Ägyptische Hieroglyphen im Louvre Paris. ©Guillaume Blanchard/commons.wikimedia.org
Ägyptische Hieroglyphen im Louvre Paris. ©Guillaume Blanchard/commons.wikimedia.org
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Das ist Leichte Sprache. Sie kommt in den Museen von Basel nicht vor.

Informationen sind in unserem Zeitalter das höchste Gut. Sie werden aber weitgehend durch Texte vermittelt. Damit sind sie für Menschen mit kognitiven Schwierigkeiten immer noch ein Buch mit sieben Siegeln. Um diese Hürde abzubauen, gibt es das Konzept der Leichten Sprache – doch ausgerechnet in der Museumsstadt Basel wird es noch nicht umgesetzt.

Das ist Leichte Sprache.

Leichte Sprache ist besonders verständlich.

Sie ist gut zum Lesen.

Es gibt nur einfache Sätze.

Die Sätze sind kurz.

Jeder muss Leichte Sprache verstehen.

Denn Leichte Sprache ist für Leute mit Lern-Schwierigkeiten.

Das ist Leichte Sprache: Eine Ausdrucksweise, die es Menschen mit Leseschwäche oder mit Lernschwierigkeiten erleichtert, einen Text zu verstehen. Leichte Sprache klingt ziemlich banal, weil sie nur aus Hauptsätzen besteht. Es gibt also nur ein Informationshäppchen nach dem andern. Wer liest, konsumiert in Leichter Sprache also keine leckere Rüeblisuppe. Sondern zuerst das Rüebli, dann das Wasser, die Zwiebeln und den Peterli. Alles einzeln, schön nacheinander. Wenn Sie den nachfolgenden Text lesen und verstehen können, geht es Ihnen gut: Sie gehören somit zu den 90 Prozent der Schweizer Bevölkerung, die kein Problem mit einfacher Sprache haben.

Falls Sie nur die paar Einleitungszeilen lesen und verstehen konnten, gehören Sie zu den übrigen 10 Prozent: Den 800'000 Menschen zwischen 16 und 65 Jahren, die nicht in der Lage sind einfache Texte zu verstehen. Die Daten basieren auf einer von der OECD durchgeführten Studie aus dem Jahr 2003, für die Schweiz wurden sie 2006 vom Bundesamt für Statistik aufbereitet. Aber seien wir ehrlich: Falls Sie tatsächlich zu den 10 betroffenen Prozent gehören, haben Sie es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mal bis hierher geschafft. Diese Schwäche ist im Informationszeitalter brutal.

Einfach ja, aber leicht? Basler Museen noch zurückhaltend

Behindertengerechte Informationen betreffen vor allem öffentliche Institutionen wie Museen. Dort begleiten erläuternde Texte die Ausstellungsexponate. Wissensvermittlung steht im Museum an erster Stelle. In Deutschland haben sich einige Museen – darunter auch das Deutsche Historische Museum in Berlin – dem Problem angenommen. Sie bieten Texttafeln in «Leichter Sprache» an. Man beschäftigt dafür sogar eine eigene Übersetzerin, wie der Tages-Anzeiger vergangene Woche berichtete. In der Schweiz bietet einzig das Zentrum Paul Klee Texte in «Leichter Sprache» an.

In der Museumsstadt Basel hingegen Fehlanzeige. So unterschiedlich unsere Häuser sind, eines haben sie gemein: Auf die Richtlinien für «Leichte Sprache» verzichten sie alle. Dafür besteht ein mehr oder weniger grosses Angebot für Menschen mit anderen Behinderungen.

«In der Kunsthalle Basel werden alle Ausstellungstexte und sämtliche Kommunikationsmittel fortlaufend optimiert», wie Claudio Vogt, Head of Press and Public Programs, bestätigt. Vogt weist weiter darauf hin, dass es gerade im Umgang mit zeitgenössischer Kunst wichtig sei, Schwellen abzubauen. Damit seien aber nicht nur Menschen mit speziellen Bedürfnissen gemeint, sondern ganz allgemein die Bevölkerung. Sämtliche Texte bietet die Kunsthalle in Deutsch und Englisch und in einigen Fällen auch in Französisch an. Das Projekt «Kunsthalle ohne Schwellen» wurde 2010 für seine Workshopreihe mit dem Museumsstern ausgezeichnet. Das ist der Preis der Stadt Basel für Institutionen, die sich aktiv für die besonderen Bedürfnisse behinderter und betagter Menschen einsetzen und sie kreativ miteinbeziehen.

Die Texte in den Ausstellungen des Historischen Museums sind generell sprachlich gut verständlich. Es sind kurze Texte, wenig Nebensätze, einfachen Satzkonstruktione. Aktive Formulierungen kommen vor Passivkonstruktionen, die Autoren vermeiden Fremdwörter. «Unter die Rubrik ‹Leichte Sprache› fällt das jedoch nicht», wie Gudrun Piller, Leiterin Ausstellungen und Vermittlung, sagt. Alle Texte würden auf gute Verständlichkeit gegengelesen, um möglichst viele Leute anzusprechen. Hinzu kommen regelmässige Angebote für Blinde und sehbehinderte Menschen inklusive Projektbegleitung durch eine blinde Person – oder Veranstaltungen für taube Menschen. Soweit es die historischen Gebäude zulassen, ist rollstuhlgängigkeit gewährleistet. Angeboten und laufend verbessert würden laut Piller ferner Veranstaltungen für Gruppen mit speziellen Bedürfnissen, auch für Menschen mit geistigen Behinderungen.

«Die Fondation Beyeler in Riehen bietet ein- bis zweimal pro Ausstellung öffentliche Führungen für hör- und sehbehinderte Menschen an. Private Führungen gibt es für Taub-Blinde, Demenzkranke und geistig Behinderte sowie einen Workshop für geistig Behinderte», sagt Elena DelCarlo, Head of Communications gegenüber barfi.ch. Das moderne Gebäude ist zudem durchgehend rollstuhlgängig.

Dem Basler Kunstmuseum sei der einfache Zugang zur Kunst für Menschen mit Behinderungen und Einschränkungen ein wichtiges Anliegen, so Michael Mathis, Verantwortlicher Kommunikation. Alle drei Museumsgebäude sind rollstuhlgängig. Spezifische Dienstleistungen für Menschen mit kognitiven Einschränkungen werden jedoch nicht angeboten. Im Rahmen grosser Sonderausstellungen gibt es Führungen für Blinde und Sehbehinderte und im Bereich der Kunstvermittlung vertritt das Museum eine Haltung des Miteinbezugs. Die Besucherinnen und Besucher mit Einschränkungen oder Behinderungen werden zusammen mit Besucherinnen und Besuchern ohne Beschwerden angesprochen. Mit Audio-Guides, verschiedenen Führungsformaten, offenen Ateliers und Workshops soll der Zugang zur Kunst für alle erleichtert werden. 

Das Museum Tinguely ist rollstuhlgängig und sogar Blindenhunde sind dort erlaubt. Auf Wunsch werden Gebärdendolmetscher vermittelt. Zudem kann ein vom Eisenplastiker Jean-Mark Gaillard gefertigtes Modell des Museums Tinguely im Massstab 1:85 durch Berührung erlebt werden. Es ist unmittelbar neben dem Museumseingang dauerhaft montiert. In Zusammenarbeit mit «Procap Schweiz» für Menschen mit Behinderung wird der Weg zum Museum in einfachen Worten beschrieben. Allerdings seien keine Schrifttafeln in «Leichter Sprache» im Museum vorhanden, wie Vize-Direktor Andres Pardey gegenüber barfi.ch sagt.

Museumsmodell Museum Tinguely. ©Museum Tinguely

Im Naturhistorischen Museum wurde die Diskussion um einfache Sprache oder deren Steigerungsform «Leichte Sprache» bereits geführt, wie Edi Stöckli sagt. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Ansprechperson für Menschen mit einer Behinderung. Die Texte in den Ausstellungen sollen ein sehr breites Zielpublikum ansprechen, sowohl bezüglich Alter als auch hinsichtlich Abbildung. Auch seien die Informationen in verschiedene Ebenen gegliedert, immer mit der Absicht, dass die Sachverhalte leicht verständlich beschrieben würden. Dazu gehören auch angepasste Schriftgrössen und Kontraste. Für Besuchergruppen mit Sinnesbehinderungen oder kognitiven Einschränkungen würden spezielle Anlässe im Rahmen von Sonderausstellungen und Dauerausstellungen veranstaltet. Nebst einem spezifischen Angebot für Menschen mit Seh-, Hör- und geistigen Behinderungen, gibt es Treppenlifte. In Sonder- und Dauerausstellungen zudem auch Handouts in Grossschrift für Menschen mit einer Sehschwäche und «Bitte berühren!»-Stationen, wo Sehbehinderte Präparate und Objekte taktil erleben können.

Der Fokus der Basler Museen liegt also vor allem darauf, körperlich behinderten Menschen den Zugang zum Gebäude und den Informationen zu erleichtern. So will es auch das Behindertengleichstellungsgesetz der Schweiz. Menschen mit rein kognitiver Behinderung werden zwar auch angesprochen, aber vorwiegend in einfacher Sprache. Und die unterscheidet sich immer noch wesentlich von Leichter Sprache. Denn letzere untersteht einem klaren Regelwerk, um das sich seit zehn Jahren in Deutschland ein eigener Verein kümmert. Noch fehlen in Basel also Schrifttafeln in Leichter Sprache, wie sie Bern oder Berlin bereits kennen. Immerhin sind unsere Museen sichtlich bemüht allen Menschen, ob mit oder ohne Behinderung, etwas zu bieten. Schliesslich sind sie auch dazu verpflichtet.

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