Wegen veralteten Gesetzen: Eine Fahrt mit dem Rettungswagen kann ganz schön teuer werden. Bild: Keystone.
Wegen veralteten Gesetzen: Eine Fahrt mit dem Rettungswagen kann ganz schön teuer werden. Bild: Keystone.
  • Andy Strässle
  • Aktualisiert am

Für 1'200 Franken gerettet: Basler müssen Sanität auch bei schlimmer Ursache selber zahlen

Ein Notfall kann schnell teuer werden. Denn der Rettungswagen holt niemanden umsonst. Es spielt keine Rolle, was der Grund für den Transport ist. Dabei sind die Basler Rettungssanitäter gesetzlich dazu verpflichtet die Patienten für weitere Abklärungen ins Spital zu bringen.

Für Stefan K. wurde es am Ende ein teurer Abend. Im letzten Sommer schlugen die Wellen hoch, die Stimmung im Kleinbasler Lokal war wohl etwas zu ausgelassen geworden. Aus dem Apéro nach der Arbeit wurde an diesem Freitagabend eine längere Geschichte. Stefan K. schmiss für seine neue Bekanntschaft Sophie an der Bar Runde um Runde. Das Bier floss in Strömen, dann folgten Jägermeister-Shots und schliesslich fiel Stefan K. mit Gleichgewichtsschwierigkeiten vor dem Lokal um. Schnell wurde die Ambulanz gerufen, der 45-jährige landete mit einer leichten Kopfverletzung und Kreislaufproblemen im Spital. Zwar hat der Ingenieur seit damals keinen Tropfen mehr angerührt. Aber eine böse Überraschung gab es am Ende dann doch. Einige Monate nachdem ihn der Rettungsdienst gerettet hat, folgt eine Rechnung vom Gesundheitsdepartement in der Höhe von über 1'200 Franken. Dabei ist minutiös aufgelistet, was die Sanitäter alles gemacht haben.

Rettung obligatorisch

Die Lebensrettung ist obligatorisch: Die Sanitäter etwa haben rechtlich gesehen keine Wahl. Sie können auch bei einem Bagatellfall wie beim Sturz von Stefan K. vor Ort keine umfassenden medizinischen Abklärungen treffen und müssen den Patienten ins Spital bringen. Und das ist nicht besonders günstig. Verrechnet wird in Basel-Stadt die seit 2016 geltende Grundtaxe von 720 Franken. Dazu kommen Zeit- und Kilometerzuschläge. Kostspielig wird es auch, wenn ein Notarzt dabei ist, da werden pro Viertelstunde 50 Franken berechnet. 

Die 42-jährige Melanie hat seit sie ein kleines Kind ist epileptische Anfälle. Bei kleinen Anfällen tickt sie aus, hängt ab und weiss nicht mehr, was sie macht. Sie erklärt, dass sie einmal ihren Bruder im St. Johann besuchen wollte und kam dann plötzlich am Tellplatz wieder zu sich. Was sie in der Zwischenzeit gemacht hatte, weiss sie nicht mehr. Die «grossen» Anfälle sind selten geworden. Aber sie erinnert sich, wie sie die «Fallsucht» in einem Supermarkt überkam und sie schwer stürzte. Sie schlug sich den Kopf auf. Eine kleine Narbe hat sie immer noch unter dem braunen Haar. Melanie erklärt sie habe Glück gehabt. Damit meint sie, dass sie nach dem Anfall selbst in den Notfall habe gehen können. «Ich habe mir eine Baseball-Mütze aufgesetzt und bin mit dem Tram ins Spital gefahren.» Getrieben hatte Melanie da weniger die Sorge um ihre Gesundheit, sondern die Angst vor den hohen Kosten für die Ambulanz. Die 720 Franken für die Fahrt in der Ambulanz kann sich die Sozialhilfe-Empfängerin anders als der Ingenieur schlicht nicht leisten.

Teure Notfalleinsätze

Was den Rettungsdienst mit dem Krankenwagen angeht, regiert in der Schweiz der Kantönligeist. So ist es in St. Gallen am teuersten gerettet zu werden, wie ein Bericht des Bundes zeigt. Über 1'400 Franken kostet ein Notfalleinsatz in der Ostschweiz. Da sind die Halbkantone Basel-Stadt und Land mit Kosten rund um die 700 Franken für einmal abgeschlagen am Schluss. Dazu sind die Kosten für die Ambulanz nicht in der Grundversicherung der Krankenkasse eingeschlossen. Selbst Gesundheitsexperten verstehen nicht, warum es für die Fahrt im Rettungswagen eine Zusatzversicherung braucht. So verlangt der Verband fürs Rettungswesen (IVR), dass das über zwanzig Jahre alte Gesetz geändert wird. Georges Vittoz sagt gegenüber Swissinfo: «Die derzeitigen gesetzlichen Bestimmungen sind völlig überholt.» In den Jahren habe sich die Ausbildung stetig professionalisiert. Sie dauert 5'800 Stunden, dazu sind Reaktionszeiten bei einem Notfall von 15 Minuten heute die Norm.

Für den Verband der Rettungsdienste liegt das Problem nicht zuletzt darin, dass die Betriebskosten nicht wie bei der Feuerwehr oder Polizei vom Gemeinwesen getragen werden, sondern von Krankenkassen und Patienten. Ob am Schluss die 96 Rettungsorganisationen mit ihren 2'500 Rettungssanitätern und ihren 1'200 Einsätzen täglich in die Grundversicherung aufgenommen und der Tarif vereinheitlicht wird, soll sich bis in zwei Jahren zeigen. Bis dann wird das Bundesamt für Gesundheit einen Vorschlag ausarbeiten.

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