstellerin ihre ersten grossen Schritte übernahm.

Jetzt hat das Gelände seine Schuldigkeit für die Chemie getan. Längst sind andere Standorte attraktiver und geeigneter für die Produktion, was in Basel bleibt, zieht sich auf den Campus von Novartis und ähnliche Areale zurück. Und so wird frei, was der Kanton Basel-Stadt mit Handkuss entgegennimmt: Eine Fläche von mehr als 40 Fussballfeldern, die mit Wohnen und Gewerbe überbaut werden kann. In der von Platznot geprägten Stadt ein Glücksfall.

Brutal romantische Backsteinwelten

Staunende Journalisten in der Wiege der Basler Chemie.

Wo heute ganze Backsteinwelten von alten Fabrikgebäuden bereits leer stehen, wo sich die Chemie allein im vergangenen Jahrzehnt zurückzuziehen begann, soll also ein neues Areal entstehen. Klybeck Plus heisst der Plan jetzt noch etwas unpoetisch, ja, technisch. Aber über Namen lässt sich streiten, im Gegensatz zum Bedarf den die Stadt an Landflächen hat.

Und die Verantwortlichen setzen alles daran, dass das Projekt vorankommt. Grundeigentümer sind Novartis und BASF, der Kanton plant, schützt und hat sich eine erste Parzelle von 50'000 Quadratmetern als Planungsfläche gesichert. Der Rest? Man wird sehen. Novartis will erst einmal die rechtlichen und politischen Voraussetzungen für den Landverkauf schaffen, wie Projektleiter Markus Oser heute Donnerstag an einer Führung für die Medien sagte. Dasselbe macht die BASF.

Das Hochhaus ist der Gipfel

Das alte Basel und im Rücken das neue Basel. Blick vom Hochhaus.

Die Führung bezweckte, was die Verantwortlichen auch mit dem Planungsprozess bezwecken: Die Bevölkerung in den Prozess integrieren. Eine ähnliche Führung gab es bereits für Quartierbewohner. Und die Stadtentwickler haben aus Fehlern der Vergangenheit gelernt: Bei Klybeck Plus wird jeder einzelner Planungsschritt mit den Einwohnern besprochen. Kein Wunder: Ein Projekt dieser Grösse soll nicht durch Befindlichkeitsstörungen von Anwohnern gebremst werden.

Die Welten – man mag angesichts der baulichen Dimensionen nicht von Ecken sprechen – entlang der Klybeckstrasse und der Mauerstrasse sind eindrücklich. Da stehen etwa noch die Backsteinhäuser mit Giebelbauten aus den Anfangszeiten der Basler Chemie, vor über 100 Jahren. Und dann steht da auch ein Stück Industriebaugeschichte mit dem Hochhaus von Novartis als Gipfel: In den 1960er-Jahren vom einstmals grossen Büro «Suter + Suter» gebaut und mit nach heutigen Massstäben gemessen direkt schon historischen Ansichten.

Hier wird geschützt, aber nicht zwischengenutzt

Aussen eindrückliche Fassade, innen schon leer.

Was da alles unter Schutz gestellt wird und nicht, ist jetzt in Prüfung. Die Denkmalpflege mischt auf dem Areal ebenso mit wie die aktuellen Eigentümer, schliesslich ist das Areal ein Flickwerk aus bereits verbauten und intakten Leitungen, unterirdischen Schächten, grossen und wuchtigen Bauten. Alles abreissen und komplett neu aufbauen steht definitiv nicht zur Debatte; das hätte man vor 50 Jahren noch gemacht. Heute ist das ein Unding.

Also betonten die Verantwortlichen stets die Komplexität des Vorhabens, die Herausforderung, eine jetzt schon dicht bebaute Fläche neu zu bebauen. Es ist ein Puzzle und so lange dauert der Prozess auch: Es wird Jahrzehnte brauchen, bis sich dort der neue Stadtteil von Basel manifestiert. Zwischennutzungen gibt es allerdings keine; da stehen Sicherheitsauflagen und Konflikte mit dem immer noch laufenden Betrieb im Weg.

Das ist wirklich, wirklich gross

Kamin-Skyline bei der Energiezentrale der Industrie.

So liegt die Betonung auf Zukunft, die Zukunft von Basel. Sie liegt im Norden der Stadt, direkt an der Grenze zu Deutschland und Frankreich. Hier entwickelt sich das Hafenareal, hier wird Klybeck Plus geplant und wie Novartis-Projektleiter Oser sagte: Bei Vollausbau ist allein auf dem Areal mit 20 bis 25 Schulklassen zu rechnen. Das ist gross.

Für Kantonsbaumeister Beat Aeberhard ist klar: «Das Projekt hat nationalen Modellcharakter.» In anderen Worten: Die Schweiz wird sich davon eine Scheibe abschneiden können. Verdichtung ist im Trend, wo die Industrie nicht mehr sein will, darf die Bevölkerung wohnen gehen. Das bringe die gesamte Palette an Herausforderungen mit sich, sagte Aeberhard. Von Altlastensanierung über historische Bauten bis zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit solcher Areale sei alles dabei. 

Im Juni gehts schon weiter

Interieur im stillgelegten Industriewerk von Huntsman.

So weit das Projekt in der Zukunft liegt, so nah sind die nächsten Termine. Am 17. Juni werden der Bevölkerung erstmals die Pläne aus der aktuellen Testplanungsphase vorgestellt. Auch hier gilt: Mitwirkung. Dann werden Kanton, Novartis und BASF konkreter zeigen, wie und was sie sich unter der Klybeck-Entwicklung vorstellen. Zum Beispiel eine Verlängerung der Mauerstrasse an den Rhein. Oder an historische Substanzen angepasste Baulinien.

Und damit wird auf dem Gebiet weiterhin geforscht. Einfach nicht in der chemischen Industrie und mit Farbstoffen hat das nichts mehr zu tun. Die Forschung findet in der Stadtentwicklung statt: Wie schaffen wir es, aus bestehender Stadt eine komplett neue Stadt zu machen – und das ohne die alte Stadt zu vernichten?

Das Projekt wird sich an der Realität messen müssen, wie Moderator Roger Ehret am Mittwoch sagte. Ebenso wird der Quartiername und die Realisierbarkeit dieses Grossprojekts. Zu lange fackeln wollen die aktuellen Landbesitzer jedenfalls nicht. Die Fläche dürfte nach Abschluss aller politischen und zonenrechtlicher Fragen bald schon zu kaufen sein. Ob es der Kanton allein sein wird, der kauft, ist allerdings offen. 300'000 Quadratmeter Fläche sind eben doch eine ziemliche Stange Geld – auch wenn sie im ohnehin schon reichen Portfolio des Kantons gut aufgehoben wären.

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