Volle Stadt dank Shopping im Dunkeln? Da wird sogar das Gewerbe stutzig. ©Keystone/Montage barfi
Volle Stadt dank Shopping im Dunkeln? Da wird sogar das Gewerbe stutzig. ©Keystone/Montage barfi
  • Andreas Schwald
  • Aktualisiert am

Grosser Rat entscheidet heute: Shopping-Spass bis in alle Nächte? Aber doch bitte nicht hier!

Basler Läden sollen neu bis 22 Uhr geöffnet haben dürfen. Das fordert eine Vorlage, über die heute der Grosse Rat entscheidet. Die Debatte macht allerdings kaum mehr Sinn – denn die meisten Läden nutzen nicht einmal die aktuellen Zeiten voll aus.

Shoppen in der Freien Strasse bis zehn Uhr abends? Im Quartier-Migros feierabends noch rasch die Einkäufe tätigen und zwar bis tief in die Nacht? Der Grosse Rat darf wieder darüber streiten: Heute Mittwoch entscheidet er, ob die Läden wochentags bis 22 Uhr geöffnet haben dürfen und samstags bis jeweils 20 Uhr.

Dieser Streit ums verlängerte Shopping-Erlebnis ist ein klassischer Zankapfel der Stadt. Vor vier Jahren schmetterte das Stimmvolk eine Verlängerung der Öffnungszeiten am Samstag bis 20 Uhr an einer Abstimmung mit 60 Prozent Nein-Stimmen mehr als deutlich ab. Und als der ehemalige Basler Kantonsentwickler Thomas Kessler laut über teilweise liberalere Öffnungszeiten nachgedacht hatte, führte das zu einem Aufruhr in der Regierung und einem Verweis an Kessler – von Regierungspräsident Guy Morin persönlich.

Eigentlich will das gar niemand so richtig 

Jetzt wird die alte Basler Kamelle also wieder aktuell. Dieses Mal sollen die längeren Öffnungszeiten den tiefen Eurokurs abfedern und gleichzeitig mehr Arbeitsplätze schaffen. So zumindest glaubte es Motionär und SVP-Grossrat Joel Thüring vor zwei Jahren, mittlerweile selbst Grossratspräsident. Immerhin: Damals wurde sein Vorstoss mit 44 zu 41 Stimmen ganz schön knapp als verbindlicher Auftrag an die Regierung überwiesen.

So wurde die Vorlage bereits von der vorberatenden Kommission zerpflückt. Und die machte ihre Hausaufgaben gründlich: Sie befragte Gewerbevertreter, Familienbetriebe und die Gewerkschaften. Und keiner war wirklich begeistert. Am meisten Zuspruch kam von Gewerbeseite, aber auch nur mit Einschränkungen. Längere Öffnungszeiten seien kein Allheilmittel für kriselnde Detailhändler, vielmehr wären sie als flankierende Massnahmen zu einer generellen Aufwertung des Einkaufens in der Stadt geeignet.

Heute schon täglich bis 20 Uhr möglich

Beim Streit bleibt aber vor allem eines aussen vor: Dass die meisten Betriebe schon heute nicht mal die maximalen Öffnungszeiten ausnutzen. Denn sie könnten wochentags täglich bis 20 Uhr geöffnet haben. Umsetzen tun das die wenigsten: Abgesehen vom donnerstäglichen «Abendverkauf» tut sich vor allem der Kleiderriese «H&M» in der Freien Strasse mit maximalen Öffnungszeiten hervor.

Der Rest hält sich an die Gewohnheiten und erachtet es auch nicht als wirtschaftlich, so lange geöffnet zu haben. Die Kommission erkennt daher zurecht selbst: «Oft sind es nur die Grossverteiler, welche die bestehende Regelung voll ausnutzen. Dass nicht mehr Geschäfte die Öffnungszeiten ausschöpfen, ist auch als Indiz dafür zu werten, dass die Umsätze in den Abendstunden nicht gross genug sind, um die zusätzlich anfallenden Personal- und Infrastrukturkosten auszugleichen.»

Aber das Internet hat täglich ganztags offen

Abgesehen davon, dass selbst die Läden der Stadt Zürich nicht bis in alle Nächte geöffnet haben – zumal dort praktisch die gleichen Vorschriften gelten wie in Basel –, liegt das eigentliche Problem woanders. Die Einkaufsgewohnheiten haben sich nicht nur mit Einkaufstourismus geändert, sondern auch mit dem Internet-Handel. Denn dort ist rund um die Uhr geöffnet. Und auch dagegen helfen keine längeren Öffnungszeiten: Wer online bestellt, tut dies jederzeit und meist noch günstiger.

Insofern hat sich der Öffnungszeiten-Albtraum der Gewerkschaften vom Rund-um-die-Uhr-Laden mit Angestellten ohne Feierabend oder Wochenenden aufgelöst; was bleibt sind Betriebe, für die es sich wirtschaftlich kaum lohnt, bis in alle Nacht geöffnet zu haben. Mit Ausnahme von Bahnhöfen, wo es sich aber wegen der höheren Passantenfrequenz lohnt. Und da die Öffnungszeiten der Bahnhofsgeschäfte speziellen Bedingungen unterstehen, sind sie von den kantonalen Öffnungszeiten kaum tangiert.

Also weg damit – und die Einschränkungen gleich dazu

Daher kann die Vorlage nach Empfehlung der grossrätlichen Wirtschafts- und Abgabekommission ruhig vom Tisch – wie die Öffnungszeitenregelung überhaupt. Denn – und das zeigt allein die Befragung der betroffenen Betriebe und Verbände – eine entsprechende Regelung ist ohnehin von wenig Nutzen. Schliesslich wird die aktuelle Gesetzgebung nicht annähernd voll genutzt und noch längere Öffnungszeiten sind kaum gefragt, nicht mal von den Händlern.

So gestaltet sich die neue Basler Einkaufswelt tatsächlich tiefgreifend um: Der Streit um die Öffnungszeiten wird zu einer Nostalgieveranstaltung aus einer Zeit, in der man davon ausging, dass einem die Menschen den Laden einrennen. Diese Zeiten sind definitiv vorbei – und die Vorlage könnte genauso sorglos gestrichen werden wie die ganzen Einschränkungen der Öffnungszeiten.

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