Das Ehepaar Qiumei (übersetzt: Herbstblume), genannt Mei Xie und Hengjun Jin.
Das Ehepaar Qiumei (übersetzt: Herbstblume), genannt Mei Xie und Hengjun Jin.
  • Binci Heeb
  • Aktualisiert am

«Ein guter Vogel wählt den Baum aus, auf dem er rastet»: Glücklicher Chinamann zügelt ins Gerbergässlein

Elf Jahre lang bot Herr Jin an seinem Streetfood-Stand im Pfluggässlein als Strassenkoch chinesische Speisen vom Feinsten «to go» an und wurde so trotz asiatischer Bescheidenheit zur lokalen Berühmtheit. Dann kam die Kündigung. 

Lange suchte seine Ehefrau Mei, wie sie sich der Einfachheit halber selbst nennt, nach einem bezahlbaren Ersatz. Denn neben Herrn Jin war auch sie mit ihrem Chinaladen von der Auflösung des Mietvertrages betroffen. Verzweiflung machte sich bei der beliebten Familie breit. Doch dann kam die Erlösung: Gleich zwischen der Schluggstube und dem Do-it-Yourself-Laden Presser am Gerbergässlein und nur wenige Meter vom alten Standort entfernt, wurde sie fündig. Überglücklich unterzeichnete sie kurz nach der Besichtigung den Mietvertrag. Hengjun Jin und Qiumei Xie können ab Januar ihre Kundschaft neu im Gerbergässlein 26 begrüssen. Gemeinsam, denn im Gegensatz zum alten Standort muss Herr Jin nun nicht mehr draussen stehen und seine Speisen verkaufen. Die Schaufensterfront des neuen Ladens wird so umgebaut, dass Koch Jin nun ganz bequem im Laden stehen und die Speisen durchreichen kann. 

Neu im Angebot: Chinesische Teigtaschen nach Wunsch mit Gemüse oder Fleisch gefüllt.

Nicht nur mittags 

Bild: Qiumei Xie

Aus der scheinbaren Katastrophe wird nun eine grosse Chance, auf die sich auch die Kunden freuen dürften. Neu bietet Herr Jin seine chinesischen Speisen nicht nur mittags, sondern auch abends an. «Unsere Kunden wollen auf dem Weg nach Hause bei uns einkaufen, um nicht mehr selbst kochen zu müssen», sagt Frau Mei. Das Angebot wird um die beliebten  traditionellen chinesischen Teigtaschen erweitert, die wie alles andere auch, frisch zubereitet werden. Ebenfalls neu ist, dass sie im Laden auch chinesische Tees und Zubehör verkaufen wird, denn: «Gutes Essen und guter Tee sind sehr gesund». Das gilt generell für die asiatische Küche, dennoch sagt ein altes chinesisches Sprichwort: «Hüte dich vor Männern, deren Bauch beim Lachen nicht wackelt!» Frau Mei empfiehlt: «Mehr Tee trinken, weniger Kaffee». Im abgetrennten hinteren Teil des Geschäfts werden auch Kleider aus Italien verkauft.

Von China nach Basel

Die Eheleute Jin Xie – in China behalten beide Ehegatten den jeweiligen Nachnamen - stammen aus der Provinz Liaoning im Norden Chinas unweit der koreanischen Grenze. Frau Mei war Lehrerin an einer Wirtschaftsschule, der fünf Jahre jüngere Herr Jin ihr Schüler. Die Gefühle für einen jüngeren Schutzbefohlenen sowie ihr christlicher Glaube bescherten der 28-Jährigen eine Sinnkrise. Genaueres möchte sie dazu nicht sagen. Nur, dass sie nach einem Weg suchte, um der immer grösser werdenden Unzufriedenheit zu begegnen. Ein Studium in der Schweiz schien ihr der geeignete Ausweg zu sein.

Bis sie 1998 für drei Jahre an die Hotelfachschule Luzern reisen konnte, mussten viele Anträge ausgefüllt und ein Visum eingeholt werden. Der Kontakt zu ihrem ehemaligen Schüler riss nie ab. Trotzdem sah sie im Laufe der Zeit keine Zukunft mehr mit Hengjun, lud ihn nach drei Jahren in die Schweiz ein, um ihm dies persönlich, aber endgültig mitzuteilen. «Als ich ihn dann wiedersah, konnte ich sehen, wie gross seine Liebe zu mir war. Sein wunderschönes Herz überzeugte mich, dass ich niemals wieder so einen guten Mann kennenlernen würde». Ein Jahr später sollten sie heiraten.

Seither ist viel geschehen, vier Kinder – zwei Jungen und zwei Mädchen – im Alter zwischen 14 und 4 Jahren wurden geboren. Frau Jin und die Kinder sind inzwischen im Besitz des Schweizer Passes. Herr Jin könnte ihn längst ebenfalls beantragen, doch noch hängt sein Herz zu sehr an seiner alten Heimat. Dies obwohl die Beiden hier grosse Erfolge erzielen konnten. Seit 2004 betreiben sie auch das Restaurant «7000 Food» an der Hüningerstrasse. Selbst Caterings von 10 bis 1’000 Personen machen sie möglich und verweisen stolz auf die Webseite des Restaurants. 

Die Lebenskrise ist überwunden, Familie Jin Xie in Basel sehr glücklich, alle zwei Jahre besucht die ganze Familie die Angehörigen in China. Sie sind auch aktiv in der Gellertkirche. Doch noch sind nicht alle Probleme gelöst: Da ihre jetzige Wohnung saniert wird, sucht die sechsköpfige Familie ab Juni 2018 eine günstige Wohnung in der Stadt. Auch hier wird es eine Lösung geben, denn wie sagt ein anderes chinesisches Sprichwort: «Wenn das Alte nicht geht, kommt das Neue nicht». 

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