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Der kriminellste Kanton ist gar nicht so kriminell: In Basel werden vor allem Velos geklaut

Für ein böses Erwachen sorgte heute früh die Basler Zeitung, die Basel zum kriminellsten Kanton der Schweiz hochschrieb. Allerdings hat die Lokalzeitung die Zahlen verwechselt. Bei der Präsentation der Kriminalstatistik 2016 bei der Staatsanwaltschaft mussten die Verantwortlichen dennoch eine leichte Zunahme der Kriminalität eingestehen.

«So eine Schlagzeile macht natürlich keine Freude», sagt der Chef der Basler Kriminalpolizei, Beat Voser zum Plakat der Basler Zeitung. Die BaZ verkündete, dass Basel der «kriminellste Kanton der Schweiz» sei. Vor rund einem Dutzend Journalisten im Waaghof fiel allerdings das Wort «Zunahme» bei der Präsentation der Kriminalstatistik einige Male. Der erste Staatsanwalt Alberto Fabbri betont, zwar begrüsse man den Vergleich der Kriminalität, den das Bundesamt für Statistik in Neuchâtel ermögliche. Allerdings erachte man in Basel einen Vergleich über fünf Jahre als viel sinnvoller. Auch Beat Voser weist daraufhin, dass ein Vergleich mit anderen Städten nur bedingt sinnvoll sei. So lägen etwa Zürich und Bern ja nicht an der Grenze. Am ehesten dränge sich eine Gegenüberstellung mit Genf auf, da die Stadt auch an der Grenze liege. Und letztes Jahr sei ja die Rhone-Stadt an der Spitze gelegen. Während 2016 die angezeigten Delikte um ein Prozent im Kanton Basel-Stadt zugenommen hätten, dürfe man nicht vergessen, dass in den letzten drei Jahren immer eine Abnahme habe verzeichnet werden können. Dennoch stellt Voser klar: «Wir wollen besser werden.» So kriminell wie die BaZ schreibt ist Basel am Ende sowieso nicht.

Zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens

110,1 Gewaltstraftaten pro 1'000 Einwohner meldete die Basler Zeitung und stellte liebevoll eine Grafik dazu. In Wirklichkeit weist die Statistik für das vergangene Jahr 13,1 Gewaltstraftaten aus. Die Zahl 110,1 bezieht sich auf alle Straftaten, also eben den Veloklau. Im Vergleich zum Jahr 2015 mit 2'465 Straftaten haben die Gewaltstraftaten mit neu 2'515 zwar etwas zugenommen. Fabbri und Voser schätzen diese Zunahme «als leichte Schwankung» ein. Beat Voser bringt immer wieder das Wort «Spassgesellschaft» ins Spiel. Er erzählt vom Agglozug, der voll mit schon «betrunkenen» Jugendlichen auf dem Weg nach Basel fahre, die dann ihr Vergnügen suchen würden. «Was zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens passiert, ist oft schwer nachzuvollziehen und es hat immer mit Drogen zu tun.» Es sei die Zentrumsfunktion von Basel, die sich negativ auf die Statistik auswirke.

Kriminell oder am kriminellsten?

Die Unterschiede zur nationalen Statistik erklärt Beat Voser damit, dass in Neuchâtel die Gemeinde Riehen nicht einberechnet würde. Darum könnten die Zahlen variieren, respektive seien eben die Prozentzahlen beim Bund höher, erklärt Beat Voser. Was die Gewalt in der Stadt angeht, so hat es im vergangenen Jahr sechs Prozent weniger gegeben. Es habe keine Tötung gegeben und nur acht versuchte Tötungen. «Wir dürfen also sagen, die schlimmen Delikte nehmen ab.» Und schon sind wir wieder in den frühen Morgenstunden. Hier haben die «schweren» Körperverletzungen um 258 Prozent zugenommen. In absoluten Zahlen sind es 43 Delikte 2016. Voser berichtet von einer Schlägerei, bei der Täter dem Opfer eine Flasche ins Genick geschlagen haben. Voser sagt: «Da sind immer Drogen im Spiel», zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens sei eben alles möglich. Bei den einfachen Körperverletzungen wirke sich eben aus, dass ganze Gruppen aufeinander losgingen. Die Situation sei, obwohl die Polizei mehr Einsätze leiste, «nicht befriedigend», sagt Beat Voser.

Sündenbock Bässlergut

Eine spezielle Rolle spiele auch das Ausschaffungsgefängnis Bässlergut. Hier komme die Polizei immer wieder zum Einsatz, was die Zahlen ebenfalls hochtreiben würde. Es sei zu 70 Prozent mehr Delikten gekommen. Auch der FC Basel und die «linken Chaoten» mit ihrem «Saubannerzug» sind schnell als Schuldige ausgemacht. Weiter auf dem Vormarsch ist in Basel der Hanf. Oft gingen die Delinquenten der Polizei bei Routinekontrollen ins Netz, sagt der Chef des Betäubungsmitteldezernats Thomas Homberger. Er stellt auch fest, dass die Beschuldigten keine Reue zeigen würden. «Es gehört heute einfach dazu», meint er. Am Ende zeigt die Kriminalstatistik des «kriminellsten Kantons der Schweiz» auf, dass nächtliche Streitereien und Schlägereien zunehmen. Und es nicht ganz einfach ist, diese zu verhindern, auch wenn die Polizei jetzt schon an den Hotspots präsent ist, wie Voser erklärt. Und die Liebe zum Velo in der Velostadt, auch zum geklauten, ist ungebrochen.

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