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Hösch, Digge! E Schöne, nit: Basels alte und aktuelle Gassensprache

Der Basler Dialekt ist nicht nur ausnehmend kultiviert, er ist zudem ziemlich blumig, aber es gibt auch aller Gattung Gassenvarianten. Unser Dialekt strotzt deshalb vor eigenen Sprachgewächsen, die auf den Basler Strassen sprossen. Lesen Sie das durch – und Sie werden mindestens die eigenen Grosseltern, wenn nicht sogar sich selbst erkennen.

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Hösch, Digge, kennsch dä? Ja, der Basler an sich ist ein ordliges Aigegwäggs. Keiner liebt seinen Dialäggt so sehr wie er. Geschweige denn seine Idiome, also Ausdrucksweisen. Die haben sich im Lauf der Zeit gar nicht mal so verändert.

Stubenrein war die Gassensprache sowieso noch nie. Und sorry, hösch, wenn die Schreibweise nicht ganz der hohen Dialektnorm nach Baseldytsch-Wörterbuch entspricht: Denn dänggsch dr doch eifach die richtig Form drzue, he. Hesch jo kei Kappen aa, nit!

Also, Sie kennen doch sicher noch den:

Die flotte, richtig glatte Replik:

«Du! Los. Was isch aigetlig für Zyt?» – «Hochzyt!» – «Nai, was isch jetz für Zyt?» – «Zyt, dass di besserisch!» – «Jetz sag scho, ha kei Uhr aa!» – «Viertelabdünnschiss, he.»

«E scheenen Oobe!» – «E Stiffen unde!»

«Gsundheit!» – «Gschidheit!»

«Wie gohts dr?» – «Besser, wenn di nit wurd seh.»

«Machs guet!» – «Machs besser!»

Das Anhängsel. Das kennsch jo au, nit.

Kann schon richtig nerven, das. Immer schiebt der alte Basler seinem Satz ein «nit» nach. Davon gibt es sogar noch ganze Sendungen. Von damals, als Heidi Abel fürs alte Schweizer Fernsehen noch Strassenumfragen in Basel machte. Hinter jedem Satz ein «nit». Nicht als Frage. Sondern einzig zur Verstärkung des Punkts. Nit wohr, nit. Jo, isch scho so, nit.

In den Siebzigern kam der nächste Trend. Aus dem «nit» wurde ein «so». Und zwar so, dass das so wie ein «se» klang. Also bei den richtig Harten von der Gasse. In de Seventies, so, hän sie nämmlig immer gsait, so, wohär das kunnt, so, weiss au kain. So. S het aber nit länger ghebt als s nit, nit. So.

Heute heisst das übrigens «voll». Gäll?

Jo, voll krass.

Der Gopferdammi-Schoofseggel

Ja, was wäre die Stadt ohne den Gopferdammi-Mann. Immer ein flottes Gopferdammi auf den Lippen. «So, jetzt nämmer gopferdammi none Stange, gopferdammi. Jo, gopferdammi, wenn kunnt jetzt die Stange äntlig? Gopferdammi!». Ein berühmter Exponent des Fluch-Brauchtums war damals ein Ingenieur namens Sütterlin, der so sehr rumfluchte, dass er landläufig als Gopferdammi-Sütterlin bekannt wurde. Meist waren die Herren nicht besonders wütend oder aufgebracht, da «Gopferdammi» auch einfach mal als Füllwort gemurmelt wurde. Wie der «Schoofseggel», der nicht selten anerkennend oder schulterklopfend gemeint war. Gewählte Ausdrucksweise? Von wegen. Aber gopferdammi, das vrstohsch jo, nit. Mr sin jo do z Basel, nit.

Am Deelifon

Unvergessen der Moment, als das Telefon mittags oder abends klingelte. Mutter stand auf, tupfte ihre schon leicht säuerlich geschürzten Lippen ab, ging zum Hörer, holte seufzend Luft, nahm ab und bellte in die Muschel: «Müller. Am Ässe!». Denn wer die Frechheit hatte, zu jener Zeit anzurufen, von der man doch wusste, dass man am Essen war, der hatte nichts besseres verdient als die mit diplomatischer Diskretion geäusserte rohe Wut, die ihm mit dieser Anrede entgegenschlug.

A propos Deelifon: Was das «nit» in der Beiz, ist das «He» am Telefon. Nicht das verständnislose oder überraschte «He». Nein, das bestimmte, nachtretende, klarstellende «He». Jo, he, hesch au ghört, d Müllere, vrtraits au immer schlächter, wemmere bim Zmittag alüttet, he. Jo, he. Also los, i muess, he. Machs guet, he!».

So Opfer, Alte

Und heute? Heute haben sich einige der alten Sprachmarotten bei Vertretern der entsprechenden Generationen erhalten. Sie kommen jedoch nicht mehr mit dem natürlichen Selbstbewusstsein aus den Mäulern, das sie früher auszeichnete. Gegen den aktuellen Slang wirken sie direkt harmlos, weil sie Erweiterungen des symbolischen Gehalts der Sprache darstellen – und nicht den Abriss der Sprache von innen. Sitzen zwei Junge im 6er und nennen sich gegenseitig «Alte».

An der Haltestelle Barfi deutet der eine auf die Kirche und sagt: «Museum, dasch Museum.» Fragt der andere: «Was Museum?». Antwort: «Alte Scheiss halt, Alte, weisch. Rüschtige und so Scheisse, weiss aus nit.» Schlusswort des Kollegen: «Du bisch so Opfer, Alte». Sie reden grundsätzlich ohne Adjektive, die Grammatik der gesprochenen Sätze ist extrem rudimentär, sie formen die Laute guttural – es ist eine Sprache, die ausser Zustimmung (immerzu in Superlativen) und Ablehnung (immerzu vollkrass radikal) keine Nuancen mehr kennt. Und es handelt sich, obwohl man es durchaus vermuten meinen könnte, nicht um einen Akzent, der sich einer Fremdsprache zuordnen lässt.

Allerdings gibt es diese Tendenz heute in fast allen Sprachregionen dieser Welt. Es ist Sprache auf dem Weg zur finalen Sprachlosigkeit. Wenn die beiden Jungs beim Grossmami um einen Batzen betteln, dann reden sie ganz gewiss gängiges Baseldeutsch oder Baselbieter Dialekt. Ob sich in Zukunft wohl jemand liebevoll an diese Form des aktuellen Slangs erinnern wird? Wir wagen es zu bezweifeln. Es isch eifach viel zu krass, Alte.