Auch Autismusbetreuung gehört zum Angebot des GSR: Das Bild aus dem Jahr 2009 zeigt die fünf Jahre alte Adelka aus der tschechischen Hauptstadt Prag. Sie besuchte damals einen Kindergarten, der speziell auf die Bedürfnisse autistischer Kinder eingeht. Das Bild des tschechischen Fotografen Milan Jaros erreichte den zweiten Platz des internationalen Wettbewerbs „«UNICEF-Foto des Jahres»“. ©Keystone/Milan Jaros
Auch Autismusbetreuung gehört zum Angebot des GSR: Das Bild aus dem Jahr 2009 zeigt die fünf Jahre alte Adelka aus der tschechischen Hauptstadt Prag. Sie besuchte damals einen Kindergarten, der speziell auf die Bedürfnisse autistischer Kinder eingeht. Das Bild des tschechischen Fotografen Milan Jaros erreichte den zweiten Platz des internationalen Wettbewerbs „«UNICEF-Foto des Jahres»“. ©Keystone/Milan Jaros
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Integrative Schule stösst bereits ans Limit – Baselland begrüsst bevorstehende Eröffnung des 36 Millionen teuren Privatschulbaus

Mit der Integrativen Schule sollten behinderte Kinder im Regelunterricht mitgenommen werden. Dieses Konzept stösst immer noch auf Kritik – weil die Kinder je nach Grad der Behinderung das ganze System überfordern. Deshalb eröffnet in Aesch jetzt mit dem GSR Zentrum für Gehör, Sprache und Kommunikation eine neue, grössere Schule. Das Zentrum im baselstädtischen Riehen wird aufgelöst.

Für behinderte Kinder ist es nicht einfach, dem Unterricht einer Regelschule zu folgen. Erst recht nicht, wenn sie unter schweren Behinderungen leiden, gerade im kommunikativen Bereich: Wenn also eine Beeinträchtigung des Gehörs oder des Sprachzentrums vorliegt. Denn Sprache ist, womit Lerninhalte vermittelt werden. Seit dem Prinzip der Integrativen Schule sollten aber auch diese Kinder dem Regelunterricht folgen. Betreut zwar, aber sonst allein in einer Klasse mit nicht beeinträchtigten Kindern.

Unter "gehörlosen Schule Riehen" bekannte Institution wird aufgelöst und integriert 

Das Zentrum für Gehör, Sprache und Kommunikation der GSR Wieland Stiftung will diese Lücke füllen. Am 14. August eröffnet sie in Aesch Nord eine neue Schule. Schon der Bau war ein Spiessrutenlauf: Zuerst wollte die Stiftung, die in Basel und Riehen Standorte betrieb, alles in Arlesheim zusammenlegen. Dort kippte allerdings die Bevölkerung in einer Referendumsabstimmung 2012 das Bauvorhaben. In Aesch hingegen wurde die Stiftung willkommen geheissen, in 19 Monaten baute sie das neue Schulhaus im Gewerbegebiet. Von den 8'300 Quadratmetern Nettonutzfläche sind nur knapp zwei Drittel durch die Schule belegt; der Rest steht Gewerbe und Kleingewerbe zur Verfügung. So will es das Raumplanungsgesetz.

Autismuszentrum für ausserordentlich aufwändige Betreuung 

Fassade des Neubaus in Aesch Nord. ©GSR Zentrum für Gehör, Sprache und Kommunikation

Für die Institution ist die Eröffnung auch eine Erleichterung. Denn die vier Geschäftsbereiche Sprachheilschule, Audiopädagogischer Dienst, Autismuszentrum und Administration sind nun an einem Ort unter einem Dach – statt wie bisher an verschiedenen Standorten. Allein in der Sprachheilschule befinden sich 100 bis 120 Kinder, wie Stiftungsrat Remigius Bitterli sagt. Der Audiopädagogische Dienst wiederum arbeitet dezentral in den Schulhäusern und betreut vor Ort behinderte Kinder in Regelklassen.

Das vor acht Jahren gegründete Autismuszentrum kümmert sich derzeit um acht Kinder mit frühkindlicher Autismusstörung. Gerade dieser Bereich ist sehr betreuungsintensiv, denn die Kinder können kaum mit ihrer Umwelt kommunizieren. So braucht es pro Kind mehrere Betreuungspersonen – etwas, das sich die Staatsschule nie leisten kann.

Mit Baselland gehts besser als mit Basel-Stadt

An der Eröffnung wird auch die Baselbieter Bildungsdirektorin Monica Gschwind sprechen. Was sich die Stiftung von ihr verspricht? Remigius Bitterli sagt: «Ein klares Bekenntnis zu diesem Modell, also dazu, dass Kinder mit entsprechender Beeinträchtigung bei uns in Aesch besser aufgehoben sind als in der Regelschule.» Denn es sei erfahrungsgemäss so, dass gerade anspruchsvolle Fälle bald wieder in den Unterricht bei den Spezialisten zurückkehren würden. «Das integrative Modell hat sicher seine Vorteile, kann aber längst nicht von allen in Anspruch genommen werden».

Die Zusammenarbeit mit Baselland sei gut, sagt Bitterli. Mit Basel-Stadt gestalte sich dies teilweise schwieriger, da das Integrationskonzept des Stadtkantons weniger Schnittstellen biete. «Wichtig ist für uns klar die Anerkennung, dass wir zum Wohl des Kindes arbeiten», sagt Bitterli. Privatschulen kämpfen ohnehin einen bereits jahrzehntelangen Kampf um Anerkennung, gerade im Bereich von Behinderungen und kognitiven Störungen. Seit der Harmonisierung des Schweizer Schulwesens und dem begleitenden Konzept der Integrativen Schule hat sich dieser Konflikt weiter zugespitzt.

Gute Nachbarschaft im Privatschulbereich

Schule mit gutem Anschluss: Entwicklungsgebiet Aesch Nord. © GSR Zentrum für Gehör, Sprache und Kommunikation

Insgesamt 36 Millionen Franken hat der Bau der neuen Schule in Aesch Nord gekostet, sämtliche Budgets und Zeitpläne seien eingehalten worden, so Bitterli, der im Stiftungsrat fürs Bauwesen zuständig ist. Von den Flächen fürs Gewerbe seien noch zwei zu haben, vorzugsweise an Praxen aus dem Gesundheitsbereich.

Das Zentrum für Gehör, Sprache und Kommunikation hat schon mal gute Nachbarschaft im Privatschulbereich: In Aesch steht auch die International School Basel. Zudem hat sich das Gebiet in den vergangenen Jahren rasant entwickelt, ist bestens erschlossen. So bleibt also die Aussicht auf die Einsicht: Dass die Integrative Schule an ihr Limit stösst. Und Kinder je nach Behinderung in den Händen von Spezialisten eben doch besser gedeihen denn als ausgefallenes Anhängsel in einer Regelklasse der Volksschule.

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