Nierentransplantation am Universitätsspital Basel. Bild: zVg USB
Nierentransplantation am Universitätsspital Basel. Bild: zVg USB
  • Binci Heeb
  • Aktualisiert am

Nierentransplantationen: Basler Unispital wünscht europäischen Pool für «über-Kreuz-Spenden»

Das Unispital Basel war Vorreiter: 1999 führten seine Ärzte die erste Lebend-Nierenspende der Schweiz und sogar im gesamten deutschsprachigen Raum von einer Person direkt zum Patienten durch. In Genf wurde nun kürzlich eine dreifache Nierenspende mit drei Lebendspendern «über Kreuz» durchgeführt. Nach Zürich ist diese Dreifachspende erst die zweite Operation dieser Art in der Schweiz. 

Was sind «über-Kreuz-Transplantationen»?

Bei den «über-Kreuz-Transplantationen» kommen mehrere Spender-Empfänger-Paare zusammen, die untereinander nicht kompatibel sind: Spender 1 will Empfänger 1 eine Niere spenden, hat aber nicht den passenden Gewebetyp und/oder eine inkompatible Blutgruppe. Das gleiche Problem hat Spender-Empfänger-Paar 2. Spender 1 könnte seine Niere aber Empfänger 2 geben, Spender 2 seine Niere für Empfänger 1.

 

Um die Zahl von Lebendspenden zu vergrössern, wollte Chefarzt Professor Jürg Steiger, Nephrologe und Transplantationsimmunologe am Universitätsspital Basel, bereits 1999 Paare finden, die sich für «über-Kreuz-Transplantationen» zur Verfügung stellen würden. Aufgrund der langwierigen Auswahlverfahren und der Unbekannheit dieses Verfahrens konnten aber damals nicht genügend Paare gefunden werden. Im Jahr 2005 wurde in Basel das erste Mal eine Niere über die Blutgruppenschranke transplantiert. Die Möglichkeit der Blutgruppen inkompatiblen Transplantation wurde in der Folge weiter erfolgreich ausgebaut, so dass aktuell bis zu 20% der Lebendnieren über die Blutgruppenschranke transplantiert werden. Der Erfolg nach Blutgruppen inkompatiblen Transplantationen ist vergleichbar mit Blutgruppen kompatiblen Transplantationen, so Steiger. Durch diese Möglichkeit fällt eine grosse Gruppe von Patienten aus dem Pool der «über-Kreuz-Transplantationen» weg.

Partner oder Familienmitglieder

Nieren-Lebendspenden können von einem Familienmitglied auf ein anderes erfolgen. Von Mutter oder Vater auf ein Kind (ca. 25%), von Schwester zu Bruder oder umgekehrt (ca. 25%), aber auch von Mann oder Frau auf den Partner (ca. 35%). In letzterem Fall ist die Wahrscheinlichkeit, dass die beiden für eine Transplantation nötigen Parameter passen, nämlich die passende Blutgruppe und die Gewebeverträglichkeit, kleiner. In der Praxis spielt das aber meist eine unwesentliche Rolle.

Währendem die Blutgruppenunverträglichkeit mittlerweile mittels Immunsuppression ungefähr vier Wochen vor dem Eingriff vorbehandelt werden kann, indem die Antikörper «rausgespült» werden, stellen die Gewebeantikörper (sogenannte HLA-Antikörper) ein viel grösseres Hindernis dar, wie Ulrike Müller-Arndt, Transplantationskoordinatorin am Unispital gegenüber barfi.ch erklärt. Diese Antikörper können so stark sein, dass eine Transplantation nicht möglich ist. Genau in diesen Fällen kann eine «über-Kreuz-Transplantation» die Lösung sein.

Vorteile einer Lebendspende

  • Bei Lebendspenden kann transplantiert werden, ohne dass die an Nierenkrankheit leidende Person an die Dialyse (Blutreinigung) muss (= präemtive Transplantation).
  • Bei einer präemtiven Transplantation ist deshalb die Sterblichkeit und Krankheitsanfälligkeit geringer.
  • Die Transplantation findet nicht in einem Notfallsetting statt.
  • Bei Nierenentnahme wird der Blutfluss durch die Niere unterbrochen. Bei der Lebendspende ist diese Ischämiezeit (Zeitspanne, während welcher zu transplantierende Organe oder Gewebe nicht mit Blut und damit mit Sauerstoff versorgt werden) sehr kurz, weil Empfänger und Spender fast gleichzeitig operiert werden.

Europäischer Pool angestrebt

Da initial eine Poollösung nicht möglich war und seit 2005 erfolgreich Blutgruppen inkompatible Paare transplantiert werden können, wurden seit 17 Jahren am Unispital keine «über-Kreuz-Transplantationen» mehr durchgeführt. Aktuell wird nun versucht eine gesamtschweizerische Lösung zu erarbeiten. Ein Schweizer Pool ist möglicherweise nicht gross genug. Es wäre wünschenswert einen europaweiten Pool einzuführen, so Professor Steiger, denn je grösser der Pool, um so grösser die Möglichkeit einen geeigneten Spender zu finden.

Einige Fakten

  • 1968 erhielt ein Mann am Universitätsspital Basel eine neue Niere, mit welcher er seit 48 Jahren ein gutes und unbeschwertes Leben führt Er liegt damit weltweit unter den ersten drei Patienten mit dem am längsten funktionierenden Nierentransplantat.
  • 2003 fand in Basel die erste altruistische (nicht an eine bestimmte Person gerichtete) Nieren-Lebendspende statt. Ein älterer Herr, der seine Frau verloren hatte, wollte mit seiner Spende etwas Gutes tun. Seither gab es ungefähr 15 nicht gerichtete Spenden.
  • Ab 2005 wurde am Unispital bereits Blut inkompatibel operiert. Seither werden ungefähr 20 Prozent der Transplantierten mit einem nicht Blut kompatiblen Transplantat versorgt.
  • 66 Prozent der Lebendspender sind Frauen. «Wie auch sonst im Leben sind Frauen eher die Gebenden», sagt Jürg Steiger. Die Männer hingegen sind öfter nierenkrank.
  • Organspenden können noch bis ins hohe Alter erfolgen. Bei der Nierenspende zum Beispiel kann der Spender gar 85 bis 90 Jahre alt sein.
  • Das Abstossungsrisiko bei Nierentransplantationen von Lebendspenden ist 10 – 20 Prozent.
  • Das Basler Unispital hat im Jahr 2015 bisher 2222 Nierentransplantationen durchgeführt (aktuell 2289). 

Prof. Dr. Jürg Steiger, Chefarzt Universitätsspital Basel, Nephrologe und Transplantationsimmunologe. Bild: zVg USB

«Obwohl es sehr wichtig ist, einen Organspendeausweis auf sich zu tragen, ist es noch viel wichtiger, dass man im Gespräch mit der Familie seinen Willen, die eigenen Organe im Falle eines Unglücks spenden zu wollen, kundtut», bekräftigt Steiner. Der Nephrologe eilt zum nächsten Gespräch mit einer nierenkranken Baslerin, Mutter zweier Kinder, die transplantiert werden muss. Ihr Ehegatte und ihre drei Geschwister lassen sich im Anschluss an die Unterredung testen, ob sie als Spender in Frage kommen.

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