Bild: pexels
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  • Andy Strässle
  • Aktualisiert am

Im Dunkeln: Vergewaltigungen in Basel

In Basel behält die Polizei einzelne Vergewaltigungen, soweit sie ihr überhaupt gemeldet werden, zu Recht unter dem Deckel. Die schlimmen Verbrechen sollen bewusst selten an die Medien und damit die Öffentlichkeit gelangen. Ebenfalls still im Hintergrund sind das Institut für Rechtsmedizin und der Notfall rund um die Uhr gut gerüstet.

Kurz nach vier Uhr am Sonntagmorgen war die Hammerstrasse dunkel und verlassen. Die Mainacht war nicht allzu kalt. Tanja hat mit Freunden gefeiert. Sie ist auf dem Heimweg, schlendert auf die Claramatte zu. Plötzlich springt sie ein Mann an. Niemand ist auf der verlassenen Strasse zu sehen. Der Mann schleift sie in ein Gebüsch. Schlägt sie, hält ihr den Mund zu, um ihre Schreie zu ersticken. An das, was jetzt geschieht, möchte sich die junge Frau am liebsten nie mehr erinnern. Erst später kann das geschändete Opfer Passanten um Hilfe bitten, so dass dies die Polizei verständigen.

Dunkelziffer erschreckend hoch

Ein wissenschaftliche EU-Studie ergibt: Eine von zwanzig Frauen wird in ihrem Leben in der Europäischen Union vergewaltigt, eine von zehn erlebt andere Formen sexueller Gewalt. 2014 wurden in Deutschland sieben Prozent der Sexualdelikte angezeigt - aber 94 Prozent der Autodiebstähle. Offizielle Kriminalstatistiken sind also nur ein Anhaltspunkt. In der Schweiz gibt es keine vergleichbare Studie, doch die Anzahl der aus falschem Scham nicht gemeldeten Schändungen, dürften sich kaum wesentlich von der unser Nachbarländer .

Im vergangenen Jahr weist die Kriminalstatistik 33 gemeldeteVergewaltigungen in Basel aus. Das bestätigt auch Eva Scheurer vom Rechtsmedizinischen Institut: «Die Zahl aus der Kriminalstatistik erscheint aus unserer Sicht realistisch als Zahl der Untersuchungen auf sexuelle Gewalt. Um welchen juristischen Tatbestand es sich dabei im Einzelfall und im Ergebnis handelt, ist für unsere Untersuchung unerheblich.» Die Untersuchungen nach einer Vergewaltigung sind relativ aufwändig, wie Eva Scheurer erklärt: «Die Untersuchungen werden nur nach Absprache und mit dem Einverständnis der Betroffenen durchgeführt. Üblicherweise werden die Körperoberfläche und der Genitalbereich auf Verletzungen und Spuren untersucht, und die Notwendigkeit einer Behandlung abgeklärt». Zunächst steht also die medizinische Versorgung im Zentrum. Das Vorgehen ist in Basel ist sehr zielgerichtet. Monica Terragni vom Unispital sagt: « Wenn sich eine Frau im Notfallzentrum meldet, die eine Vergewaltigung erlitten hat, erhält sie eine Erstversorgung und wird in die Gynäkologie gebracht. In der Regel gehen die Frauen nach einer Vergewaltigung zur Polizei und erstatten Anzeige. Die Polizei bringt sie in die Gynäkologie und bestellt die Rechtsmedizin konsiliarisch dazu.»

Schnell reagieren

Während etwa die Opferhilfe Basel in ihrem Merkblatt die Frauen darauf hinweist, dass sie jemanden zur Untersuchung mitbringen könnten und sie sich auf keinen Fall waschen oder ihre Kleider reinigen sollten, bis sie nicht untersucht worden seien, sagt die Forensikerin Eva Scheurer: «Für die Spurensicherung ist eine rasche Untersuchung wichtig, die Chance, auswertbare Spuren sichern zu können, sinkt mit der Zeit. Sollten Betroffene unter Drogen oder Alkohol gesetzt worden sein, ist für einen entsprechenden Nachweis eine rasche Sicherstellung einer Blut- und Urinprobe notwendig.»

Wenn die Frauen ins Uni-Spital gehen, ist auch die für psychologische Unterstützung gesorgt. Die Ärztinnen und Ärzte des Rechtsmedizinischen Instituts seien speziell auf die Betreuung von vergewaltigten Frauen vorbereitet und ausgebildet. So sagt Eva Scheurer: «Die Untersuchung von Betroffenen nach körperlicher oder sexueller Gewalt verlangt ein erklärendes, professionelles und rücksichtsvolles Verhalten. Alle unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind sorgfältig dafür geschult und haben auch jederzeit den Rückhalt und die Unterstützung von erfahrenen Ober- und leitenden Ärzten.» 

Psychische Belastung

Darauf angesprochen, ob der Umgang mit betroffenen Frauen besonders heikel oder für das Spitalpersonal besonders belastend sei, erklärt die Forensikerin: «Eine professionelle Distanz ist auch für die begutachtende Tätigkeit in der Rechtsmedizin stets notwendig.» Die Basler Polizei pflegt, was den Umgang Vergewaltigungen angeht, eine klare Politik. Die schlimmen Verbrechen werden nur veröffentlicht, wenn der Täter unbekannt ist und die Chance besteht, ihn mit einem Zeugenaufruf zu schnappen. Darum dringen Fälle, wie jene von Tanja nur selten an die Öffentlichkeit.

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