Ein Blick auf die Geleise des Bahnhof Basel SBB
Ein Blick auf die Geleise des Bahnhof Basel SBB
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SBB: Das Elend mehrt sich - Basel stark betroffen

Und wieder vermögen die Schweizerischen Bundesbahnen ihren neusten Flop nicht mehr weiter zu verbergen. Die für Basel 2020 geplante 1. Klasse Lounge wird nun doch nicht gebaut, Zürich und Genf schliessen ihre auf Ende Jahr. Eine der kleineren von unzähligen Mosaiksteinen, die das Trümmerfeld von Pannen, misslungenen Projekten, gebrochenen Versprechen und Fehlinvestitionen zusätzlich bedeckt.

Komfort immer mehr ein Fremdwort

Die bequemen Warteräume für die wichtigen Vielzahler unter ihren Gästen begründet die SBB-Medienstelle im Ernst so: «In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass nur 5 Prozent der internationalen Reisenden dieses Angebot nutzten. Von den 1.-Klasse-GA-Kunden (solche sind ausschliesslich Inlandreisende, Anmerkung der Redaktion) haben sogar nur rund 1 Prozent die Lounges besucht.» Ausserdem sei der Betrieb für die beiden komfortablen Warteräume mit jährlich rund drei Millionen Franken zu teuer. Doch wer jemals die Gelegenheit hatte diese praktischen Einrichtungen zu nutzen, weiss um den täglich herrschenden Kampf um die Plätze in Wirklichkeit. Von geringer Nutzung keine Spur. Während den Stosszeiten einen Sitzplatz zu ergattern, gleicht einem Lotto-6er – mit Zusatzzahl!

Noch vor wenigen Jahren waren die SBB das Lieblingskind der Nation, Vorbild für Verkehrsnetze rund um den Globus. Das erste deutsche Fernsehen ARD präsentierte unsere Bahn zur besten Sendezeit als die beste der Welt. Doch das ist nun schon Jahre her, inzwischen hat sich die Liste der Negativeinträge beängstigend verlängert. Verwirrende Strategien im Verpflegungsbereich, stetige Preiserhöhungen, brechend volle Pendlerzüge, zahlreiche unfreiwillige Stehplätze selbst in der ersten Klasse, überfüllte und beengende Situation auf der Basler Gundeli-Passerelle: Die Passagiere verhalten sich wie Lemminge. Wären sie welche, hätte der Tierschutzverein wohl längst eingegriffen.

"Der Kluge reist im Zuge" -wer ist der Dumme?    

Im Vordergrund die neuen Bodenmarkierungen welche die Bahngaeste auf die neue Sektoren-Einteilung des Perrons hinweist, waehrend im Hintergrund Arbeiter die neuen Sektorentafeln montieren, fotografiert am Montag, 5. August 2013 auf dem Bahnhof in Laufen. 

Für die ganz grossen Projekte, wie das Jahrhundertwerk NEAT, werden die SBB nach wie vor weltweit bewundert. Nur, wer ausser dem Zugspersonal fährt schon täglich durch den Gotthard? Und auf Nah- wie Mittelstrecken wirkt der einst stolze Riese oft nur noch peinlich. Mit einem neuen Halte-Konzept wollten die SBB das Problem der Verspätungen auch in unserer Region vollmundig bekämpfen. Beim Pilotprojekt im Laufental wurden im Jahr 2013/2014 auf den Bahnhöfen Aesch, Duggingen, Grellingen, Zwingen und Laufen die Perrons in einheitliche, 50 Meter lange Sektoren eingeteilt und in unübersehbarer Weise markiert. So sollten Kunden ihre Plätze rascher finden, Personenflüsse und Haltezeiten optimiert werden. Das habe sich dann aber laut der SBB als zu aufwendig erwiesen und 550'000 Franken für diesen einen Versuch waren verbrannt. Mitte 2014 war bereits Schluss.   

Weitere derartige Versuche mit verheerendem Ausgang, wurden an keinen weiteren Bahnhöfen in der Schweiz gemacht. Die SBB verfolge laut eigenen Aussagen andere Methoden, um mehr Pünktlichkeit und kürzere Fahrgastwechsel zu erreichen. Über eine halbe Million sinnlos ausgegebenes Geld sind da plötzlich keine weitere Erwähnung, oder gar Erklärung wert: Portokasse: Abteilung Kaffe und Kuchen.

Punktesammelhysterie erreichte die SBB (vorübergehend)

Der Wohl grösste und teuerste bekanntgewordene Flop der jüngsten Geschichte hiess MobilBonus. Nie gehört? Mit der App konnten fleissige GA- und Halbtax-Besitzer ab Mai 2013 Kilometer sammeln und gegen Preise oder Gutscheine eintauschen. Nach einem fulminanten Start kam der Absturz. Das System war nicht ausgereift: «Die Schwierigkeiten bei der Ortung und beim Ein- und Auschecken hätten nur mit grossem Aufwand behoben werden können», so die SBB damals und man entschied sich, MobilBonus per 31. Juli 2014 abzuschalten. Zahlen gibt es keine, aber der Verlust soll laut Recherchen von barfi.ch mehrere Millionen Franken betragen haben.    

Blindgänger «LeShop Rail» und «Goodbox»

Aus dem gleichen Jahr stammen zwei weitere, sehr schnell wieder abgebrochene, Projekte. Das erste nannte sich «LeShop Rail». Bei diesem Pilotprojekt am Zürcher und Lausanner Hauptbahnhof konnten die Bahnkunden per Internet Bestellungen bei der Migrostochter LeShop.ch aufgeben und dann am SBB-Gepäckschalter in den Bahnhöfen abholen. Nach einer Laufzeit von knapp zwei Jahren mussten die SBB zugeben, dass das Angebot nicht interessiert. Exakt das Gleiche gilt für die «Goodbox», spezielle Schliessfach-Anlagen, die in den Bahnhöfen Zürich, Wetzikon und Bern getestet wurden. Rund 400 Teilnehmer der SBB konnten über das Smartphone Lebensmittel, Blumen oder Kleidung bei LeShop bestellen und sie in speziell erstellte Gepäckfächer legen lassen. Das Smartphone diente dabei als Schliessfachöffner und Portemonnaie zugleich. Doch nach gross angekündigten Expansionspläne auf weitere Bahnhöfe teilten die SBB kleinlaut mit, das verfügbare Sortiment sei zu klein, um für die Kunden einen anhaltenden Mehrwert zu bieten. Das Aus kam bereits nach einem Jahr, nur wenige Monate nach dem Ende von «MobilBonus».

Und weil noch nie darüber berichtet wurde: ...die Passerelle

Als die neue Brücke zu den Geleisen und damit ein Durchgang zum weitgehend abgeschnittenen grössten Basler Quartier Gundeli vor 13 Jahren eröffnet wurde, waren noch (fast) alle zufrieden. Statt durch die schmuddelige Unterführung über eine helle, hochgelegte Passerelle zu spazieren, klang verlockend. Doch Realität und Vision liegen um Welten auseinander. Mit zunehmenden Passagierzahlen wurde aus der Passerelle ein Passevite und nicht nur in den Hauptverkehrszeiten kommt man nun kaum noch aneinander vorbei.

Die SBB erkannten das Problem und veranlassten für viel Geld den Abbau von Billettautomaten, Zeitungsboxen und Telefonkabinen, um mehr Platz zu schaffen und diesen mehrheitlich gleich wieder teuer an Privatunternehmer und Werbetreibende zu vermieten. Den Passagieren wird Klettern und Schubsen erbarmungslos zugemutet.

Auch die einst wunderschöne grosszügige Schalterhalle bringt der SBB inzwischen hohe Mietgebühren für die seltsamsten Werbeevents; den Passagieren aber bereits im Eingangsbereich Unübersichtlichkeit und Ärger. Auf dem Weg zu eben dieser viel zu engen Passerelle, wo es zwar ein riesiges Angebot an überteuertem Essen und Getränken gibt, aber kein einziges WC.

Nun planen die SBB eine neue unterirdische Querung. Sie wird frühestens 2028 in Betrieb genommen. Bis dahin hängen allerdings viele der heutigen Pendler schon lange am Rollator.  

In Worthülsen wie von Baschi Dürr: «Die Komplexität von Gesamtprojekten»

Eine riesige interner Flop sorgt aktuell bei der SBB hinter den Kulissen für grosse Sorgen Es betrifft die Anschaffung eines neuen Personaleinsatzplanungssystems. Dieses will und will nicht korrekt funktionieren. SBB-Sprecherin Franziska Frey räumt ein: «Die Komplexität des Gesamtprojektes wurde zu Beginn von unserer Seite unterschätzt. » Deshalb erfolge die Einführung etappenweise, was ursprünglich nicht so geplant gewesen sei. Verschiedene Faktoren, wie «ein grosser technischer Integrationsgrad» hätten «nicht nur zu einer Verzögerung des Projektes, sondern auch zu Mehrkosten geführt». Wie hoch letztere ausfallen, wollte Frey mit Verweis auf das noch laufende Projekt nicht sagen.

Das alte Personaleinsatzplanungssystem sei nach 16 Jahren am Ende seiner Lebensdauer angelangt und könne nicht mehr an zukünftige Herausforderungen angepasst werden, sagt Frey. Inzwischen sei das System, abgesehen von noch immer gravierenden «einzelnen Startschwierigkeiten», jedoch grundsätzlich auf Kurs.

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