Für strenggläubige Katholiken ist der Karfreitag zwar ein strenger Fasten- und Abstinenz-, aber kein Feiertag. Und da sowohl der État du Valais, wie auch das Ticino traditionell katholisch geprägt sind, ruht dort die Arbeit nicht. Das führt jedes Jahr zu grossem Erstaunen bei vielen aus dem Norden angereisten Gästen.
Auch dem ehemaligen Basler Regierungsrat Hanspeter Gass war das neu, als er vor einigen Jahren während der Karwoche zum ersten Mal in seinem inzwischen häufig aufgesuchten Zweit-Domizil oberhalb von Ascona weilte: «In Unkenntnis der Feiertagsregelung im Kanton Tessin, haben wir als gut organisierte und pflichtbewusste Deutschschweizer im ersten Jahr unseres Aufenthaltes mit grossen Taschen unsere Einkäufe für die bevorstehende Osterfeiertage rechtzeitig getätigt und waren mehr als nur überrascht, als am Karfreitag die Geschäfte ganz normal geöffnet waren.» Heute kläre er, als mittlerweile eingefleischter Wahl-Tessiner, die Touristen über die Feiertagsregelung in der italienischen Schweiz auf.
Basel und Tessin: trotz Alpenhürde eng verbunden
Schon seit Jahrzehnten verbringen neben den auf Sonne hoffenden Touristen, viele Basler mit Tessiner Wurzeln ihre Feiertage in der mediterranen Schweiz. Monika Reutling, Präsidentin des Vereins Corale Pro Ticino Basilea, erklärt sich diese Bebbi-Flut mit der traditionellen Verbundenheit beider Kantone: "Viele Tessiner sind früher nach Basel gezogen, um hier für die ansässige Pharmaindustrie zu arbeiten." Besonders an Weihnachten würden sie jeweils scharenweise zurück in ihre Heimat kehren, um die Geburt Christi mit ihren Familien, Verwandten und Freunden zu feiern. Denn ein italienisches Sprichwort besagt: «In natale con I tuoi, pasqua con chi vuoi». Auf Deutsch: «Weihnachten feiert man in der Familie, Ostern mit wem man will». Dementsprechend sei Ostern weniger verpflichtend, jedoch würden immer noch viele über diese Tage nach Hause reisen.
Mediterrane Frühlingsgefühle
Gerade zum Frühlingsbeginn zieht es auch viele Basler ohne familiäre Tessiner Bindungen Richtung Süden. Im Irrglauben Ostern stehe für die Garantie dort mit kurzen Hosen, Polo-Shirt und Flipflops flanieren zu können. Dem ist laut Statistik jedoch meist gar nicht so. Doch dieses Jahr sind tatsächlich milde 16 Grad, Sonnenschein und blühende Pflanzen vorausgesagt. Die ganze Packung soll allerdings mit einem Tag Verspätung auch der Rest der Schweiz abbekommen.
Und selbst die Tessiner zelebrieren, trotz normalem Arbeitstag, den Tod von Jesus. Am Karfreitag ziehen jeweils 700 Laienschauspieler durch die Altstadt von Mendrisio und inszenieren die Grablegung des Sohn Gottes. Eine einmalige Form der Prozession, die neben Einheimischen auch viele Touristen anzieht.
Karfreitag bei uns: Regeln, Sitten, Aberglauben
Das Durchführen von öffentlichen Veranstaltungen war bis vor wenigen Jahren in unserer Region verboten, auch heute gilt das vielerorts noch als verpönt. Fisch ist und bleibt die typische Mahlzeit. An diesem speziellen Freitag sind alltägliche, meist in der Freizeit zu erledigende Dinge, wie Rasenmähen offiziell untersagt.
Noch bis und mit Ostermontag gilt das katholische Fasten- und Abstinenzgebot, allerdings kommt dieses heute eher einer Empfehlung gleich. Auch lautes Klagen findet man nur noch bei den «Pleureuses» in der Westschweiz. Und wenn die Schwaben Maultaschen essen, dann, weil sie ihnen schmecken und nicht mehr um mit viel Teig den Fleischinhalt vor dem lieben Gott zu verstecken. Noch immer aber kreisen längst widerlegte abergläubische Vorstellungen um den Karfreitag. So sollen Frauen, die am Todestag von Christus etwas Mehl, vermischt mit abgeriebenem Brot zu sich nehmen, das ganze Jahr nicht schwanger werden. Was nicht einmal bis zum Papst durchgedrungen ist: Wer das Bedürfnis hat nach seinem Ableben selig gesprochen zu werden, sollte tunlichst an einem Karfreitag die irdische Welt verlassen.Weshalb aber ausgerechnet an diesem Termin auch noch Haare und Nägel geschnitten werden sollen, wissen selbst die Friseure nicht. Sie lassen Schere und Feile hinter geschlossenen Türen liegen. Ausser - hier gibt es nun tatsächlich doch noch ein Vorwand um sich kollektivem Stau und Völkerwanderung anzuschliessen - im Tessin und Wallis. Gute Reise.