Bild: Keystone
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Mit den Flüchtlingen kommen alte Krankheiten in die Schweiz zurück, nicht auf jede ist man genügend vorbereitet

"Tuberkulose-Fälle in der Schweiz nehmen zu" und "Die Diphterie ist zurück": So titelten in den letzten Tagen Zeitungen aus dem Tamedia-Konzern. In beiden Fällen wurde berichtet, dass Migranten und Flüchtlinge, da oft ungeimpft, diese Krankheiten in die Schweiz brächten.

Im Basler Universitätsspital wurden im vergangenen Jahr 41 Patienten mit Tuberkulose (TB) behandelt, was einen Anstieg von 11 Personen gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Die Zahl neuer Krankheitsfälle, insbesondere die jährlichen Veränderungen bei TB, seien gemäss Kantonsarzt Thomas Steffen tatsächlich "stark abhängig von der Situation im Asylbereich". Die Krankheitsfälle in der ständigen Wohnbevölkerung sind geringen Schwankungen unterworfen. "Gemäss unseren Zahlen der letzten Jahre handelt es sich bei ca. 25-40 Prozent der Tuberkulose-Erkrankten um Asylsuchende", sagt Thomas Steffen weiter 

Diphterien galt als ausgestorben, nun fehlt das Gegengift

Über Italien reiste am 25. April 2014 ein junger Asylsuchender in Österreich ein. Verschiedene offene Hautwunden verunstalteten seinen Körper, Geschwüre wie sie keiner der behandelnden Ärzte zuvor je gesehen hatte. Erst ein Abstrich schaffte Klarheit: der Patient trug eine lebensgefährliche Krankheit in sich, die in Europa praktisch als ausgestorben galt: die Diphterie. Der letzte Fall wurde in der Schweiz 1983 festgestellt. Doch seit zwei Jahren ist sie zurück.

Gemäss Recherchen der Sonntagszeitung (SZ) registrierten die Schweizer Gesundheitsbehörden in den letzten 52 Wochen 11 Diphterie-Fälle, neun davon betrafen Asylsuchende, zwei Personen waren Reisende aus Asien. Parallelen gibt es auf dem ganzen Kontinent. Die europäische Gesundheitsbehörde ECDC geht dabei sogar von wesentlich höheren Zahlen aus, als bisher bekannt. Denn viele dieser Erkrankungen würden bei Flüchtlingen nicht erfasst. Den meisten Ärzten seien die Art der Geschwüre nach wie vor unbekannt. Allerdings ist die Gefahr einer Ansteckung bei geimpften Personen klein, "für die Bevölkerung besteht keine Gefahr" sagt Daniel Koch, Leiter der Abteilung übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) der SZ. Doch Vorsicht: Eine Impfung schützt nicht vor Ansteckung mit Bakterien, sondern nur vor deren Wirkung. Sorgen bereiten den Fachleuten deshalb nun vor allem die in Europa seit den 50er-Jahren verschwundenen, besonders gefährlichen giftbildenden Bakterienstämme. Im vergangenen Jahr brach diese Diphterie bei einem sechsjährigen, geimpften Knaben in Spanien aus. In einem solchen Fall hilft - bei gleichzeitiger Einnahme von Antibiotika - nur noch das Gegengift DAT. Doch obwohl dieses Medikament von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) offiziell gelistet ist, war es weder in der Heimat des Patienten, noch in den benachbarten Ländern aufzutreiben. Der Bub starb.

In der Schweizer Armeeapotheke lagern derzeit 20 Portionen DAT, sie verfallen dieses Jahr. Eine Beschaffung von neuem Antiserum ist äusserst schwierig. Der Bedarf war bis in die jüngste Zeit derart gering, dass es nur noch sehr wenig Hersteller und entsprechend kleine Vorräte gibt. 

Gesundheitskontrolle bei allen Flüchtlingen?

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) erklärt gegenüber barfi.ch, in den Empfangs- und Verfahrenszentren des Bundes, zu denen auch das Basler Empfangs- und Verfahrenszentrum Bässlergut gehört, sei die medizinische Grundversorgung sichergestellt. Erkrankungen können frühzeitig erkannt und Patienten eine adäquate Behandlung gewährt werden. Die Betreuungsleistungen seien durch eine Pflegefachperson gewährleistet, die zudem als Anlaufstelle für Asylsuchende bei allen gesundheitlichen Beschwerden gelte. Bei Bedarf würden erkrankte Personen an einen Arzt oder ein Spital überwiesen.

Seit 2006 werde bei allen Asylsuchenden eine Befragung auf TB innert fünf Tagen nach Ankunft durchgeführt. Bei Verdacht auf TB steht eine Abklärungs-Software zur Verfügung, mit der asylsuchenden Personen Fragen in einer von 32 Sprachen gestellt werden können. 

Bundesweite Zunahme von Malaria und Dengue-Fieber

Obwohl schweizweit mehr Fälle von Malaria und Dengue-Fieber verzeichnet werden, sind die Zahlen in Basel im Bezug auf das Dengue-Fieber stabil bestätigt Kantonsarzt Thomas Steffen. Eine Ausnahme, denn: "Die Malaria-Fälle nehmen tendenziell zu". Zudem sei es nicht möglich festzustellen, ob die Malariafälle mehrheitlich bei Flüchtlingen und Migranten aufträten, da vom Kanton der Aufenthaltsstatus nicht erfasst würde. Man gehe aber davon aus, dass die meisten Fälle auf einheimische Reiserückkehrende zurückzuführen seien. Entwarnung könnte auch in Bezug auf das Zika-Virus gegeben werden. Bisher sei keine Zika-Erkrankung im Kanton Basel-Stadt bekannt. Dafür seien Fälle von Krätze, festgestellt worden.

Flüchtlinge ohne Impfschutz gegen hiesige Erkrankungen

Flüchtlinge aus Eritrea, wo man zum Beispiel die Windpocken nicht kennt, sind zudem vor Schweizer Kinderkrankheiten wie Masern, Mumps, Röteln und Windpocken in der Regel gar nicht geschützt. Aus diesem Grund werden Asylsuchende im Rahmen der grenzsanitarischen Massnahmen (GSM) über das Gesundheitssystem der Schweiz und die Möglichkeit von Impfungen informiert. Ferner werden sie über sexuell übertragbare Krankheiten, wie HIV/AIDS, sowie andere ansteckenden Krankheiten aufgeklärt. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) sieht keine zusätzliche Massnahmen vor. Gezielte Impfung von Personen und Personengruppen, die einem Risiko ausgesetzt sind oder waren, werden in enger Zusammenarbeit mit den verantwortlichen kantonalen Stellen vereinbart.

Beim Ausbruch des gefährlichsten Bakterienstamms von Diphterie, müsste auch eine genügende Menge von Gegengiften vorhanden sein. Das ist derzeit in Europa nicht der Fall.