©Henry Harlekin
©Henry Harlekin
  • Text und Bilder: Ryslaifer
  • Aktualisiert am

Ryslaifer (II): All diese wundersamen Erscheinungen

Die Sonne ist bereits schlafen gegangen. Doch Basel ist auf den Beinen. Das mediokre Ziiglli des Ryslaifer ist gerade unterwegs ins Glaibasel. Gemächlich, mit jenem epischen Marsch, den Basler Jungfasnächtler als einen der ersten lernen: den Alte. 

Es herrscht eine gemeine Kälte, eine feuchte nämlich, die fies unters Gosdym kriecht. Doch so lange du marschierst – und mit ein klein wenig Hilfe von jenem Geist, der in manchen Getränken wohnt – kommst du ganz gut über die Runden. Oder wenn du, wie jener mächtige Pfeifer, der im mediokre Ziigli eine dritte Stimme spielt, dein Fasnachtskleid aus dicken Bettdecken zusammengenäht hast, Jacke wie Hose, seine Meinung: «Es dürfte ruhig noch ein bisschen kälter sein».

Im Zug fährt zudem ein ganz junger Fasnächtler mit: Finn, dick eingepackt, in seinem exklusiven Wagen, dessen Dach aus einem Stoff gemacht ist, auf dem Baslerstäbli prangen. Erst einige Monate ist der kleine Mann auf der Welt – und schon erlebt er seine erste Fasnacht. Im Vordraab eines Zügleins. Und er macht sich gut. Ernster Blick, keinerlei Protest, grosse Augen, die all’ die Farben, all diese wundersamen Erscheinungen aufsaugen, die er vorher noch nie gesehen, auf die ihn sein bisheriger Alltag nicht vorbereitet hat...

Eigentlich geht es uns ja allen so. Wir üben das ganze Jahr für die Fasnacht, basteln und denken, wirken und werken monatelang für die drey scheenschte Dääg. Aber wenn sie dann da sind, ist alles anders. Wer Fasnacht macht, taucht jedes Mal in eine Zone ein, wird verwandelt, wie ein Traum, der einmal im Jahr wiederkehrt, ist unsere Fasnacht. Und die Gefühle, die damit verbunden sind, gibt es nur am Mäntig, Zyschtig, Mittwuch – unter dem Jahr könne sie nicht reproduziert werden, auch wenn man sich noch so Mühe gibt.

Nun marschiert das mediokre Ziigli also über die Mittlere Brücke, am Käppelijoch vorbei. Auf jenem unglaublichen Teppich, der eben auch nur für drei Tage zu haben ist, eine dicke, farbige, weiche Schicht aus Räppli, Fasnachtsbändeli, verfaulenden Orangen, Plastiksäckchen, Scherben und kaputten Kartonschachteln. Da federn die Schritte und man muss immer aufpassen, dass man nicht in eine der Stolperfallen gerät, die dieser Bodenbelag mit sich bringt, der ja zudem einen unverwechselbaren Geruch verbreitet.

Man sieht die Welt eben nur durch Larvenschlitze, auch dies ein interessantes Phänomen, das alle Aktiven schon seit Jahrzehnten kennen...

Der Blick ist sozusagen gerichtet, das Gesichtsfeld eingeengt, du bist ein bisschen wie eine Kamera – und es läuft ein grandioser Film. Denn man sollte nie vergessen, dass man – als Pfeifer, Tambour, Vordrääbler, Tambourmajor, Schränzer, Waggis – eben immer auch Zuschauer ist. Während man marschiert – oder «lauft», wie wir am Rheinknie sagen – hat man eine ganz spezielle Aussicht auf das unglaubliche Geschehen, welches sich da zuträgt.

Da kommt dir plötzlich ein ganzer Wald entgegen, aus dem es ruesst und jubilliert, lebende Bäume, die im Fasnachtschritt daherkommen. Dann wird es unvermittelt unglaublich laut, leuchtende Augen, wütende Fratzen, kochendes Blech, eine imposante Gugge zieht an dir vorbei, ein veritables Monster der Fasnacht. Jetzt ein riesiger Pfyfferharst, gefolgt von Tambouren, alle ganz in Weiss, fast wirst Du geblendet – und das rassige Nunnefirzli, das der Zug ausdünstet, mischt sich mit deinem Saggoddo. Denn mit diesem biegt das mediokre Ziigli nun in die Rheingasse ein.

Da steht viel kostümiertes Volk am Strassenrand, alle mit Stangen, Bechern, Weissweinflaschen ausgestattet, fröhliche, leicht überdrehte Basler Stimmen dringen dir an die Ohren – und immer wieder schallendes Gelächter. Dies alles wird plötzlich von unglaublich exakt ausgeführten Trommelstreichen ausgelöscht. Zehn dunkle Gestalten kreuzen unseren Weg, rasende, rötzende Trommelhunde, die Mix Laueners grossartigen Gorilla durch die Gasse tragen. Nun stellen sich die Nackenhaare.

Schon signalisiert die Zugchefin, eine grossartige Dame, die keinem Konflikt aus dem Weg geht, des mediokren Ziigli den nächsten Halt. S git Znacht, Haggbroote und bestes Ueli Bier. So muss das sein. E Guete mitenand! 

Mehr Fasnacht
Zurück zur Startseite

Möchten Sie sich zum Artikel äussern? Hier geht es zu den Kommentaren!