David Jucker und Armin Sirch versorgen Basel mit lokalen Pilzen. Foto: Andreas Frutig
David Jucker und Armin Sirch versorgen Basel mit lokalen Pilzen. Foto: Andreas Frutig
  • Text und Bilder: Jonas Egli

Nicht nur Schimmel: In diesem Basler Keller wachsen Edelpilze

Die Pilze auf den Tellern der Basler Restaurants stammen aus einem Keller im St. Johann, seit 2015 werden sie auf den Überresten der morgendlichen Espressi gezüchtet. Ein Besuch bei einem abenteuerlichen Hobbyprojekt.

  

Zu Beginn im Jahr 2015 war ein Verein von einem Dutzend Personen am Projekt beteiligt mit dem ambitionierten Ziel, im Untergrund des Gundeldinger Feldes bis zu einhundert Kilo Pilze pro Woche zu produzieren. Sie meldeten ihr Projekt bei der ersten Ausschreibung von «Innovation Basel» an, und gewannen diesen Preis auch. Mit der Unterstützung der Basler Zünfte und Ehrengesellschaften konnte es losgehen.

Die Bedingungen im Gundeldinger Feld waren dann doch nicht ideal. Heute kommen die Stadtpilze aus einem Keller im St. Johann, die StadtPilzler sind noch zu zweit und produzieren monatlich rund 60 Kilo Seitlinge verschiedener Sorten. Diese liefern sie an lokale Restaurants. Rhyschänzli, zum Kuss, zum Onkel oder gar der Teufelhof sind Abnehmer. In der Gastronomie sind die Preise allerdings tief, sie verkaufen ihre Pilze am liebsten auf dem Markt.

Armin Sirch und David Jucker sind nicht irgendwelche Hobbygärtner auf Abwegen, sondern ausgebildet in Biotechnologie, Bioanalytik und Zellbiologie. Nötig sei dies aber nicht: «Jeder, der ein paar Tage auf Youtube verbringt, kann das auch. Die Frage ist, wer all den Aufwand betreiben will.» In Asien gäbe es ganze Studiengänge, hierzulande sei man davon weit entfernt.

Geld wächst in diesem Keller keines

«Wir züchten vor allem Seitlinge, weil diese resistent sind gegen Kontamination», meint Jucker, als er mich in den Keller an der Gasstrasse führt. Von aussen sieht der Wohnblock so gar nicht nach Gourmettempel aus. Der Vorteil von Kaffeesatz ist, dass er nicht extra sterilisiert werden muss. Dieser Aufwand wäre für das Hobbyprojekt kaum zu stemmen. Denn auch nach bald drei Jahren ist die Pilzzucht trotz guten Absatzzahlen keine Goldmine, sondern gerade mal selbsttragend. Ohne Freiwillige würde es nicht gehen. Um davon leben zu können, müssten sie etwa 200 Kilo pro Monat verkaufen können, die Anlage hat eine Kapazität von 400. «Das ist klar das Ziel, und es ist definitiv auch realistisch,» wie Jucker inmitten der weissen Plastikkübeln meint. Dazu sei aber auch ein Umdenken gegenüber dem Produkt nötig.

Der Vielseitling

Jucker sieht die Gastrobranche in der Pflicht, ihre Vorurteile zu überdenken: «Viele denken noch immer, Pilze gehören zu Herbst und Winter. Anders als in Asien sind Pilze nicht in unserer Kultur verankert.» Dabei sind Pilze ganzjährig frisch erhältlich und saisonal unterschiedlich. Rosen-, Limonen und indischer Seitling sind die Sommerschwammerl, Austernpilze oder Ulmenseitlinge bilden eher die Wintervariante. Jucker verzeiht den Köchen nicht, dass sie ihre Pilze noch immer in Rahmsosse und Käse ertränken. Ein Fehler, wie Jucker findet: Pilze seien von Natur aus leicht und passen mit Zitronensaft sehr gut in jeden Sommersalat.

Upcycling vom Espresso zum Pilzgericht

Was es zur Pilzzucht braucht, sind Unmengen an Kaffeesatz. Zwar gibt es Privatpersonen, die ihren Kaffeesatz im Tupperwarebehälter vobeibringen, die benötigten 2’000 Liter pro Monat kommen aber nur zusammen, indem Jucker die Resten der lokalen Kaffeekultur selbst abholt. Nicht nur das verbrauchte Pulver, sondern auch Resten aus der Röstung der Bohnen. Das Ziel ist, den Abfällen ein neues Leben zu schenken. Den Innovationspreis erhielten sie auch wegen diesem Engagement. Und auch nachdem das alte Pulver Speisepilze hervorgebracht hat, ist der Kreislauf noch nicht vorbei: Das, was übrigbleibt, ist ein hervorragender Pflanzendünger. Stadtpilze ist Teil des Netzwerks «Urban Agriculture Basel» und Jucker liegen Themen wie Food Waste oder Upcycling am Herzen. Dazu gehört, dass die Pilze der Restaurants eben nicht mit Lastwagen hergekarrt werden, sondern per Cargobike aus der Nachbarschaft kommen.

Myzel aus Belgien

Das Myzel beziehen sie, wie David Jucker zähneknirschend zugeben muss, im Moment allerdings noch aus Belgien. Der Grosshersteller «Mycelia» vertreibt mit Sporenlösung geimpfte Hirse von über 260 Sorten in ganz Europa. «Wir würden das gerne selber machen, aber die hochsterilen Bedingungen bekommen wir nicht hin», meint der Basler. In weissen Säcken eingeschweisst kommt das «Saatgut» ins Basler St. Johann, wo es mit Kaffeesatz und etwas Kalk im Betonmischer vermengt wird, bevor es in nummerierten, weissen Plastikkesseln inkubiert wird. Der Pilz erscheint dann im Fruchtungsraum aus den Löchern der Kessel, nachdem die Sporen den ganzen Kaffeesatz durchwachsen haben. Rund 5’300 Liter Substrat harren im Inkubationsraum auf diesen Moment.

David Jucker zeigt auf ein paar Kessel mit den Versuchen, andere Pilze zu züchten. Statt der erhofften Fungi gab es aber diesmal nur Schimmel. In Zukunft sind auch Zuchtformen auf Holz geplant, um zum Beispiel Steinpilze zu züchten. Er hofft, so in etwa zwei Jahren sein ambitioniertes Hobby zum Haupterwerb machen zu können.

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