©Henry Harlekin
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  • Ryslaifer (Täggscht und drey Farbfötteli)
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Ryslaifer (III): War es denn noch Nacht? Oder muss man das schon Morgen nennen?

Hell scheint die Sonne, wenn der Ryslaifer am Fasnachtsmittwoch – Morgen wäre zu viel gesagt – aufsteht. Fast ein bisschen zu hell. Hoppla, herrscht da ein Chaos in der Küche. Das ist halt so, wenn man auf der Strasse lebt. Und an der Fasnacht lebt man auf der Strasse.

War es denn noch Nacht? Oder muss man es schon Morgen nennen? – Als wir nach dem Wohnungsschlüssel getastet haben, tief unter dem Goschdym, wo alle Fasnächtlerinnen und Fasnächtler ihre vielen Taschen verstecken, in denen sie das Nötigste mitführen, zum Beispiel – und im Falle des Ryslaifer – mindestens einen Flachmann, gefüllt mit Single Malt, Fassabfüllung.

Geld ist eigentlich nicht nötig, denn wir Aktiven bekommen während der drey scheenschte Dääg ja bekanntlich alles gratis, weil die Wirte, weil die Leute, die Sachen verkaufen, so eine Freude an uns haben...

Fasnachtsartefakte

Doch, weiche, Ironie; überall in der Wohnung liegen Fasnachtsartefakte herum, Larven, Thermo-Unterhosen, Pfyffe-Butzerli, Zipfelkäppli – und die Teppiche weisen tiefe Räppli-Fussabdrücke auf. Morgen wird es noch schlimmer sein, doch dann ist die Fasnacht weg...

Verbanne nun diesen tristen Gedanken, es gibt keinen Donnerstag, sagt sich der Ryslaifer, heute ist Fasnachtsmittwoch und der darf kein Ende haben.

Die Bilder, die Klänge einer epischen Zyschtigsnacht kreisen ihm immer noch durch den Kopf. Was da nicht alles durch die Altstadt-Gassen schwimmt, während die Schränzer auf den grossen Plätzen lärmen, exzentrisches, aberwitziges, apollonisches, dionysisches Treibgut der alten Frau Fasnacht.  

Hochgradig exzentrisch

Da rötzen die wahnsinnigsten Trommelhunde durch die Nacht, manche mit russgesschwärzten Gesichtern unter den Larven, da marschieren Pfyffer-Primadonnen, singend wie die Engel, dem Paradies entgegen, da wird am Spalebuggel Revolution gemacht, da leuchten die Laternen vor dem Münster, da irren hochgradig exzentrische Ziigli durchs Bermudadreieck, die mutwillig mit allen Fasnachtsgesetzen brechen, denn dafür wurde der Zyschtig geschaffen.

Ja, ganz jenseits des Pfeifens, des Trommelns, gibt es da Bemerkenswertes, etwa diese moderne Gugge, wenn man das noch so nennen darf, die sich «The Grand Wazoo» nennt, nach einem Titel von Frank Zappa, die satten modernen Jazz durch Basel trägt, so dass es jeder und jedem ins Tanzbein fährt. Oder – als Kontrast – die feierliche Laternenverbrennungszeremonie der BMG auf dem Petersplatz, die Generationen von Fasnachtsgeistern hinaufbeschwört.

Und diese quirlige, diese überschäumende Stimmung auf dem Andresemärt, wo sich die wilden Fasnächtler aller Altersgruppen ein Stelldichein geben, wen man da nicht alles antrifft, glatti Sieche, wunderscheeni Fraue, schreegi Veegel – sowie Figuren, von denen man geglaubt hat, dass sie längst verloren gegangen seien. Umso grösser die Freude...

Dann gibt es hier noch diesen einmaligen Giftmischerstand, an dem Alchemisten jenes Gebräu namens Querpfyffer verkaufen, vier Becher davon (für jedes Element, jede Himmelsrichtung einen) und du hörst die Fasnachtssirenen heulen.

Zum Glück hat uns Bummi am frühen Abend mit Gulasch und Härdöpfel gefüttert, bis zum Anschlag (und darüber hinaus), eine wunderbare Grundlage für die Imbibition geistiger Getränke...

Grüner Marterpfahl

Diese Nacht war wie ein grossartiger surrealer Traum, ein leicht angefeuchteter, wegen dem vielen Käppelijochbier natürlich, aus dem du nie mehr erwachen willst.

Das mediokere Ziigli des Ryslaifer mittendrin, unermüdlich ruessend, pfeifend, bergauf, bergab.

Und gegen Mitternacht hat unseren Vordraab der Haber gestochen, er hat uns durch die vollgestopfte Grünpfahlgasse – vulgo: Gläbbergässli – geführt, erfolgreich, wir sind ja immerhin über dreissig Personen, denn unsere Zugchefin, eine Frau, mit der man sich besser nicht anlegt, hat gesagt: «Do muesch aifach duure. Je blöder sy dien, desto öfter. Denn d Fasnacht muess z Basel yyberall aane».

Und da wurden wir von der dortigen Jungmannschaft wieder geknufft, gepufft, gestossen, bedroht, übelst beschimpft, ein Grün(pfahl)schnabel mit Bomberjacke hat uns gleich am Eingang zur Gasse lauthals mit folgenden Worten begrüsst: «Schlechte Entscheidung, hier durch zu wollen.» Die Antwort unserer Zugchefin: «Schlechte Entscheidung, hier herumzustehen und Fasnächtler zu terrorisieren.»

Auch wir vom Spiel mussten einige Tritte und Rippenstösse kassieren und verteilen, bis wir endlich am Rümelinsplatz oben waren. – Sagt die Zugchefin: «Jetzt gehen wir gleich nochmals durch...»

Hoffentlich machen das die grossen Cliquen auch so, denn, he Leute, das geht doch einfach nicht mehr! Hier sperren junge Vollbedröhnte, die mit der Fasnacht nichts anfangen können, eine der wichtigsten Gassen unserer Basler Innerstadt, dies in rüder und recht gewalttätiger Manier. Comité, Unternehmen Mitte und Polizei haben versprochen, dass es dieses Jahr besser sein würde. Und: Es ist noch schlimmer geworden. Das ist kein Zustand: Clique, Gugge, Schyssdräggziiglii – erobert diese Gasse für Frau Fasnacht zurück, das ist doch kein Zustand, verdeggel!

Sodeli. Ende der Schimpftirade. Nun muss dr Ryslaifer ins Goschdym steigen, sich in die Stadt begeben, die dramatischste Nacht des Jahres wartet, die Fasnachtsmittwochnacht. Ändlos – bis zem Ändstraich...

Yyyyyyschtoooo. Feschtspiil. Vorwärts. Marsch!

Zämme.

Fotti: Katja Heller.

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