Landsknechte im frühen 16. Jahrhundert, Radierung von Daniel Hopfen, Quelle: Wikimedia Commons
Landsknechte im frühen 16. Jahrhundert, Radierung von Daniel Hopfen, Quelle: Wikimedia Commons
  • Christian Platz
  • Aktualisiert am

Die echten «Ryslaifer»: Drei Basler Söldner in fremden Kriegsdiensten

Schon im Mittelalter waren Schweizer Söldner eine bekannte Grösse, wenn es darum ging, in Schlachten für europäische Herrscher zu kämpfen. Sie galten als eisenhart und furchtlos vor dem Feind. Drei Beispiele aus der Basler Geschichte. 

In der Neuzeit, ja bis ins 19. Jahrhundert hinein, galten Schweizer Reisläufer, Baseldytsch: Ryslaifer, als zuverlässige Kämpfer. Sie waren aber auch für ihre Grausamkeit gefürchtet. Das Wort Reisläufer ist vom älteren Begriff «Reisige» abgeleitet. Denn im Mittehochdeutschen stand das Verb «reisen» nicht etwa für eine fröhliche Ferienfahrt, sondern für eine kriegerische Bewegung. Interessant ist, dass die Söldnerei damals meistens nicht strafbar war. Grosse Anteile von Heeren bestanden aus professionellen Soldaten aus ganz Europa.

Die Seite zu wechseln war normal

So gab es im Dreissigjährigen Krieg ganze schwedische Armeen, die aus deutschen Überläufern bestanden. Die Verlierer einer Kampagne konnten damals problemlos zur siegreichen, gegnerischen Armee übertreten und dabei sogar ihren Rang behalten. Die Söldner sahen sich, auch wenn sie sich gegenseitig im Kampf töteten und verwundeten, als Kollegen. Es kam durchaus vor, dass die Kämpfer verschiedener Fraktionen während Belagerungen oder nach einer Schlacht zusammen assen und tranken. Viele Kämpfer wechselten in einem Krieg mehrmals die Seite. Es war ganz normal für sie, heute gegen die Kameraden von gestern zu kämpfen.

Plündern, stehlen, vergewaltigen

Es gehörte zu den Privilegien dieser Berufsleute, besiegte Städte und Dörfer zu plündern, das Vieh und den Hausrat zu stehlen und die Frauen zu vergewaltigen, dies galt unter Kriegern als normal. So konnte ein Reisläufer sein blutiges Leben in Saus und Braus führen. Untereinander hatten die Söldner einen Ehrenkodex, wenn die Schlacht beendet war, durften die verwundeten Kollegen, die auf den Feldern liegen blieben, nicht getötet werden. Wer dies trotzdem tat, etwa fanatische katholische Söldner im Schwedisch-Französischen Krieg (1635 – 1648), der längsten und schrecklichsten Episode der Dreissigjährigen Kriegs, wurde in Söldnerkreisen geächtet.

Der Status eines Handwerks

Im Grossen und Ganzen galt der Kriegsdienst als Handwerk, als riskante aber chancenreiche Profession, die einen gesellschaftlichen Status hatte wie andere Berufe. Und zudem lockten – eben – die Beute und Abenteuer. Viele Schweizer – und Basler – Männer liessen sich deshalb auf den Kriegsberuf ein. Wir stellen hier drei dieser Herren vor, die in unserer Stadtgeschichte eine signifikante Bedeutung haben. Nach einem von ihnen ist eine Strasse benannt, ein weiterer ist im Kreuzgang des Münsters begraben, der Name des dritten wurde einem Platz gegeben.

Urs Graf (1485 – 1529), Künstler, Haudegen, Wildsau

Von seinem Vater erlernte Urs Graf in Zürich zunächst das Goldschmiedehandwerk. Dabei zeigte sich, dass er ein ausserordentlich begabter Zeichner war. Geniale Holzschnitt-Illustrationen und Glasmalereien wurden alsbald zu seinem Spezialgebiet. Seine Zeichnungen und Schnitte geben uns Einblick in das Gepräge seiner Zeit, prall, lebendig, ironisch kommen sie daher. Nicht zuletzt beleuchten sie das Kriegshandwerk jener Epoche, beispielsweise die Schlacht von Marignano von 1515, an der Graf als Söldner teilnahm. 1512 kaufte er sich das Bürgerrecht der Stadt Basel und wurde hier Mitglied der Goldschmiedezunft. Hier fiel er bald als rauer, rauflustiger Geselle auf. Er ging keiner Schlägerei aus dem Weg, verkehrte unter Dirnen, missbrauchte seine Frau, die aber bis zu seinem Tod, dessen Datum wir nicht kennen, seine letzte Zeichnung ist auf 1529 datiert, zu ihm hielt. Immer wieder kam er mit den Behörden in Konflikt, etwa im Jahr 1518, als ihm – nach einem Kampf – ein Mordversuch zur Last gelegt wurde. Daraufhin floh er aus der Stadt, durfte jedoch bereits nach einem Jahr wieder nach Basel zurückkehren. Zwischendurch kämpfte er für alle Fürsten, die ihn bezahlen konnten und brachte reichlich Beute nachhause. Sehr wahrscheinlich war er in den 1520-iger Jahren an der Plünderung Roms beteiligt. So unscharf seine Lebensdaten sind, desto schärfer sind seine Bilder, die uns Einblick in die Realitäten einer vergangenen Epoche geben, in politische, kriegerische, soziale, erotische Aspekte des frühen 16. Jahrhunderts. In Basel ist eine Strasse nach Urs Graf benannt.

Nackte Fiedlerin und Basler Narr, Urs Graf 1532, Quelle: Wikimedia Commons.

Hieronymus Linder (1682 – 1763), Grenadier, Offizier, Wohltäter

Im Basler Münsterkreuzgang wurde er als hoch respektierter Bürger zu Grabe getragen. Hieronymus Linder war nämlich ohne erbberechtigte Nachfahren gestorben. Deshalb hatte er in seinem Testament verschiedene Basler Institutionen grosszügig bedacht, in erster Linie die Bedürftigen aller Kirchgemeinden am Rheinknie, das Basler Waisenhaus und die Armenhäuser der Stadt. Auch diverse Schulen und die Zunft zu Hausgenossen erhielten Legate. Doch zeitlebens war Linder als professioneller Kriegsmann im Ausland unterwegs gewesen. Erst im Alter war er wieder nach Basel gekommen, wo er an der St.Alban-Vorstadt 19 wohnte, im so genannten Oranienhaus, das er 1743 erworben hatte. Jung verwaist trat Linder als 16-jähriger Rekrut in die niederländische Armee ein. Bald schon wurde er Grenadier und erlangte nach kurzer Zeit das Amt eines Fähnrichs. In den 1690-iger Jahren kämpfte er im spanischen Erbfolgekrieg. Später zog sein Regiment nach Flandern weiter, wo Linder von einer Musketenkugel verwundet wurde. 1712 kämpfte er dann im Offiziersrang. Bei der Verteidigung von Denain wurde er von den Franzosen gefangengenommen. Doch schon nach kurzer Zeit wurde er von den Franzosen zum Oberaufseher der ausländischen Gefangenen ernannt. In diesem Amt kam er sogar nach Versailles und lernte dort die Königsfamilie kennen. Danach boten ihm die Niederländer ein Gouverneursamt in Guayana an, welches er jedoch ausschlug. Lieber liess er sich wieder für den Aktivdienst verpflichten. So kämpfte er ab 1741 als Kommandant einer Kompanie in der niederländischen Armee. Bis 1760 blieb er im Dienst der Niederlande, am Ende hatte er den Rang eines Generalmajors inne, den höchsten Rang, den ein Basler in fremden Kriegsdiensten je erlangte.  

Bildnis des Hieronymus Linder von Basel, Johann Nikolaus Grooth, 1760, Quelle: Kunstmuseum Basel/barfi.ch

Johannes Wieland (1791 – 1832), Hauptmann, Adjutant, Polizeidirektor

Nach Johannes Wieland ist natürlich der Basler Wielandplatz bennant, der hinter der Schützenmatte liegt. Wielands Vater war in Basel Kriminalgerichtspräsident und für einige Zeit Regierungsstatthalter in Liestal. Bereits als 25-jähriger wurde Wieland Basler Polizeidirektor und legte den Grundstein für ein modernes Polizeiwesen am Rheinknie. Kurz darauf begann er sich mit der Schweizer Armee zu beschäftigen, an einem entscheidenden historischen Punkt. Der Bund war nämlich gerade dabei, aus den Armeen der einzelnen Kantone ein einheitliches Heer zu formen. Dabei spielte Wieland eine wichtige Rolle. Unter anderem verfasste er 1825 das «Handbuch für Schweizeroffiziere», das lange Zeit ein massgebendes Werk blieb. Doch woher hatte der Mann die Erfahrung, die ihn zu all diesen Dingen befähigte? Ganz einfach. Er hatte sie in fremden Kriegsdiensten erworben. Seine Eltern hatten ihn nämlich 1804 nach Paris geschickt, um seine Ausbildung zu vervollständigen, dort wurde er zu einem glühenden Bewunderer Napoleons. Bereits mit 16 trat er in die französische Armee ein. Seine ersten Schlachten sah er im Spanienfeldzug. Später wurde er gefangengenommen, konnte aber fliehen. Und kämpfte dann in Frankreich gegen die vorrückenden Alliierten. In der Schlacht bei Fère-Champenoise wurde er schwer verwundet. Für seine Verdienste wurde der Hauptmann in die berühmte französische Ehrenlegion aufgenommen. Darauf folgte seine Polizei- und Militärkarriere in der Schweiz. Diese endete allerdings tragisch. Fanatisch nahm Wieland am militärischen Konflikt zwischen Basel-Stadt und Baselland teil. Und zwar auf der Seite der Stadt. Er befehligte diverse Aktionen gegen aufmüpfige Landgemeinden, gleichzeitig wurde er von den politisch-liberalen Kreisen, die damals starken Aufwind erhielten, massiv angegriffen und öffentlich als lächerliche Hassfigur gebrandmarkt. Diese Umstände brachen den Geist des Soldaten. Er starb 1832, ein Schatten seiner Selbst, an einem Hirntumor.

Wieland, Quelle: Wikimedia Commons.