Iris und Peter von Roten.
Iris und Peter von Roten.
  • Christian Platz
  • Aktualisiert am

Erste Schweizer «Emanze» war Baslerin

Die Baslerin Iris Roten (1917–1990) setzte sich 1958 mit ihrem Buch «Frauen im Laufgitter» für Frauenrechte ein. Sie forderte dabei unverblümt Dinge, die bei uns heute grösstenteils normal sind. Dafür wurde sie in der ganzen Schweiz geschmäht, harsch kritisiert, ja geächtet; auch von Frauen. Am kommenden Samstag wäre sie hundert Jahre alt geworden.  

«Ein Fenster aufstossen»

«Ich wollte ein Fenster aufstossen. Frische Luft sollte das dumpfe Gelass füllen, in welches die Männerherrschaft die Frauen pfercht», dies sagte Iris von Roten 1990, kurz vor ihrem Tod. Ein Jahr später wurde ihr Buch «Frauen im Laufgitter» erstmals neu aufgelegt. Diese zweite Publikation des Titels war sehr erfolgreich und stiess auf grosse Wertschätzung. Leider hat Iris von Roten dies nicht mehr erlebt.

Schimpf und Schande

Auch 33 Jahre vorher ist das Buch schnell ausverkauft gewesen, nach gerade mal elf Wochen. Doch Schimpf und Schande waren damals die Reaktion des gesamten Schweizer Establishments und weiter Kreise der Bevölkerung. Über Nacht machte dieses Buch Iris von Roten zu einer der meistgehassten Personen unseres Landes. Weil sie – halt ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen – gleiche Rechte für Männer und Frauen einforderte. Eine Sache also, die heute in der Schweiz normal ist, in gesetzlicher Hinsicht wenigstens.

Trotzdem bleiben bekanntlich noch diverse Felder, auf denen Frauen benachteiligt bleiben. In Sachen Gleichstellung gibt es auch heute noch viel zu tun. Doch die Botschaft ist immerhin schon lange in der Politik sowie in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen.

Eine der wenigen Frauen an der Uni

Iris von Roten wurde am 2. April 1917 in Basel als Iris Meyer geboren. Ihr Vater war Ingenieur, die Familie gutsituiert, später wurde er Direktor von Fabriken. Während Iris’ Kindheit und Jugend zog die Familie mehrmals um, sie wuchs in Basel, Burgdorf, Stockholm, Zollikon, Rapperswil, Neuenburg, Zürich und Bern auf. Nach der Matura begann sie in Bern mit dem Jurastudium. Sie war damals eine von ganz wenigen Frauen an der Uni. 1941 schloss sie das Studium mit dem Doktortitel ab.

«Schweizer Frauenblatt»

Von 1943 bis 1945 arbeitete sie als Zeitschriften-Redaktorin beim «Schweizer Frauenblatt». 1946 heiratete sie den Juristen und späteren Nationalrat Peter von Roten (1916–1991). Er stammte aus einer gutbetuchten Walliser Familie und war ein fortschrittlicher Katholik. Schon Ende der 1940er-Jahre setzte er sich im Nationalrat für die Abschaffung der Armee ein.

Abschätzig behandelt

Die Eheleute eröffneten gemeinsam eine Anwaltskanzlei im Wallis. Wenn sie dort arbeitete, wurde Iris von Roten immer wieder für eine Sekretärin gehalten, auch wurde sie von Berufskollegen und Kunden oft abschätzig behandelt. Es waren unter anderem diese Erfahrungen, die sie zu einer Feministin mit einer Mission formten.  

«Zum Feministen gemacht»

1952 kehrte sie nach Basel zurück, sie war damals schwanger mit ihrer Tochter Hortensia. Sie mietete eine Wohnung am Heuberg 12 und begann dort mit der Arbeit an ihrem Buch. Ihr Mann Peter teilte ihre Überzeugungen: «Meine Frau hat mich zum Feministen gemacht».

Massiver Skandal

1958 erschien «Frauen im Laufgitter». Das Buch löste im Handumdrehen einen massiven Skandal aus. In ihrem Werk forderte die Autorin die Gleichstellung von Männern und Frauen in allen Lebensbereichen – und zwar mit Nachdruck. Sie verlangte die vollkommene rechtliche, wirtschaftliche und sexuelle Unabhängigkeit der Frauen, mit spitzer Feder und überzeugenden Argumenten: «Das ‹Bettle, hungre, stirb!›, mit dem der Vater in Shakespeares Romeo und Julia der Tochter ihrer Liebe wegen die Existenzgrundlage entzieht, indem er sie aus dem Hause stösst, soll eine Julia der Gegenwart und Zukunft nicht mehr ins Verderben stürzen können. Davor aber ist das junge Mädchen grundsätzlich nur geschützt, wenn es wirtschaftlich auf eigenen Füssen steht».

«Die Männer gehen in irgendein Bordell.»

Auch stellte sie klar, dass Frauen nicht für die Hausarbeit geboren sind, dass sie keineswegs duldsam den Männern zu Dienste sein müssen, dass sie das Recht auf alle Freiheiten haben, die auch den Männern zustehen. Damit demontierte sie das konservative Frauenbild ihrer Zeit mit Karacho. Zudem griff sie die Doppelmoral frontal an: «Die Männer gehen in irgendein Bordell, zücken eine Fünffrankennote, und im Handumdrehen sind sie wieder pudelmunter und gut aufgelegt.»

Hasserfüllte Besprechungen

«Frauen im Laufgitter» ist ein kühner, richtungsweisender Text – und dazu noch hervorragend geschrieben. Die Reaktionen waren allerdings niederschmetternd. Hämische, bösartige, ja hasserfüllte Besprechungen erschienen in den Zeitungen. So war etwa in den «Basler Nachrichten» zu lesen: «Man kann als Frau nicht hingehen und ein Buch von 564 Seiten schreiben, in dem man unentwegt erbittert gegen die Männerwelt vom Leder zieht. Das geht einfach nicht».

Doch auch die Frauenverbände tobten, selbst fortschrittliche Frauen kritisierten Iris von Roten scharf – und stigmatisierten sie mit dem Wort «Emanze», das damals sehr negativ geklungen hat. 1959 wurde infamerweise sogar verbreitet, dass ihr Buch verantwortlich für die haushohe Ablehnung des nationalen Frauenstimmrechts gewesen sei.

Ihrer Zeit voraus

An der Basler Fasnacht wurde das Buch natürlich mit aller Bösartigkeit durch den Kakao gezogen. Diese extreme Ablehnung schmerzte die Autorin enorm. Dies zu Recht, denn eigentlich hatte sie ein hervorragendes, zukunftsweisendes Buch geschrieben; sie war ihrer Zeit leider einfach meilenweit voraus.

Reisen und malen

Frustriert von dieser Ablehnung begann Iris von Roten ab 1960 zu reisen. Zunächst fuhr sie mit dem Auto ein halbes Jahr lang durch die Türkei; allein. Es folgten verschiedene lange Reisen durch den Nahen und den Fernen Osten sowie durch Brasilien. Auf diesen Reisen fing sie intensiv mit dem Malen an. Ab den 1970er-Jahren beschrieb sie ihre Reisen in Wort und Bild.

«...des Weibes natürliches Los»

Mitte der 1980er-Jahre wurden dann ihre gesundheitlichen Probleme immer stärker, sie fühlte sich immer elender. Am 11. September 1990 nahm sie sich in Basel das Leben. «Für die private Atmosphäre des Familienlebens ist es nicht nötig, dass die ‹Frau und Mutter› als des Weibes natürliches Los stundenlang mit Geschirr klappert und Staub wedelt», hatte sie einst in ihrem mutigen Buch geschrieben. Und genauso mutig hat Iris von Roten gelebt.

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