Ohne Wehmut verlassen Martins die Eventhalle in Allschwil.
Ohne Wehmut verlassen Martins die Eventhalle in Allschwil.

Gimmick: Priska und Hans-Peter Martin sagen leise adieu

Die Gimmick Studios sind, oder vielmehr waren Kult. Weit über unserer Region hinaus gab es in den vergangenen 30 Jahren nur wenige wirklich ausgefallene, verrückte, zauberhafte, leise und laute, doch nie stil-, oder gar niveaulose Veranstaltungen hinter denen nicht dieser Name steckte. Ob private Feiern, Konzern-Generalveranstaltungen oder ganze Variété de Bâle-Jahrgänge: Die Köpfe von Gimmick standen für Kreativität und Überraschung. Bescheiden bezeichneten sie sich als Veranstalter, in Wirklichkeit waren, sind sie Künstler. Dies ist die Geschichte von falschen Königspaaren, Emma Peels, aufgewärmten Goldfischen und einem grünen Pferd. Doch dazu später mehr.

 

Alles begann im April 1986. Der umtriebige Grafiker, Werber und Ideenspender Hanspeter Martin, damals 26 Jahre alt, hatte gerade seinen Eignungstest zum Club-Animateur in Frankfurt bestanden. Zu dieser Aufgabe fühlte er sich berufen, seit er in einem Robinsoncamp die grenzenlose Narrenfreiheit dieses Jobs entdeckte: "Stellen Sie sich vor: 998 deutsche und zwei Schweizer Gäste. Morgens um sechs durfte da der Animateur ungehindert mit dem Wasserschlauch direkt durch die Fenster die Gäste wecken. So eine Chance kannst Du nicht auslassen" dachte er sich.

Es war die Zeit des audiovisuellen Umbruchs und Tonbildschauen mit mehreren Projektoren – ein Must für Firmen, die ihr Image pflegen wollten. Eine Sache, die Hanspeter Martin interessierte. Und so kam es, dass er, statt ins Trainingscamp einzurücken, mit zwei weiteren Partnern die Gimmick Studios AG gründete. 5 Jahre später kam dann eine gewisse Priska dazu, die er in der Zusammenarbeit anlässlich eines Auftrages zum 125-jährigen Bestehen der Basellandschaftlichen Kantonalbank näher kennengelernt hatte. 32 Veranstaltungen bestritten sie gemeinsam und kamen sich näher, obwohl die Chemie geschäftlich, wie privat zunächst nicht immer stimmte. Nach einem kurzen Intermezzo in der Werbebranche, suchte Priska eine neue Herausforderung: Bei Gimmick fand sie diese gleich doppelt. Zunächst als Hanspeter Martins Mitarbeiterin und 1993 als seine Frau. Beides klappt bis zum heutigen Tag äusserst harmonisch, Hanspeter ohne Priska und umgekehrt geht nicht. Die Firma verlagerte ihren Arbeitsschwerpunkt danach in kürzester Zeit auf die Durchführung von Anlässen und in der Folge verliessen die beiden Partner das Unternehmen. Die Gimmick Studios als eine der ersten Eventagenturen in der Schweiz aber wuchs und wuchs.

Arbeit unter Palmen

In den strubsten Zeiten, von 1991 bis zum Erwerb des legendären Firmensitzes mit den hohen Palmen an der Binnigerstrasse in Allschwil vor 14 Jahren, waren sie 12 Personen. Durch die neue Liegenschaft verfügten Martins dann über eine eigene Even-Location, wo Feste und Anlässe ohne stetigen Wanderzirkus ausgerichtet werden konnten. Alles Deko- und Technikmaterial, das ganze Mobiliar konnte vor Ort gelagert werden. Wenn ein Anlass zu Ende war, wurde einfach die Tür geschlossen. Die Aufräumarbeiten konnten im Gegensatz zu auswärtigen Anlässen bis zum anderen Morgen warten.

Im Moment wird alles Dekomaterial verkauft.

Wichtig war dem Ehepaar nie die Grösse eines Events, sondern die Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber. "Die Ausarbeitung eines Konzepts mit dem Kunden und das Vertrauen, welches man uns schenkte, das waren die Dinge, die uns am meisten Freude bereitet haben.", sagt Priska Martin, "Überhaupt können wir auf eine grosse Reihe von unglaublich schönen und interessanten Begegnungen mit lieben Menschen zurückblicken".

Von Gimmick organisierte Strandparty.

Der Durchbruch

"Unser erster wirklich gigantischer Auftrag kam 1996 von Roche. Ein Mitarbeiteranlass für 10'000 Personen. Da erinnern wir uns gerne zurück. Auch an die Budgets, über die wir verfügen durften". Über Zahlen wird bis heute nicht gesprochen, das gehöre sich so und stehe auch nicht im Vordergrund. Es war immer die Herausforderung selber.

Angefangen beim legendären Säulitram, den unsterblichen Crossair-Partys über technisch anspruchsvolle Generalversammlungen für Banken und Versicherungen, temporärer Architektur z.B. für die Tutanchamun-Ausstellung im Antikenmuseum bis hin zu aufwändigen Städteroadshows im Rahmen der 550 Jahre Feierlichkeiten der Uni Basel; viel "Offizielles" und - nicht weniger anspruchsvoll - "Queres" ging all die Jahre über die Bühne. Beispielhaft die legendäre Playboy-Party eines 60-Jährigen, wo Martins so richtig aus dem Vollen schöpfen durften. In äusserst stilvollem Rahmen servierten French Maids in lasziven Kostümen eine unvergessliche Reise in die Vergangenheit. Wichtig war dabei aber immer, nie billig oder ordinär zu werden.

Zu einem runden Geburtstag wurde ein Eventlokal, in diesem Fall das Jugend-Casino, komplett in die 60er-Jahre zurückversetzt. Von den Panton-Stühlen, über die Blumen, den Geburtstagskuchen, die Musik bis zur Kleidung der Gäste – alles war Flower Power. Das Service-Personal servierte im Emma Peel-Look, die Band spielte Stones und Beatles-Titel. Scott McKenzie war angesagt. Noch heute, über 12 Jahre später, werden die Gastgeber darauf angesprochen.

Das Ehepaar Martin begleitete ausnahmslos sämtliche Anlässe persönlich. Sie waren die ersten, die kamen und die letzten, die wieder gingen. An der Front, sogar verkleidet wo es nötig war, oft aber diskret hinter den Kulissen: "Wir waren Teil der Dekoration", wie es Priska Martin ausdrückt. Bei zahlreichen Events, die sie im Auftrag der UBS durchführten, war es wichtig, dass man gleichzeitig immer und überall war, aber dabei unsichtbar blieb.

Das warme Bad der Goldfische

Anlässlich eines Privatanlasses sollten Martins etwas Ausgefallenes machen. In der Anfangszeit war noch vieles möglich, das heute wohl auch von den Machern anders angepackt würde. Alle Tische wurden mit einem grossen runden Wasserglas und munteren Goldfischen bestückt. Die Schwimmer fühlten sich spürbar wohl. Es gab allerdings noch keine LED-Technik, die Behälter wurden von unten durch Taschenlampen beleuchtet, das Licht liess die Temperatur ansteigen. Den Gästen im Glas war es bald zu warm, sie schwammen höher und höher. Hanspeter Martin entfernte unauffällig Fisch um Fisch, steckte sie teilweise in die Hosentasche und in der Küche in einen grossen Behälter mit frischem Wasser. Alle überlebten und konnten am nächsten Tag wieder bei bester Gesundheit in die Zoohandlung zurückgebracht werden.

Das grüne Pferd

Zur Pensionierung des inzwischen verstorbenen ehemaligen IWB-Direktors Eduard Schumacher gab es ein von den Gimmick Studios ausgerichtetes grosses Fest in der Markthalle. Die Veranstaltung des Staatsbetriebes war derart spektakulär und für den Steuerzahler entsprechend teuer, dass viel darüber zu lesen war. Hanspeter Martin erinnert sich trotzdem gerne daran: "Wir hatten die Idee, dass der begeisterte Reiter Schumacher am Ende des Fests mit einem grünen Ross aus der Halle traben sollte, galt er doch als Erfinder des grünen Pferds im Zusammenhang mit den Biogas-Bussen", sagt er. Dazu musste ein 'publikumsgewohnter' Schimmel gefunden werden, der grün angestrahlt werden konnte. Ob das Pferd dabei ruhig bleibt, hatte man im Vorfeld erfolgreich in einem Stall ausprobiert. Am Abend kann das Finale. Schumacher bestieg ein von drei Seite grün beleuchtete Pferd, welches zügig losmarschierte. Der scheidende IWB-Chef konnte sich im Sattel halten, nur, dass dieser nicht eng genug festgeschnallt war, so dass es ihn rund um das Pferd herumdrehte, was bei den Gästen für grosse Erheiterung sorgte und das Tier gelassen ignorierte. Nur Schumacher hatte sich seinen Abschied anders vorgestellt. Hanspeter Martin sagt: "Das war wohl die einzige wirkliche Panne, die wir in unserer Karriere erlebt haben".

Die Welt zu Gast in Basel

Beim grossen Roche-Jubiläum hiess das Motto: "Die Welt zu Gast in Basel". Es wurden dazu 17 Länder und Erlebniszonen geschaffen. 350 Artisten waren für die illustre Gästeschar verpflichtet. Unter anderem auch ein Queen-Double und im italienischen Teil der venezianische Gondoliere, welcher seine Arien schmetterte. Jeder hatte seinen geographisch klar zugeteilten Bereich. Im Laufe des Abends hörte Priska Martin ihren Mann aus dem Walkie-Talkie rufen: "Was zum Teufel macht das englische Königspaar auf der Gondel in Venedig?". Die Künstler waren einfach ausgebüxt: "350 wilde Flöhe gleichzeitig zu bändigen ist nicht eben einfach", sagt Priska Martin lachend.

Gimmick organisierten bei Bedarf auch ein Essen im Kuhstall.

Varieté de Bâle im Bahnhofbuffet, ein Gimmick-Kind

19 Mal fand es statt. Dank dem damaligen Buffet-Pächter Hans Berchtold und seinem Mitarbeiter Ruedi Amstutz. Für Martins ein grosser Spagat, galt es doch Anfang November jeweils elf abendfüllende Veranstaltungen durchzuführen. Neben dem normalen Bürobetrieb und den in den Monaten vor Weihnachten häufig angefragten Betriebsanlässen. Weil die SBB den Buffet-Vertrag neu ausschrieb und niemand wusste, wie es weitergeht, war 2008 mit dem Varieté Schluss. Auch wenn alle Vorstellungen immer ausverkauft waren, für Martins wurde die Veranstaltung nie ein finanzieller Erfolg. "Es war einfach unglaublich schön und die Bekanntschaft mit vielen Künstlern für andere Events von grossem Vorteil", sagt Priska Martin.

Oft unterhielten die Komiker nach dem Variété privat noch die ganze Bar. Stevie Star war so jemand. Bei seinen Auftritten verschluckte er diverse Dinge, die er natürlich wieder hochdrückte. So auch ein Handy eines Gastes. Weil gerade ein Anruf reinkam, läutete es dann in seinem Bauch. Priska Martin erinnert sich auch an ihre Handwerker, die während der Shows hinter der Bühne arbeiteten. Jedes Jahr war da ein Ballett mit schönen Tänzerinnen, die sich dort umziehen mussten. Entsprechend begeht war der Job unter den Helfern.

Der älteste noch aktive Artist zu Gast in Basel

Er nannte sich Konrad Thurano, 93 Jahre hatte er auf den Schultern, Bühnenpartner war sein 64-jährigen Sohn. Zusammen traten sie mit einer Kraft- und Akrobatiknummer auf. In den Vertragsbedingungen stand, dass das Hotel so nah wie nur möglich am Spielort sein musste. So wurde er jeden Tag im Rollstuhl vom Hilton ins Variété gefahren, wo er hinter der Bühne auf seien Auftritt wartete. "Eigentlich dachten wir er schlafe tief, bis zu dem Moment, als er auf der Bühne stand, da wurde er hellwach, beweglich wie ein junges Reh. Er konnte sich an den Fingern ans Seil hängen und locker zehn Klimmzüge machen. Das Ganze war nicht von dieser Welt. In der Pause stand hinter dem Vorhang ein Stuhl bereit, wo er sofort einschlief und für den zweiten Teil der Nummer wieder geweckt werden musste", erzählt Hanspeter Martin mit nachdenklichem Gesicht.

Adieu ohne den Schirm zuzumachen

Nach dreissig Jahren im Event-Business wollen Priska und Hans-Peter Martin nun kürzertreten. Per Ende 2015 wurden die Eventagentur und die Halle in Allschwil an Peter und Dorette Oppliger verkauft, was mit einem Namenswechsel verbunden war. Die Firma heisst neu Fabrik Event Allschwil AG.

Den Namen Gimmick Studio AG behalten Priska und Hanspeter um neu nur noch Museumssupport und Eventcoaching zu betreiben. Dazu gehört die seit bald zehn Jahren dauernde Zusammenarbeit mit dem Spielzeug Welten Museum am Barfi, wo jährlich zwei neue Ausstellungen, einzelne Schaufenster, sowie die Fassade gestaltet werden.

Derzeit schauen anlässlich der Ausstellung: "Schirme vom Alltagsobjekt zum Kunstgegenstand", schwarz-weisse aufgespannte Parapluies aus den Fenstern des Museums am Barfüsserplatz, abends in diversen Farben leuchtend. Anfänglich meldete die Denkmalpflege grosse Bedenken an. Dank dem persönlichen Einsatz von Luzia Wigger Stein, Leiterin Bau- und Gastgewerbeinspektorat, konnte ein Kompromiss gefunden werden, indem nur die Fensterflächen und nicht die ganze Fassade bespielt werden.

Das Bild des "Regenschirmhauses" ist von den barfi.ch-Nutzern mit der grössten Reichweite seit Bestehen des Online-Portals belohnt worden und wird unvergesslich bleiben. Wie so vieles, das Priska und Hans-Peter Martin geschaffen haben. Die Gimmick-Studios in der bisherigen Form sind Vergangenheit. Das Schaffen und die scheinbar unerschöpfliche Kreativität Ihrer Eltern aber nicht.