Das Projekt in Huningue. Bild: Tryptique Architecture/+imgs
Das Projekt in Huningue. Bild: Tryptique Architecture/+imgs
  • Jonas Egli
  • Aktualisiert am

Deutschland und Frankreich bauen Basel um. Unsere neue Stadt entsteht im Ausland. Jetzt.

Die Basler brauchen Platz, sehnen sich nach günstigen Einkaufsmöglichkeiten und ebensolchem Wohnraum. Was hier aber dauert, diskutiert und zerpflückt wird, realisieren nun andere: unsere Stadt wird im nahen Ausland neu gebaut. Jetzt, wenn Sie diesen Bericht lesen.

Eile in Weil, und auch anderswo

Es wird fröhlich geplant und abgesegnet: Kaum 600 Meter Luftlinie vom bestehenden Rheincenter in Weil entfernt soll noch in diesem Jahr mit dem Bau der Dreiländergalerie begonnen werden. Das nicht eben bescheidene Bauwerk fügt dem Angebot stolze 16’500 Quadratmeter Verkaufsfläche hinzu. Die Bauherrschaft erhofft sich Kundenmengen, von denen unser Stücki bloss träumen kann. Bedenken, dass die Kapazitäten ausgereizt wären, sind nicht zu hören.

Rheinfelden sieht ebenfalls Ausbaupotential. Auf dem Planungstisch liegt derzeit ein Projekt, das eine Erweiterung der Verkaufsflächen in Bahnhofsnähe um 6’000 Quadratmeter vorsieht. Hinzu kommen Wohn- und Büroräume entlang der dortigen Güterstrasse. Lörrach fügt ein eigenes Projekt hinzu, den Umbau des «Postareals». Der Baubeginn verzögert sich zwar, doch gemessen an Schweizer Verhältnissen um einen Wimpernschlag: Kein Jahr mehr bis zum Spatenstich, ab Anfang 2018 sollen dort neben Wohnungen noch 8500 Quadratmeter Geschäftsfläche entstehen.

Bauen in Weil, bauen in Rheinfelden: Die deutschen Nachbarn handeln ...und locken. Doch das grösste Vorhaben kommt vom anderen Rheinufer: St.Louis plant auf dem Weg zum EuroAirport ebenfalls ein Einkaufszentrum, das mit 40’000 Quadratmetern um ein Vielfaches grösser sein wird, als das darbende Stücki in Basel.

Golfplatz, Taucher-Anlage und andere Träume

Alle Projekte – egal, ob in Frankreich oder Deutschland – betonen, in ihrer Konzeption eigenständige und konkurrenzlose Angebote in petto zu haben. Leere Worte sind das nicht. Alain Girny, Präsident des Verbands Saint-Louis Agglomération, betont bei jeder Gelegenheit gegenüber den Medien, dass man eine Überbauung im Sinn hat, wie es sie sonst in der Region noch nicht gibt. Als Zugabe ist neben einem Neun-Loch-Golfplatz von einer «Anlage für Taucher» die Rede. 2022 will das französische Projekt eröffnen. Ob es tatsächlich so gebaut wird, steht im Gegensatz zu den grossen Vorhaben Deutschlands noch in den Sternen. Frankreich ist nun einmal Frankreich. Doch das Ansinnen ein deutliches Zeichen, dass das Umland vorwärts machen will, und dabei nicht auf das historisch und wirtschaftliche Zentrum der Region, die Stadt Basel wartet.

Die Wirkungen auf das Basler Einkaufsverhalten sind längst nicht mehr zu übersehen. Auf allen Seiten der Landesgrenzen. Das Stücki-Debakel ist Beweis genug und es fragt sich tatsächlich, wie ein «gewöhnliches» Einkaufszentrum im Stadtraum von Basel überhaupt bestehen soll. Die erstmals noch grossen Shoppingcenter-Pläne von Coop in der Erlenmattüberbauung wurden bald auf Eis gelegt. Das war 2013 und seither wurde immer mehr des eigentlich als Einkaufsparadies vorgesehene Bauland dem Wohnungs- und Bürobau zugewiesen.

Wie der Anstieg der abgestempelten Ausfuhrbescheinigungen im letzten Jahr zeigt, ist der Gipfel des Einkaufstourismus noch lange nicht erreicht. 2008, ein Jahr vor Eröffnung des Stücki, erhoffte man sich in Basel noch einen Rückgang. Es kam anders.

Wohnprojekte punkten mit Rheinblick

Basel braucht immer noch Wohnraum, dringend, und so erstaunt es nicht, wenn die umliegenden Gemeinden ihre Chance wittern, endlich aus dem Schatten der Stadt treten zu können. Was in Basel selbst kaum mehr möglich ist, ist im nahen Ausland kein Problem: Die erträumte Sicht auf den Rhein aus vielen Neubau-Wohnungen, oft zu deutlich erschwinglicheren Preisen als in der Stadt.

Die Projekte kommen denn auch spektakulär daher: Die Gemeinde Grenzach-Whylen, einkaufstechnisch bereits gut ausgestattet, wünscht sich eine lauschige Lagune mit Wohntürmen und 1’200 neuen Wohnungen. Das sind deutlich mehr Wohnungen, als Basel in einem Jahr baut (2015 waren es 788). Damit die auswandernden Schweizer leichter umziehen können, baut Grenzach auch gleich eine Brücke über den Rhein. Bezugsfertig soll die Anlage bereits Ende 2022 (!) sein.

Ähnlich geht Huningue vor, das ebenfalls wachsen will: Eine Grossüberbauung im Rhein, jener in Grenzach nicht unähnlich, soll unter dem Namen «Rives du Rhin à Huningue» entstehen, ebenfalls schon bis 2022. Es sind zwar weniger Wohnungen vorgesehen als im Grenzacher Projekt, allerdings sind die Bauten umso imposanter: Weisse Türme bauen sich am Ufer auf. Ein deutlicher Wink auch an die Kernstadt.

Die Last der Grenzmetropole

Derweil Basel selbst mit den Kantons- und Landesgrenzen kämpft und damit, dass die Stadt kaum mehr Raum zum Wachsen hat. Projekte wie der Dreispitz-Umbau, Klybeck Plus oder die Überbauung Wolf brauchen noch Jahrzehnte, bis sie effektiv ausgewachsen, geschweige denn gebaut sind. Der Detailhandel ächzt unter der Last der Grenznähe und dem Einkaufstourismus im günstigen Euro-Land.

Die Entwicklung zeigt zwar, dass die Schweizer Stadt am Rheinknie weniger Wachstumspotenzial hat als Umland. Auch ersichtlich ist aber, dass Basel damit definitiv zum Zentrum dieser Metropolitan-Region geworden ist. Ein kleiner Trost allerdings, wenn Bevölkerung, Steuersubstrat und Wertschöpfung ins Um- oder eben: ins Ausland abwandert. So lange der Kurs lockt und die Stadt in ihren Grenzen eingeklemmt ist, könnte der Plan der Grenzacher sogar aufgehen: Eine einzige Brücke schlagen und den Schweizern zurufen, «kommt und wohnt, hier ist es günstig, schön und trotzdem nah an eurem geliebten Basel, wo ihr gerne arbeitet. Ihr seid willkommen und Eure Steuerfranken auch» 

Was ist Ihre Meinung zum Thema? Diskutieren Sie mit uns auf Facebook. 

Weitere Titelgeschichten unter News Basel