MitarbeiterInnen der Gassenküche bei der Essensausgabe
MitarbeiterInnen der Gassenküche bei der Essensausgabe
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Immer mehr Basler gleiten in die Sozialhilfe ab – ein Besuch in der Gassenküche

Das Staatssekretariat für Migration hat am Mittwoch die Kantone in einem Brief aufgefordert, Vorkehrungen für einen raschen und starken Anstieg der Flüchtlingszahlen zu treffen. Auch in Basel scheint man gewappnet, wie der Verein Gassenküche Basel bestätigt. Man sei „mental auf einen Ansturm eingestellt“. Doch während sich der Kanton um “offizielle“ Flüchtlinge kümmert, erwarte man dort Personen mit negativem Asylentscheid oder solche, die untergetaucht sind. Erfahrungsgemäss kämen diese nach der grossen Welle mit einer gewissen Verzögerung. Fragen über ihren Status stellt die Gassenküche nicht. Und noch sind es die Menschen aus der eigenen Region, die in immer grösserer Anzahl Unterstützung benötigen. 

Konkret stellt die Gassenküche am Lindenberg eine Zunahme von Schweizern oder Personen mit B bzw. einer C-Niederlassung fest, die auf die angebotene Verpflegung angewiesen sind. Die Mehrheit davon sind über 55 Jahre alt, haben ihre Arbeit verloren und müssen von Sozialgeld leben. Auch der Verein Schwarzer Peter in Basel, der mit seinen Gassenarbeiterinnen und Arbeitern in Basel unterwegs ist, spürt den deutlichen Anstieg dieser bisher der Mittelschicht zugeordneten Gruppe.

Der soziale Abstieg geht quer durch die ganze Bevölkerung

Auffällig sei dabei, so Michael Steiner, Co-Geschäftsleiter beim Schwarzen Peter, dass nun die ganze Bandbreite betroffen sei und meint damit vermehrt auch Personen mit ganz normalen Biographien. Es brauche lediglich eine Kleinigkeit, eine Krankheit zum Beispiel, eine Trennung oder den Arbeitsverlust und die Leute glitten ab. Verlust der Wohnung und des sozialen Umfelds seien die Folge. Aktuell sind zwischen 340 und 350 Personen mit einer Meldeadresse bei ihnen registriert. Denn ohne diese Adresse würde kein Sozialgeld ausgezahlt. Eine Befragung, die der Schwarze Peter vor einem Jahr durchführte zeigte, dass zwei Drittel dieser Menschen von einer Woche zur nächsten, oft gar von einem auf den anderen Tag lebten. Mangels einer eigenen Wohnung betrieben sie Couchsurfing bei Bekannten.

Zu wenig zahlbare Wohnungen

Schwarzer Peter und Gassenküche betonen in diesem Zusammenhang einmal mehr die katastrophale Wohnungssituation in Basel, wonach praktisch keine günstigen Wohnungen zu finden seien. Die Hotels Bären und Sonne an der Rheingasse, welche Räume, die von der Sozialhilfe bezahlt würden an Armutsbetroffene vermieteten, seien „in einem miserablen Zustand“. Teilweise schimmlig und ohne sanitäre Anlagen. Das Gleiche gelte für gewisse Wohnungen an der Feldberg-, Klybeck- und Efringerstrasse. Dort wurden in einzelnen Liegenschaften aus 3 bis 4-Zimerwohnungen Einzimmer-Logis abparzelliert und zum maximalen von der Sozialhilfe bezahlten Höchstpreis von 800 Franken vermietet. Wucher nennt das Brigitta Tschäppeler, Leiterin der Gassenküche und sagt weiter, dass von IV und AHV-Bezügern zum Teil gar 1100 Franken verlangt würden. Ferner fragt sie, weshalb leerstehende Liegenschaften nicht bis zu deren Abriss für Notdürftige zur Verfügung gestellt werden könnten?

Petition für Massnahmen gegen die Wohnungsnot

In der von 15 sozialen Organisationen – darunter auch dem Verein Gassenarbeit Schwarzer Peter – eingereichten Petition „Für Massnahmen gegen die Wohnungsnot“ fordern die Petenten nebst ‚Umnutzungen und Wohncontainer’, ‚Umsetzung Volta Ost’ und ‚Wohnen vor Arbeit’ auch, dass die Stadt Basel als Vorreiterin eigenen Wohnraum zur Verfügung stellen soll. Der Kommissionsbeschluss vom 21. Mai dieses Jahres verlangt, dass die entsprechende Petition dem Regierungsrat zur Stellungnahme innert eines Jahres zu überweisen sei. Und so ein Jahr dauert lange.

Milchvorrat im Keller der Gassenküche

Bei unserem Besuch in der Gassenküche fiel auf, dass sich dort viele Menschen verpflegten, die – wenn man ihnen auf der Strasse begegnete – niemals als armutsbetroffen oder randständig zu erkennen wären. "Unter den täglich mindestens 80 Personen, die zum Frühstück und den circa 140, die täglich zum Znacht erscheinen, gibt es natürlich auch „Stammkunden“, die bereits seit 10 bis 25 Jahren kommen", sagt Tschäppeler. Der Zmorge ist immer gratis, ein Nachtessen kostet drei Franken. Falls jemand kein Geld hat, bekommt er Suppe, Salat und Dessert gratis. Hungrig müsse niemand den Verein verlassen, so die Leiterin der Gassenküche. Dass am Abend unseres Besuchs servierte Cordon Bleu sei sehr begehrt, ihr Menu wechsle täglich. Beim Cordon Bleu funktioniere das Buschtelefon aber hervorragend. Regelmässig kämen dann im Verlaufe des Abends noch deutlich mehr Personen, als an den anderen Tagen. In unserem Fall waren es deren 160. Täglich werden mindestens 30 Liter Milch, Kaffee und 2.5 Kilogramm Butter verbraucht. Das verwundert nicht. Mehr erstaunen die rund 2 Kilo Zucker. Die Leiterin der Gassenküche aber kennt den Grund. Wer sich nicht regelmässig vernünftig ernährt, entwickelt einen Heisshunger auf alles, was süss ist. Frau Tschäppeler wird ihr Lager vergrössern müssen.