Ohne Monet keine Fondation?
Ernst Beyeler soll wiederholt gesagt haben, dass das grosse Seerosenbild (Le bassin aux nymphéas, um 1917-1920) der Auslöser war, ein eigenes Museum für seine Sammlung zu bauen. Die Kernidee für den Bau sei dann auch der Monet-Saal mit dem davor liegenden Seerosenteich gewesen sein, wie Sam Keller erläutert. Das dort lange gezeigte Gemälde aus drei aneinandergereihten Leinwänden ist vielleicht der Inbegriff für das kontemplative Bild. Ich weiss jedenfalls nicht, wie viele Stunden ich schon staunend da sass.
Die Ausstellung selbst will sich aber nicht—wie andere Ausstellungen—auf das Früh- oder Spätwerk konzentrieren, sondern die Phase des Übergangs vom Impressionismus bis 1880 bis zum Beginn der Seerosenbilder etwa bis 1905 thematisieren. Die Zeit ist nicht nur eine Veränderungsphase des Künstlers selber, sondern der gesamten Kunst. Monet wird nämlich oft als der «grosse Vater der modernen Kunst» bezeichnet. Natürlich hat die moderne Kunst viele Väter und Mütter, es gab so etwas wie einen «Club Monet», wie Kurator Ulf Küster sie nennt: Degas, Courbet, Gaugin, Cezanne, aber auch J.M.W. Turner und noch einige andere waren es, die mit Monet zusammen das «Tor zur Abstraktion aufgestossen» haben. Wassily Kandinsky soll von ihm zu seinen abstrakten Gemälden inspiriert worden sein. In den nebeligen, flächigen Bildern kann man sich gut ausmalen, wie die Künstler das exakte Abmalen der Natur hinter sich liessen und sich vermehrt dem gefühlten Bild widmeten, das nicht mehr wie eine Lehrbuchansicht aussah.
Über 60 Werke aus der ganzen Welt sind zu sehen, darunter berühmte wie selten öffentlich gesehene. Die Ausstellung ist thematisch konzipiert, es gibt einen London-Raum, einen Pappel-Raum, einen Garten-Raum und so weiter, und reiht oft die verschiedenen Versionen desselben Motivs aneinenander. Das ist auch das grosse Kunststück der Ausstellung: Nur im Nebeneinander sieht man überhaupt, wie diese pastelligen, nebelhaften Bilder funktionieren.
«Deshalb machen wir Ausstellungen, dass man ein Bild aus Cleveland und eines aus Kopenhagen nebeneinander sehen kann.» —Ulf Küster
Zur Ausstellung wird im grossen Saal im Untergeschoss ein «Ciné Monet» eingerichtet, welches ein von This Brunner kuratiertes Programm von Filmen zeigt, besser gesagt, eine «von Monet inspirierte Filmcolage», wie es Sam Keller ausdrückt. Was das genau bedeutet, wird sich zeigen.
Die Figur Monet
Der Maler war selbst ein Original und in vieler Hinsicht seiner Zeit voraus. Es begann nicht gut: Er hatte entsetzliche finanzielle Sorgen. Sein Vater hielt Napoleon die Treue, Claude jedoch wollte lieber Rebell sein. In der Folge brach er mit seiner Familie und verlor so auch deren finanzielle Unterstützung. Bilder verkaufte er auch nicht. Landschaften begann er erst auf Drängen hin zu malen, zuerst zeichnete er zum Unmut seines Vaters Karikaturen.
Um dem Krieg und dem Militärdienst zu entfliehen, den Napoleon III 1870 angezettelt hat, siedelte Monet nach London über. Dort fand er das, was er in Le Havre vergebens gesucht hatte: Nebel. Was die meisten Besucher und Bewohner von London als Minuspunkt sehen würden, passte wie die Faust aufs impressionistische Auge:
«Was ich an London am meisten liebe, ist der Nebel. Ohne den Nebel wäre London keine schöne Stadt.» — Claude Monet 1918
Er lebte in einer Patchwork Familie
Ab 1880 verkaufte er dann auch endlich Bilder, lebte aber damals schon im Haushalt seiner späteren Frau Alice, zusammen brachten sie es auf acht Kinder. Trotzdem wurde es besser und er konnte reisen und fand am Mittelmehr eine komplett neue Farbpalette. Aus drei Wochen Urlaub wurden drei Monate und einige dieser Bilder sind auch in der Ausstellung zu sehen. Im Gegensatz zu den pastelligen London-Bildern wirken diese fast schon kitschtig-bunt.
In Giverny lebt Monet bis zu seinem Lebensende in einem riesigen Haus in einer Patchworkfamilie, einer veritablen Monet-WG und wird Gärtner, da er sein Augenlicht zu verlieren droht. Die Witwe seines Sohnes Jean ist gleichzeitig Monets Stief- und Schwiegertochter, sie kümmert sich um den tiefbetrübten Maler bis an sein Lebensende.
Er war ein Hipster
Obwohl der Maler keinen Rappen besass, kleidete er sich gerne schick und wurde «Dandy» genannt. Zusammen mit dem Rauschebart und der Affinität zur Natur könnte man Claude Monet einen der frühesten Hipster nennen. Leider fehlte ihm dazu der Uni- oder überhaupt ein Schulabschluss, Monet war nämlich ziemlich ungebildet, auch wenn er viel las.
Auch als Umweltaktivist machte er sich einen Namen, jedoch eher zum Zweck seiner Kunst statt um dem Naturschutz selbst willen: Monet schrieb einen Brief an den Besitzer einer Baum-Allee, er möge doch diese etwas langsamer fällen, da er sie erst noch malen möchte. Obwohl sich seine Kunst langsam aber sicher vom Abmalen einer sichtbaren Welt entfernte, benötigte er noch lange das Objekt vor seiner Nase. Das zeigt, wie schrittweise der Ablösungsprozess der Malerei von alten Regeln und Vorstellungen doch vor sich ging. In der Ausstellung sieht man das am besten an den Serien, die als solche präsentiert sind. Von vielen Motiven kann man drei oder mehr Versionen gleich nebeneinander betrachten und vergleichen. Man kann sehen, wie viele Variationen desselben Bildes möglich sind, nie sind zwei gleich und doch wirken sie wie aus einem Guss.
Eine Warnung
Wer nun die Ausstellung besuchen will, sollte das auf keinen Fall diesen kommenden Sonntag tun. Der letzte Tag des «Blauen Reiters» und der erste Sonntag von «Monet», das klingt nach Gedränge. Und nichts kann das Monet-Erlebnis so verderben wie ein Volksauflauf, wo sich alle auf den Füssen stehen. Je weniger, desto besser. Randzeiten bieten sich an. Um dem Gedränge entgültig zu entfliehen, öffnet das Museum zudem jeden Dienstag bereits um 7.30 Uhr. Für die ersten dreissig Besucher gibt es eine begleitete Meditation vor dem Bild «Morgen an der Seine». Na wenn das die Yuppie-Herzen nicht höher schlagen lässt!
«Monet» ist zu sehen vom Sonntag 22. Januar bis zum 28.Mai 2017
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