Das erste Naturschutzgebiet in der ganzen Schweiz wurde in Basel ausgerufen. Bild: Wikimedia Commons/MrBeanAesch.
Das erste Naturschutzgebiet in der ganzen Schweiz wurde in Basel ausgerufen. Bild: Wikimedia Commons/MrBeanAesch.
  • Andy Strässle
  • Aktualisiert am

Ober-Ökos: Basler riefen schweizweit das erste Naturschutzgebiet aus

Die «Rheinhalde» sieht auf den ersten Blick nur nach einem Haufen abgeschütteter Steine aus, wie es sie entlang des Rheins viele gibt. Der Eindruck täuscht. Denn diese Steine sind das erste «amtliche» Naturschutzgebiet der Schweiz.

Da erblickte der Ostschweizer und heutige Regierungsrat Hans-Peter Wessels noch nicht einmal die Welt. Noch lange nicht. Und trotzdem waren die Basler schon Ober-Ökos. Jener undenkbare Akt geschah im Jahre des Herrn 1913, der Regierungsrat stellte einen 1,6 Kilometer langen Uferhang zwischen Schwarzwaldbrücke bis hin zur deutschen Grenze beim Hörnli unter Naturschutz. Den Entscheid fällte zudem erst  noch von einer stramm-bürgerlichen Regierung. Damals hatte die liberal-konservative Partei in der Exekutive eine klare Mehrheit. Die «amtliche» unter Schutzstellung eines Gebietes soll vor allem die Biodiversität, also die Vielfalt der Natur und der Tierarten erhalten. Auf den ersten Blick ist es schwer auszumachen, warum gerade diese Steine am Rheinufer besonders schützenswert sein sollen. Doch schnell wird man eines Besseren belehrt: Hier kreuchen und fleuchen 485 verschiedene Arten herum.

Streit um uralten Erdrüssel-Käfer

Die Unterschutzstellung durch die Regierung erfolgte, weil sich auf, in und unter den Steinen eine «thermophile», also wärmeliebende Flora und Fauna entwickelt habe. Im Jahr 2007 sorgte dann der Erdrüsselkäfer im ersten Naturschutzgebiet der Schweiz für Schlagzeilen. Dieser Käfer sollte der allerälteste Basler sein und aus der Voreiszeit stammen. Das heisst dieser Käfer hätte seit mehr als zwei Millionen Jahren in der Region gelebt. Um den blinden Käfer, der vierzig Zentimeter unter Boden lebt entbrannte bald ein Streit, ob es überhaupt möglich sei, dass er aus dem Tertiär-Zeitalter stammen könnte. Schliesslich sei das Rheinbord, ob jetzt Naturschutzgebiet oder eben nicht. So schrieben Biologen der Uni Basel, dass in den letzten 10'000 Jahren das Flussbett des Rheins mehrfach «umgelagert» worden sei. Auch habe sich der «trocken-warme Charakter» des Standortes erst jüngst entwickelt. Da dürfe man nicht von einer «Lebensraumkonstanz» sprechen. 

Pusten-Pockenflechte und Bienen-Ragwurz

Die Biologen argumentieren, dass der Erdrüsselkäfer etwa auch durch eine «Windverdriftung» oder schlicht durch den an Anbau von Weinreben bei den nahegelegenen Schrebergärten aus dem Mittelmeerraum hätte eingeschleppt werden können. So bleibt unklar, ob der allerälteste Basler wirklich ein Käfer ist. Ein Blick auf das von der Stadtgärtnerei 2011 erstellte Naturinventar zeigt, dass Naturschutzgebiete auf Stadtgebiet ziemlich oft Bahngeleise oder sogar Mauern am Rheinufer sind. Hier nisten sich beispielsweise seltene Flechten ein. Von blossem Auge sehen diese zwar eher aus, wie vertrocknetes Unkraut, aber biologisch sind dann eben doch wertvoll. Auf den 37 Quadratkilometern Basel-Stadt gibt es elf Naturschutzgebiete. Die meisten davon eigentlich in Riehen. Seltene und geschützte Flora und Fauna soll es darüber hinaus noch beim St. Johanns-Bahnhof geben. Das Inventar berichtet aber auch von der Pusten-Pockenflechte, die es in der Stadt gibt und auch der Bienen-Ragwurz soll hier nicht verschwiegen werden. Fast erleichtert entdeckt man dann auf Seite 60 des Inventars den Alexis-Bläuling. Endlich, endlich, ein Schmetterling denkt man erleichtert und täuscht sich: Es ist genaugenommen ein Tagfalter. Und das ist etwas ganz Anderes. 

Sei es wie es sei: Das Naturschutzinventar entstand unter der Ägide von Regierungsrat Wessels. Und auch wenn die Natur auf Stadtgebiet nicht spektakulär ist, so ist sie doch da und auf das erste Naturschutzgebiet der Schweiz können wir ruhig ein bisschen stolz sein. Es muss ja nicht immer Streit um Parkplätze sein.

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