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  • Andy Strässle
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Notruf: Im reichen Basel müssen die eigenen Armen trotz Minusgraden draussen bleiben

Die Wärmestube «Soup n'Chill» im Gundeli schlägt Alarm. Trotz freier Betten in der Notschlafstelle und an der Allemannengasse müssten viele Obdachlose trotz Feiertage und kalter Temperaturen draussen bleiben. Jetzt sollen die Basler Schlafsäcke, Jacken und Decken spenden, um das Schlimmste zu verhindern.

 «Die minus Temperaturen kamen diesen Winter halt früh und wir haben soviele Gäste in einem allgemein schlechten Zustand, dass das «soziale» Basel meint wir hätten zu viele Menschen geschickt, und kalt sei es sowieso jeden Winter, ein Grossteil der Leute stamme nicht aus Basel-Stadt!», schreibt der Teamleiter von Soup n'Chill Andreas Tännler und klingt verzweifelt. Die Wärmestube hinter dem Bahnhof fühlt sich im Stich gelassen und ruft die Bevölkerung darum dazu auf, Schlafsäcke, Decken und Jacken zu spenden. Das Soup n'Chill sei die einzige Institution, die über Weihnachten und Neujahr offen habe. Bis zu 150 Leute in prekären Lebensumständen flüchten in die Wärme an der Meret Oppenheim Strasse. Schlafplätze kann der Treffpunkt des Vereins allerdings keine anbieten. Rund 37 Besucher der Wärmestube seien obdachlos und hätten selbst bei sieben Grad minus keine Chance in einer der Notschlafstellen unterzukommen.

Betten bleiben leer

Zwar hat Soup n'Chill für den Winter vorgesorgt und Geld für Gutscheine für die Notschlafstellen gesammelt, aber nun nähmen die Notschlafstellen die Obdachlosen trotz leeren, warmen Betten die Leute nicht auf. Wenn es um den «Kantönligeist» geht, hört der Spass im «sozialen» Basel offenbar auf. So schreibt Tännler: «Claudia Adrario (Präsidentin von S&C) und ich wurden zu einer Notsitzung mit hohen Chefbeamtinnen «eingeladen», leider hatten die kein Gehör, dass es seit fast 5 Wochen minus 2-5 Grad in der Nacht ist!» Bei dieser Sitzung – natürlich in einem warmen Büro – hätten die Behörden darauf gepocht, dass Soup n'Chill keine Leute mehr in die Wärme der Notschlafstellen schicken dürfe, da dass «Kontingent» der Wärmestube aufgebraucht sei.

Nicht nur paradox, sondern zynisch

In den Worten des Teamleiters klingt das dann so: «Die Sozialhilfe BS und die Notschlafstelle setzen uns massiv unter Druck, wir dürfen pro Monat nur noch ein Kontingent von 30 Nächten ausgeben, also ein Bon für eine Nacht pro Abend! Das per sofort.» Laut Angaben der Wärmestube gebe es allerdings genug Betten. Die Herzlosigkeit des «sozialen Basel» bei klirrender Kälte in klaren Nächten wird damit begründet, dass die Obdachlosen entweder nicht aus dem Kanton stammen würden oder Ausländer seien. Auf Gesundheitszustand, Alter oder Suchtprobleme nimmt einer der reichsten Kantone der Schweiz keine Rücksicht. Hoffentlich ticken die Baslerinnen und Basler anders und helfen mit, dass keine Menschen erfrieren. In den Worten von Andreas Tännler: «Es ist paradox: Wir verfügen über ausreichend Bons, die gesponsert wurden. Betten sind leer. Menschen müssen draussen frieren.» Am Ende ist das nicht nur paradox, sondern zynisch.

Mehr Informationen: www.soupandchill.com

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